9 Spannungsromane für den Urlaub: Ferien Sammelband 9017. Frank Rehfeld

9 Spannungsromane für den Urlaub: Ferien Sammelband 9017 - Frank Rehfeld


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dass der Beamte nicht die geringste Chance hatte. Ohne erkennbaren Bewegungsansatz schnellte der Trucker los. Der Schwarzhaarige wollte ausweichen. Doch es blieb beim Wollen.

      Denn im selben Moment traf ihn die Faust des Truckers.

      Ein Pferd hätte nicht härter treten können.

      Die ungeheure Wucht des Hiebes trieb den Beamten aus dem Weg. Mit schnellen kleinen Rückwärtsschritten und rudernden Armen konnte er es gerade noch verhindern, der Länge nach zu Boden zu segeln.

      Sheila hielt den Atem an, zog die Unterlippe zwischen die Zähne. Sie hatte das Gefühl, dass ihr Herz stehenbleiben müsse.

      Mein Gott, dachte sie verzweifelt, warum tust du das, Barry?

      Er handelte sich Probleme ein, die völlig überflüssig waren.

      Den schwarzhaarigen Kriminalbeamten trieb Barrys Hieb fast bis an die Reihe der gegenüber parkenden Trucks heran. Der Zufall wollte es, dass ausgerechnet in dieser Minute sonst keine Menschenseele zu sehen war. Trotz aller Unregelmäßigkeiten ihres Lebens hielten sich Trucker gern an ein paar Festpunkte im Tagesablauf. Und Mittagszeit war nun mal Mittagszeit.

      Die Männer von der State Police hatten das wahrscheinlich einkalkuliert.

      Barry wirbelte herum, wollte den vermeintlichen Angriff des jüngeren Beamten abwehren. Aber der grinste ihn nur an, das Walkie-Talkie noch in Sprechhöhe.

      „Barry!“, schrie Sheila, und jetzt konnte sie nicht anders. Sie musste die Tür aufstoßen, um ihn zu warnen.

      Zu spät.

      Die beiden Männer waren so plötzlich zur Stelle, dass dem Trucker nicht mal mehr Zeit zum Luftholen blieb. Sie mussten hinter dem Freightliner, nebenan, gelauert haben. Sie trugen Dunkelblau, wie ihre Kollegen, und sie schlugen zu, bevor Barry herumkreiseln und den Angriff abwehren konnte.

      Eine kurze, unbarmherzige Schlagserie brachte ihn ins Wanken.

      Bevor er mit dem Kopf auf den Beton schlagen konnte, fingen sie ihn auf - zu dritt jetzt. Der Schwarzhaarige unterstützte seinen Kollegen; obwohl sein Gesicht vor Wut verzerrt war, hielt er sich Barry gegenüber zurück.

      Sheila war schon im Begriff, aus dem Fahrerhaus zu springen.

      Da tauchte der Mann mit dem Walkie-Talkie vor ihr auf.

      Sie verharrte, fiel zurück auf den Sitz. Der Mann von der State Police schüttelte den Kopf und zog die Schultern hoch. Er verstaute sein Funkgerät und reichte Sheila eine Visitenkarte.

      „Rufen Sie diese Nummer an, wenn Sie Fragen haben, Madam. Ihr Freund ist ein störrischer Kerl. Was da eben passiert ist, hätte nicht sein müssen.“

      Sheila nahm die Karte an. „Warum nehmen Sie ihn mit?“, hauchte sie. „Was haben Sie mit ihm vor?“

      „Stellen Sie keine Fragen“, entgegnete der Beamte schroff. „Und versuchen Sie nicht, uns zu folgen. Auskunft erhalten Sie nur unter der Telefonnummer.“ Mit einer Kopfbewegung deutete er auf die Karte, die Sheila in der Hand hielt. Dann wandte er sich ab, bevor sie noch etwas sagen konnte.

      Ein schwarzer Chrysler New Yorker rollte von links heran. Die Scheiben der schweren Limousine waren dunkel getönt. Gleich darauf folgte ein zweiter Wagen, ein Pontiac Bonneville. Barry wurde in den Fond des Chrysler verfrachtet. Die Beamten verteilten sich auf die beiden Fahrzeuge.

      Mit hoher Geschwindigkeit jagten der Chrysler und der Pontiac davon.

      Sheila merkte sich die Kennzeichen, fischte einen Kugelschreiber aus dem Staufach und schrieb die Ziffern und Buchstabenfolgen auf die Rückseite der Visitenkarte. Die beiden Limousinen, das bekam Sheila gerade noch mit, hielten auf die Parkplatzausfahrt zu, die auf die Staatsstraße führte - nicht auf den Highway. Also würden sie westlich um Tulsa herumfahren. Oder sie hatten ein Ziel, das im Westbereich der Stadt lag.

