Killer im August: 11 Thriller. A. F. Morland

Killer im August: 11 Thriller - A. F. Morland


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wog immerhin zwei Zentner. Die Tür flog zur Seite, als wäre ein Bus dagegengedonnert. Feuer tanzte vor ihnen. Gierige Flammen leckten ihnen entgegen. Butch fauchte gepresst: „Du kannst Micky Maus zu mir sagen, wenn der Brand nicht gelegt wurde.“

      5

      Große Überraschungen hatte Cantrell sowieso nicht erwartet. Aber dass Hank Marple, der Nachtportier, so gar nichts zu bieten haben würde, damit hatte der Anwalt denn doch nicht gerechnet. Die Fahrt zu Marple war das Benzin nicht wert. Der Asthmamann konnte kein einziges Mädchen so gut beschreiben, dass Cantrell damit hätte etwas anfangen können. Sossier musste die Miezen wirklich gekonnt vor dem Nachtportier versteckt haben. Cantrell erkundigte sich, ob ihm Marple wenigstens eine Zahl nennen können. Wie viele Mädchen hatte Sossier in den vergangenen beiden Monaten in seine Liebeslaube gebracht? Eine klare Frage. Eine unklare Antwort. Vielleicht zehn. Vielleicht zwölf. Vielleicht aber auch nur acht. Da Marple die Mädchen niemals genau gesehen hatte, wusste er auch nicht, ob nicht zweimal dasselbe Girl mit Sossier angetanzt gekommen war. Weiter erfuhr Tony Cantrell, dass Sossier auf keine besondere Haarfarbe spezialisiert gewesen war. Er schien alles genommen zu haben, was gut gewachsen war. Ob blond, ob braun. Sogar eine Violette war unter ihnen gewesen. Ein lächerlicher Anhaltspunkt, wenn man überlegt, was die Perückenindustrie heutzutage schon für verrückte Farben auf den Markt bringt. Nicht gerade entmutigt, aber doch ziemlich enttäuscht, verließ Tony Cantrell die Wohnung des Nachtportiers. Marple hatte angekündigt, er wolle sich gleich wieder aufs Ohr schmeißen. Cantrell wünschte ihm einen guten Tag, was in seinem Fall soviel hieß wie eine „gute Nacht.“ Im Buick zündete sich Cantrell erst mal eine Zigarette an. Dann tippte er die Nummer von zu Hause in das Autotelefon. Carol war noch nicht daheim. Auch Silk und Butch waren noch unterwegs. Cantrell schob den Hörer in die Halterung. Er hatte noch reichlich Zeit für einen Besuch bei June Sossier, der trauernden Witwe. Cantrell zupfte die Touren des Buick hoch und zischte in Richtung Evanston ab. Zwanzig Minuten nervtötende Fahrt. Sämtliche Autofahrer, die ihren Führerschein noch nicht länger als vierundzwanzig Stunden besaßen, schienen auf dieser Strecke unterwegs zu sein. Das schlaucht einen gewaltig. Cantrell war froh, als er in der Nähe des Elliott Parks aus dem Wagen klettern konnte. Der heiße Samum blies ihm, aus dem Stadtkern von Chicago kommend, ins Gesicht. Er brachte Staub mit. Das Zeug knirschte zwischen Cantrells Zähnen. Ein paar einfallslos konzipierte Reihenhäuser standen in der Gegend herum. Dann kam Sossiers Grundstück. Eine Augenweide. Groß. Cantrell schätzte es auf fünftausend Quadratmeter. Und in der Mitte ein Haus, das für UN-Sekretär Waldheim schon zu protzig gewesen wäre. Wie protzig war es dann aber erst für einen einfachen Chefdekorateur der Pamberton-Warenhäuser. Eine Wohnzeile in den teuren Bellevue-Apartments. Und hier dieses riesige Haus. Das kam nicht aus Pambertons Kasse. Aber woher hatte Sossier soviel Geld?

      Mal reingehen und fragen!, entschied Tony Cantrell.

      Er begrub den Klingelknopf unter seinem Daumen. Er läutete noch, als sich die Tür schon öffnete. Jemand bellte: „Reicht doch schon, oder? Die Tür ist ja auf. Was wollen Sie mehr?“ Cantrell lächelte. „Wenn ich jetzt noch Mrs. Sossier sprechen könnte, wäre ich vollauf zufrieden.“

      Er machte einen Schritt auf die Tür zu. Aber das, was da im Rahmen stand, groß und mächtig, wich keinen Millimeter zur Seite. Cantrell blieb mit einem verwunderten Gesichtsausdruck erst mal stehen. Er nahm das Hindernis in Augenschein. Fleischiger Schädel. Braunes, seidiges Haar. Buschige, über der Nasenwurzel zusammengewachsene Brauen. Eisengraue, kalte Augen, voll von Ablehnung. Jetzt legte sich eine schaufelblattgroße Hand auf Cantrells Brust. Das hatte der Anwalt besonders gern: Leute, die ihn auf diese Art anfassten.

