Killer im August: 11 Thriller. A. F. Morland
Rollins hatte geseufzt und gesagt: „Die haben leicht reden, Captain.“
McConnors hatte väterlich genickt. „Ich weiß. Ich habe ja selbst lange Zeit diese Mordkommission geleitet, Lieutenant. Es ist ein harter Job, der einen manchmal total entmutigt. Ich möchte, dass Sie das, was ich vorhin sagte, nicht allzu ernst nehmen, Rollins. Ich bin mir bewusst, dass der Fall Sossier in den besten Händen liegt.“
Nicht allzu ernst nehmen!
Warum hatte McConnors dann überhaupt davon gesprochen? Bloß, um es gesagt zu haben?
Rollins holte sich Kaffee vom Automaten. Sergeant Retcliff war bereits wieder auf der Tour. Er ackerte quer durch Chicago, um eine Spur zu finden, die ihnen weiterhalf. Bisher leider ohne Erfolg, sonst hätte er längst angerufen.
Die Tür ging auf. Erst dann wurde geklopft. „Ist es erlaubt?“, fragte jemand.
Harry Rollins hob den Kopf. Da standen Jack O'Reilly und Morton Philby. „Endlich ein Besuch, über den ich mich freuen kann“, sagte der Lieutenant. „Was führt euch zu mir? Sagt es schnell, ehe man mir diesen Posten wegnimmt.“
Butch lachte. „Er hat seinen Moralischen.“
Rollins starrte in seinen Kaffee. „Ich hätte mal wieder dringend einen Erfolg nötig.“
„Vielleicht können wir dir zu einem verhelfen“, sagte Silk.
„Nicht scherzen mit einem gebrochenen Mann!“, bat Harry Rollins.
„Ist nicht gescherzt“, sagte Philby. Er setzte sich auf den Besucherstuhl. „Wir wissen möglicherweise, wie der Mörder von Alex Sossier aussieht.“
„Wenn das wahr ist ...“ Rollins lebte sichtlich auf. „Dann ... dann ...“ Butch hob grinsend die Hand. „Vorsicht, Harry. Alles, was du uns jetzt versprichst, könnte dir später leid tun.“
Silk übernahm die Rolle des Erzählers. Butch besserte an der Story aus, was ihm nicht gefiel. Und Rollins spielte den eifrigen Zuhörer.
Kaum war Philby mit seinem Bericht zu Ende, da griff sich Harry Rollins einen der Telefonhörer.
Fünfzehn Minuten später blätterten Butch und Silk bereits in dicken Verbrecheralben, unterstützt von Lieutenant Rollins, der ihnen sagte, worauf sie bei den diversen Ganoven achten sollten. Inzwischen wurde Harrys Kaffee kalt. Aber was machte das schon. Butch und Silk hatten ihm eine Hoffnung ins Haus gebracht, an die er sich eifrig klammerte.
9
Während Tony Cantrell auf der einen Leitung ein längeres Telefonat mit einem Kollegen in der City führte - der Mann arbeitete an einem verzwickten Fall und holte den Rat des erfahrenen Rechtsanwalts in Western Springs ein -, rief Carol Cantrell im Auftrag ihres Mannes auf Leitung zwei Quincy Danenberg an. Sie kündigte ihm den Besuch ihres Mannes an. Der Ex-Boxer versprach, sich nicht aus dem Haus zu rühren. Ende des Telefonats auf Leitung eins. Gleichzeitig Ende auf Leitung zwei. Cantrell küsste seine Frau auf den Mund und sagte: „Danke, Darling.“
„Soll ich zu Danenberg mitkommen?“, fragte Carol. Sie wollte gern. Vom Stubenhocken hielt sie nicht allzu viel.
„Nicht nötig“, erwiderte Cantrell. „Entspannte dich ein bisschen. Mach dir ein paar schöne Stunden, solange wir aus dem Haus sind.“
„Was willst du bei Danenberg?“
„Er soll mir gestatten, Sossiers Apartment eingehend unter die Lupe zu nehmen.“
„Hätte es nicht genügt, seine Erlaubnis telefonisch einzuholen?“, fragte Carol.