      Sheila drehte die Visitenkarte um.

      Es war eine Karte ohne Namen. Nur das Wappen der State Police von Oklahoma war auf der Vorderseite abgebildet. Darunter eine Telefonnummer mit dem Vorwahlcode für Tulsa.

      4

      Im Restaurant des Truck-Stopps Oakhurst schwebten alle Wohlgerüche nordamerikanischer Kochkunst. Sämtliche Tische waren besetzt. Besteck klapperte und vermischte sich mit dem Gemurmel von Männerstimmen zu einer nicht abreißenden Geräuschkulisse.

      Jim Sherman stieß seinen Partner an.

      Bob Washburn, der schwarze Hüne, hob unwillig den Kopf. Das Porterhouse Steak, auf das er sich gerade mit Hingabe konzentrierte, war allererste Klasse. „Was ist?“, brummte er kauend.

      Jim deutete mit einer Kopfbewegung in den Gang zwischen den Tischreihen, Richtung Eingang. „Sieh mal da!“

      Die Blondine war eben hereingekommen. Sie sah verzweifelt aus, blieb einen Moment vor der Pendeltür stehen und suchte nach bekannten Gesichtern. Da sie auf Anhieb niemanden entdeckte, lief sie auf einen der Tische ganz vorn zu. Die Männer dort blickten nur widerwillig auf. Und im nächsten Moment brachen sie in schallendes Gelächter aus.

      „Deinen Typ haben sie entführt?“, grölte einer. „Mann, Baby, sei doch froh! Abwechslung kann nie schaden!“

      „Dich stößt bestimmt keiner von der Bettkante!“, röhrte ein anderer.

      „Am besten freundest du dich gleich mal ’n bisschen mit uns an!“, tönte ein dritter.

      Jim und Bob wechselten einen Blick. Dem schwarzen Riesen war auf einmal sogar das Porterhouse Steak egal. Ohne dass sie sich gegenseitig auffordern mussten, standen die beiden Männer aus San Antonio auf. Während der Rest der Anwesenden noch verdutzt aussah, marschierten der hochgewachsene blonde Texaner und sein Partner, der ehemalige Box-Champion, bereits den Gang hinunter.

      Das blonde Girl wich erschrocken von dem Tisch zurück.

      Einer der Kerle war aufgesprungen, bot ihr mit falscher Freundlichkeit seine Hilfe an. Und die bestand darin, dass er versuchte sie auf die Sitzbank zu zerren, zwischen sich und seinen Gröl-Kumpel.

      „Trucker können das nicht sein“, murmelte Bob, während sie Tempo zulegten.

      „Ausgeschlossen“, bestätigte Jim. „Die müssen sich hierher verirrt haben.“

      „Hallo, Sheila!“, rief der schwarze Riese fröhlich. Er wedelte mit der rechten Pranke, hoch über dem Kopf.

      „Bestimmt willst du dich lieber an unseren Tisch setzen!“, fügte Jim dröhnend hinzu.

      Sheila sträubte sich gegen den harten Griff ihres Widersachers, eines teigig aussehenden Burschen mit struppiger blonder Mähne. Sheila vermochte sich nicht umzudrehen, denn sie musste alle Kraft aufbieten, um nicht der Länge nach auf die Sitzbank geschleudert zu werden, zum Rest der grinsenden Meute.

      Aber sie hatte die Stimme erkannt.

      Und die Hoffnung verlieh ihr neue Kräfte.

      Inzwischen waren alle Blicke auf die beiden Trucker im Mittelgang gerichtet. Etliche unter den Anwesenden kannten Jim Sherman, den Mann aus San Antonio in Texas. Und natürlich kannten sie Bob Washburn, der mal ganz schön berühmt gewesen war. Damals, als er es bis zum Schwergewichtsmeister des Bundesstaates Virginia gebracht hatte. Dann aber, als er für die Mafia hatte kämpfen und verlieren sollen, war er aus dem Boxgeschäft ausgestiegen. Weil Bob vor seiner Karriere im Ring bereits Trucker gewesen war, hatte er Jims Angebot, sein Partner zu werden, als ein Geschenk des Himmels empfunden.

      Die meisten im Restaurant des Truck-Stopps Oakhurst, bei Tulsa im Staat Oklahoma, kannten die Geschichte dieser beiden Männer. Deshalb wunderte es auch niemanden, dass es für sie die selbstverständlichste Sache der Welt war, hier einzugreifen.

      Wenn jemand in Not war, hatte er sich noch immer auf Jim und Bob verlassen können. Auf den Highways hatten sie den Ruf, dass sie erst zupackten und dann Fragen stellten.


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