Vergiss mein nicht!. Kasie West
zurück und seufzte verträumt, als schwebte ihr ein Bild von Duke mit ihr zusammen vor. »Hexy.«
»Was?«
»Eine Kombination aus heiß und sexy. Im Lexikon wäre der Begriff als Substantiv aufgeführt und bräuchte nicht mal eine Definition, bloß ein Foto von Duke Rivers.«
»Ach bitte. Es gibt jede Menge echte Begriffe im Lexikon, wo Dukes Foto abgebildet ist ... angeberisch, egoistisch, arrogant. Und außerdem«, lächelte ich, »wäre hexy ein Adjektiv.«
»Mädels«, sagte Mr Caston. »Ich glaube nicht, dass bei euch da in der Ecke sehr viel gelernt wird.«
Laila zeigte auf den Monitor. »Wir haben die Nieren gefunden, Mr Caston.«
Als ich nach Hause kam, waren meine Eltern im Wohnzimmer. Sie saßen auf getrennten Sofas, hatten ihre Hände im Schoß gefaltet, die Mienen düster. Meine Wangen fühlten sich plötzlich ganz taub an, als alles Blut aus ihnen wich.
Unser Haus war das, was Laila immer als gemütlich-altmodisch beschrieb – dick gepolsterte Möbel, die nicht zusammenpassten, Plüschteppich, honigfarbene Wände. Die Art von Haus, in dem man sich einigeln und wohlfühlen konnte. Im Moment war allerdings das Gegenteil der Fall und ich spürte, wie sich meine Schultern anspannten.
»Ist mit Oma alles in Ordnung?«, fragte ich. Es war der einzige Grund, der mir einfiel, warum beide mitten am Tag zu Hause waren und so trübsinnig aussahen.
Das Lächeln, das auf dem Gesicht meiner Mutter erschien, wirkte kühl und ich war augenblicklich auf der Hut. »Ja, Liebes, Oma geht’s gut. Allen geht’s gut. Räum doch deinen Rucksack eben weg und setz dich dann zu uns. Wir müssen reden.«
Ich ging in mein Zimmer und fragte mich, was passieren würde, wenn ich mich hier verbarrikadierte. Mein Blick streifte ernsthaft das hohe Bücherregal neben der Tür. Wenn ich nie mehr aus meinem Zimmer käme, würde ich auch nie erfahren, was sie mir sagen wollten – und was der Grund für ihre besorgte Miene war. Ich lief ein paar Minuten lang auf und ab und ließ mir die verschiedenen Möglichkeiten durch den Kopf gehen, verwarf den Gedanken, Alternativen auszuloten, und ging dann doch wieder nach unten. Meine Mom zeigte auf den Soffel (so genannt, weil er kleiner als ein Sofa war, aber größer als ein Sessel). Ich setzte mich an die Wand zwischen die beiden Sofas und schob meine Hände unter die Schenkel, damit ich nicht auf meinen Nägeln herumkauen konnte.
»Sagt mir mal jemand, was hier los ist?« Ich sah meinen Dad an. Hoffentlich würde er mir antworten. Egal, um welche Nachrichten es sich handelte, mein Dad konnte sie wesentlich sanfter vermitteln. Er akzeptierte, dass es so etwas wie Gefühle gab. Im Gegensatz zu meiner Mom, die anscheinend der Überzeugung war, Menschen wären nichts anderes als eines ihrer Programme: leicht neu zu konfigurieren, wenn sie sich nicht so verhielten wie gewünscht.
Erst wurde ich nicht schlau aus Dads Gesichtsausdruck, aber dann wurden seine Züge weich und mitleidig. Kein gutes Zeichen.
Aber meine Mutter war diejenige, die sprach. »Addie, nachdem wir jetzt viele Jahre lang versucht haben, uns irgendwie zusammenzuraufen, haben dein Vater und ich beschlossen, getrennte Wege zu gehen.«
Ich hatte das Gefühl, als knallten mir Hunderte von Footbällen an die Stirn. Meine Beule pochte und meine Hand wanderte automatisch wieder an die Stelle. Ich versuchte zu begreifen, was meine Mutter eben gesagt hatte, aber das Einzige, was es bedeuten konnte, ergab keinen Sinn. Meine Eltern verstanden sich ganz gut. Warum würde einer von ihnen gehen wollen? »Du meinst doch nicht, dass ihr euch scheiden lassen wollt?«
»Doch, Süße.« Anscheinend hatte ihre direkte Herangehensweise nicht die gewünschte Reaktion hervorgerufen. Also schaltete sie jetzt auf ihre Schau-doch-wie-mitfühlendich-sein-kann-Stimme um. »Es hat nichts mit dir zu tun. Wir haben Probleme, die wir einfach nicht in den Griff kriegen. Das hier war das Letzte, was wir wollten – die Familie auseinanderreißen. Aber egal, was wir versucht haben, es hat nicht funktioniert.«
Sie senkte ihren Kopf und kniff die Augen zu. Versuchte sie etwa, ein trauriges Gesicht zu machen? Es sah gekünstelt aus. »Wir hatten gedacht, dass du es vielleicht hättest kommen sehen. Hast du in letzter Zeit keine Alternativen ausgelotet?« Sie legte bei diesen Worten ihre Hand auf meinen Arm, ich sah sie, aber im Bruchteil einer Sekunde war sie bereits weitergewandert, um ein Staubkörnchen von der Sofalehne zu entfernen, bevor sie sich wieder zu ihrer anderen Hand in ihrem Schoß gesellte.