Cantrell lächelte. Es gefiel ihm, dass Carol stets mitdachte. Er erklärte: „Ich brauche einen Schlüssel, um in das Apartment reinzukommen. Danenberg besitzt bestimmt einen Generalschlüssel für das ganze Haus. Er wird ihn mir leihen.“
Zehn Minuten später rollte der Chevrolet Chevelle Malibu Coupe aus der unterirdischen Garage des Cantrell'schen Bungalows. Als Cantrell sich das Schulterholster umgeschnallt hatte, hatte sich Besorgnis über Carols Gesicht gebreitet. Er wusste, dass sie nun wieder vor Sorge um ihn seelische Beklemmungen kriegen würde. Gott, wie lange kämpfte er nun schon erfolgreich gegen das Verbrechen in dieser Stadt. Und noch immer hatte sich Carol an den Stress nicht gewöhnt. Mehrmals hatte sie ihn schon gebeten, den Beruf des Privatdetektivs an den Nagel zu hängen. Genügte es nicht, dass er Anwalt war? Musste er nebenbei auch noch Jagd auf Verbrecher machen? Während Cantrell den Chevrolet vom Grundstück rollen ließ, nickte er gedankenverloren. Carol hatte nicht so unrecht. Sich in beiden Berufen voll einzusetzen, das kostete enorm viel Kraft. Irgendwann würde sich Tony Cantrell für einen von beiden entscheiden müssen. Er dachte an Butch und Silk. Wenn er sich für den Anwaltsjob entschied, würden die beiden allein weitermachen, das war sicher. Cantrell seufzte. Was sollte dieses Grübeln. Vor ihm lag der Fall Sossier. Und er musste ran an ihn, um ihn zu klären.
Quincy Danenberg sprang Schnur, als Tony Cantrell bei ihm aufkreuzte.
„Oh, hallo, Mr. Cantrell. Entschuldigen Sie. Bin gleich fertig.“ Er zählte weiter. Die Schnur kreiselte so schnell, dass ihr Cantrell mit den Augen nicht folgen konnte. Wenn sie die Natursteinfliesen der Terrasse berührte, gab das ein kurzes, klatschendes Geräusch. Bei fünfhundert machte Danenberg Schluss. Er keuchte. Schweiß glänzte auf seiner Stirn. Er rollte die Springschnur zusammen. Cantrell setzte sich. „Einen kleinen Augenblick noch, Mr. Cantrell“, sagte der Ex-Boxer. Dann verschwand er im Haus. Duschen und Umziehen dauerte fünf Minuten. Als Danenberg wiederkam, trug er ein blütenweißes Polohemd und weiße Hosen sowie weiße Zwirnsocken und weiße Schuhe. „Jetzt stehe ich Ihnen zur Verfügung“, bemerkte er und setzte sich zu Cantrell. „Was kann ich für Sie tun?“
„Ich hätte mich gern mal gründlich in Sossiers Apartment umgesehen“, sagte der Anwalt.
„Keinen Einwand“, erwiderte Danenberg. „Sie können das jederzeit tun.“
„Vielen Dank. Ihr Einverständnis einzuholen, war nur eine reine Formsache. Ich habe damit gerechnet, dass Sie dazu ja sagen, Mr. Danenberg.“
Der ehemaliger Boxer schlug die Beine übereinander. „Na hören Sie, das ist doch das mindeste, was ich zur Aufklärung dieses Mordes beitragen kann. Sie können mit jeder Unterstützung von meiner Seite rechnen, Mr. Cantrell.“
„Gibt es so etwas wie einen Generalschlüssel? Einen Schlüssel, mit dem Sie jedes Apartment aufschließen können.“
„Es gibt drei. Einen hat der Tagportier. Einen hat der Nachtportier. Und einer befindet sich in meinem Besitz.“
„Den würde ich gern haben. Natürlich würde ich die Tür zu Sossiers Apartment auch ohne den Schlüssel jederzeit aufkriegen, aber die gesetzlich gedeckte Variante ist mir in diesem Fall doch lieber. Da das Apartment von Sossier nicht gekauft, sondern nur gemietet war, gehört es nach wie vor Ihnen, Mr. Danenberg. Das heißt, dass ich mich da so lange aufhalten kann, wie Sie es mir erlauben.“
„Meinetwegen können Sie eine ganze Woche dort verbringen“, sagte Quincy Danenberg achselzuckend.
„Das wird bestimmt nicht nötig sein“, schmunzelte Cantrell.
„Was versprechen Sie sich von diesem Besuch, Mr. Cantrell?“, wollte Danenberg wissen.