      „Hier kommt nicht jeder rein, Meister!“, knurrte der Kerl.

      „Ich bin nicht jeder“, sagte der Anwalt. „Mein Name ist Tony Cantrell.“

      Das rief bei dem Mann in der Tür keinen Begeisterungssturm hervor. Er verzog geringschätzig die Mundwinkel. „Ich bin Neal Cameron. Nur damit Sie wissen, wer Sie gleich vom Grundstück runterbefördern wird!“

      „Ich mag keine schweißigen Hände auf meiner Brust, Mr. Cameron. Sie verderben Hemd und Anzug.“

      „Oh. Wie schade. Sie brauchen nur zu gehen. Ich verspreche Ihnen, meine Hand wird Sie nicht begleiten.“

      „Ist Mrs. Sossier nicht da?“, fragte Cantrell.

      „Doch. Sie ist da. Aber sie will Sie nicht sehen, Mr. Cantrell.“

      „Woher wissen Sie das ? Ich schlage vor, Sie fragen sie zuerst mal. Sind Sie hier der Butler? Wenn ja, nehmen Sie sich verdammt viel heraus, mein Lieber.“

      Neal Cameron versuchte so dreinzuschauen wie eine gereizte Tigerdogge. „Ich bin hier nicht der Butler, sondern der Bruder, Mr. Cantrell. June Sossiers Bruder. Und ich achte darauf, dass meiner Schwester Leute wie Sie nicht den Nerv töten.“

      Cantrell wies sich mit der Detektivlizenz aus. Aber die machte Cameron auch nicht weich. Im Gegenteil. Er schien einiges gegen Privatdetektive zu haben. Die Hand hatte er inzwischen von Cantrells Brust genommen. Da er nun aber die Fäuste in die Seiten stemmte, war kein Platz, an ihm vorbeizukommen.

      „Meine Schwester hat für heute genug vom Frage-und-Antwort-Spiel, Mr. Cantrell!“, sagte Cameron feindselig.

      „Ach, haben Sie’s schon mit ihr gespielt?“

      „Ich nicht. Sergeant Retcliff. Ein unmöglicher Mensch ohne Manieren. Wenn er kein Polizeibeamter wäre, hätte ich ihn in hohem Bogen aus dem Haus befördert.“

      Cantrell grinste. „Wie ich höre, befördern Sie gern mal was. Haben Sie’s schon mal bei der Müllabfuhr versucht?“

      „Die wird sich gleich um Sie kümmern müssen!“, fauchte June Sossiers Bruder.

      Cantrell zog die Brauen zusammen. „Nicht doch, Mr. Cameron. Bloß keine leeren Versprechungen. Ich schlage vor, Sie schieben jetzt Ihren Säbel wieder in die Scheide und melden mich Ihrer Schwester, Ich bin sicher, dass sie mich empfangen wird.“

      Neal Cameron baute sich auf wie seinerzeit Benito Mussolini, wenn er seine Italiener belog. „Gewinnen Sie Raum, Mann, sonst sehe ich schwarz für Ihre getönte Angeberbrille! Ich kann verdammt unangenehm zu aufsässigen Leuten sein. Besser Sie scheiden in Frieden - und ohne gebrochenes Nasenbein!“

      „Ah, das nennt man eine gefährliche Drohung!“, sagte Cantrell warnend.

      „Ab jetzt durch die Mitte!“, knurrte Cameron. Gleichzeitig versetzte er dem Anwalt einen harten Stoß. Cantrell wich einen Schritt zurück. Die Tür donnerte ins Schloss. Aber Cantrell ließ die Hoffnung nicht fahren. Er klingelte noch einmal.

      Daraufhin spielte Cameron „Teufel, komm raus!“. Er fegte die Tür auf, schnellte heraus, wollte Cantrell die Faust ins Gesicht pflanzen. Aber der Anwalt war ungemein wendig. Da, wo Camerons Faust hinsauste, war Cantrells Kopf längst nicht mehr. Der Schlag verpuffte wirkungslos. Cantrell nahm die Herausforderung an. Er hätte nicht zuerst geschlagen. Aber es erfüllte ihn nun mit Genugtuung, zurückschlagen zu können. Cameron bekam zwei schallende Ohrfeigen. Sie demoralisierten ihn. Benommen starrte er den schlagfreudigen Anwalt an. Rote Flecken an den Wangen. Wut im Bauch. Ohne Orientierung. Und plötzlich ein tierhafter Wutschrei. Jetzt wollte Cameron den Anwalt durch den Fleischwolf drehen. Aber es kam nicht dazu. Eine schrille Frauenstimme sägte sich mitten in die Auseinandersetzung hinein: „Neal! Was geht hier vor?“

      Cameron


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