Ich brauchte eine Weile, bis mir klar wurde, dass sie mir eine Frage gestellt hatte.
»Nein, habe ich nicht.« Ich hatte das letzte Mal in der vorletzten Woche meine Alternativen ausgelotet und das hatte sich nur auf die Zeit bis zum Homecoming-Ball bezogen, der Freitag stattgefunden hatte. Hätte ich bloß ein paar Tage weiter nach vorne geschaut, hätte ich das hier vorausgesehen.
»Ich kapier’s nicht. Warum wollt ihr euch scheiden lassen?« Das Wort hinterließ einen schlechten Geschmack im Mund.
»Weil wir wie Fremde sind, die im selben Haus leben. Wir sind uns so gleichgültig geworden, dass wir nicht einmal mehr streiten.«
Ich wartete darauf, dass mein Dad das Wort ergreifen würde, um das Gegenteil zu behaupten, aber er nickte zustimmend. »Tut mir leid, Baby. Es stimmt.«
»Aber ihr beide seid mir nicht gleichgültig. Das könnt ihr nicht machen.«
»Unsere Entscheidung steht bereits fest«, sagte meine Mom. »Du bist die Einzige, die noch eine Entscheidung treffen muss.«
»Ich entscheide mich dafür, dass ihr zusammenbleibt.«
Meine Mom besaß die Frechheit zu lachen. Okay, es war nicht unbedingt ein Lachen, eher ein Zucken um die Mundwinkel, aber trotzdem. »Darüber hast du nicht zu entscheiden, Addie. Deine Entscheidung ist: Bei wem möchtest du leben?«
Un-fair.land, das – das Land, das von meinen Eltern regiert wird
Ich war absolut sprachlos, überzeugt davon, dass die Alarmanlage unseres Hauses das Sicherheitssystem aktiviert hatte, als ich nach Hause kam. Das hier waren die Hologramm-Versionen meiner Eltern: darauf programmiert, Einbrecher zu täuschen. Denn das, was sie sagten, ergab überhaupt keinen Sinn.
Aber meine Eltern waren keine Hologramme. Sie saßen direkt vor mir und warteten auf meine Reaktion. Wenn man bedenkt, dass sich gefühlte fünf Minuten lang keiner von uns bewegt hatte, überraschte es mich, dass wir noch nicht im Dunkeln saßen. Ich hatte keine Ahnung, was meine Eltern von mir wollten, ich jedenfalls wartete darauf, dass sich die Welt wieder um die eigene Achse drehte und mein Leben in Ordnung kam. Ich war nun mal Überraschungen nicht gewohnt und ich beschloss, dass ich nichts von ihnen hielt.
Meine Mom brach das Schweigen: »Ich weiß, dass das eine schwierige Entscheidung ist, Addie. Und wir verlassen uns darauf, dass du deine Gabe nutzt, um herauszufinden, welche Zukunft für dich die günstigere erscheint. Du brauchst uns nicht jetzt zu antworten.«
»Kann ich nicht bei euch beiden bleiben? Was ist mit einem Kompromiss, zur Hälfte beim einen und zur Hälfte beim anderen?«
»Das wäre eine Option, aber dein Vater hat beschlossen, den Sektor zu verlassen. Er wird in die normale Welt ziehen.«
Bis jetzt hatte ich nur einen Knoten im Magen gehabt, nun sank er mir fast bis zu den Füßen. »Du ziehst weg, Dad?« Nicht viele Menschen verließen den Sektor. Niemand, den ich persönlich kannte. Diese Nachricht schockierte mich fast genauso wie die Scheidung selbst.
Meine Mom fuhr fort: »Ich glaube nicht, dass es gut für deine Entwicklung wäre, wenn du mit zu ihm ...«
»Marissa, du hast versprochen, dass du nicht versuchen würdest, sie zu beeinflussen, weder in die eine noch in die andere Richtung.«
»Tut mir leid. Das stimmt. Addie, die Entscheidung liegt ganz bei dir. Bleibst du hier, bist du unter deinesgleichen, verlässt du den Sektor, dann lebst du in