Vergiss mein nicht!. Kasie West

Vergiss mein nicht! - Kasie West


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kann, sie ist noch in der Schule, aber ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass sie schwänzt. Wir haben seit gestern nicht mehr gesprochen.

      Es klingelt an der Tür und ich falle praktisch über mein Lernmaterial, so eilig habe ich es aufzumachen. Die Sonne sticht in meinen Augen und ein stickiger, heißer Luftschwall schlägt mir ins Gesicht, als ich die Tür öffne.

      Es ist der Postbote und er hält mir ein Klemmbrett entgegen. »Können Sie mir die Empfangsbestätigung für ein Päckchen unterschreiben?«

      Ich stecke mein Handy in die Hosentasche und greife nach dem Klemmbrett. »Klar.« Ich kritzle meinen Namen in das Feld, auf das er deutet. Er reicht mir einen großen, wattierten Umschlag und macht sich wieder auf den Weg.

      »Wie läuft’s denn so?«, platze ich heraus. »Alles cool?«

      Er bleibt stehen. »Es ist Oktober. Jetzt fängt es an, bei uns kühl zu werden.« Er zwinkert mir zu.

      »Im Ernst?«

      »Du wirst dich dran gewöhnen. Willkommen in Dallas«, sagt er und geht.

      »Danke.« Das Handy in meiner Hosentasche vibriert. »Hallo?«

      »Vermisst du mich schon?«, fragt Laila.

      Ich schließe die Tür. »Sagen wir einfach nur, dass ich so ausgehungert nach Kontakt bin, dass ich eben mit dem Postboten Small-Talk betrieben habe.«

      »War er denn süß?«

      »Wahrscheinlich war er fünfzig.«

      »Igitt.«

      Ich werfe einen Blick auf den wattierten Umschlag in meiner Hand. Er ist an meinen Dad adressiert und ohne Absender. Ich gehe in die Küche und fahre ungeduldig mit meinen Händen durch die Luft, als die Lichter nicht sofort angehen. Ich brauche einen Moment, bis mir klar wird, dass sie nicht von alleine aufleuchten. Ich werfe den Umschlag auf die Küchentheke und laufe wieder zurück, ohne nach dem Lichtschalter zu suchen. »Ich will nicht rummeckern, aber solltest du nicht im Unterricht sitzen?«

      »Ja, wahrscheinlich schon, aber ich unterhalte mich lieber mit dir. Ist nur Gedankenübertragung. Das hab ich voll im Griff.«

      »Hast du?«

      »Du nicht?«

      »Bloß auf kurze Entfernungen.«

      Laila sagt: »Hm.« Und dann: »Weißt du, wer noch Schwierigkeiten bei der Gedankenübertragung hat?«

      »Wer?«

      »Bobby.«

      Ich verziehe meinen Mund. »Das liegt daran, dass er es nicht gewohnt ist, das Bewusstsein von anderen zu manipulieren. Er kann bloß Masse. Durch Wände gehen, Flüssigkeiten fest werden lassen, Objekte in die Länge ziehen. Ich werde es nie laut zugeben, aber er ist richtig gut. Wahrscheinlich der Beste in seinem Alter, den ich kenne.«

      »Genau das meint auch der Lehrer. Wenn deine Gabe nicht so oder so damit zu tun hat, den Verstand anderer zu beeinflussen, ist Gedankenübertragung fast unmöglich.«

      »Meine Mom hat mir das gesagt. Sie ist Expertin auf dem Gebiet. Wahrscheinlich, weil sie die Königin der Manipulation ist.«

      Laila lacht. »Stimmt. Na gut, wie sind denn die Normalen? Ist es schwer, sich mit ihnen zu unterhalten?«

      »Nicht wirklich, aber ich habe auch noch nicht mit vielen gesprochen, bloß mit einigen auf dem Weg hierher und eben mit dem Postboten.«

      Ich habe den Verdacht, dass mein Dad versucht, mich langsam in die Welt der Normalen einzuführen, denn auf dem Weg hierher hatten wir fast keine Pause gemacht.

      »Das bringt mich auf eine Idee. Vielleicht sollte ich in diesem Schuljahr bei ein paar Auswärtsspielen mit dem Football-Team mitfahren. Wenn du da durch musst, mit den Normalen zu reden, kann ich dein Leid wenigstens ein bisschen teilen.«

      Ich lache. »Du klingst ja kein bisschen voreingenommen.«

      »Und bist du das etwa nicht?«

      »Bin ich nicht.«

      »Nein, du denkst bloß, dass du was Besseres bist als sie.«

      »Nicht besser, bloß anders, weil ich zu mehr fähig bin.«

      Sie lacht, als hätte sie das letzte Wort behalten.

      Ich lasse mich mit dem Rücken aufs Sofa fallen und lege meine Beine über die Lehne. Es ist noch warm von vorhin, und als mir einfällt, wie viele andere Leute wahrscheinlich schon auf diesem Sofa gesessen haben, ekelt es mich. Ich setze mich auf. »Es sind nicht so sehr die Leute, die anders sind. Es ist dieser Ort. Ich könnte schwören, dass es hier heißer und heller ist. Glaubst du, dass ich von der Sonne einen Gehirnschaden bekommen kann?«

      Sie lacht.

      »Ich meine das ernst. Warum würden sie sonst die Sonnenstrahlung im Sektor filtern?«

      »Ich bin mir sicher, dass sie das optimale Licht für die Entwicklung des Gehirns gefunden haben. Genau wie alles andere, dass hier verändert wurde, um das Potenzial unserer Hirne voll auszuschöpfen.«

      »Das meine ich ja!«

      »Noch ein Grund, warum du sofort nach Hause kommen solltest. Du wirst so oder so irgendwann zurückkommen, da habe ich keine Zweifel. Du würdest doch nicht riskieren, dass deine Kinder ohne entwickeltes Denkvermögen zur Welt kommen.«

      Ich seufze.

      »Oh, und da wir gerade bei dem perfekten Genmaterial zum Heiraten sind, rate mal, wer heute nach dir gefragt hat!«

      »Keine Ahnung.«

      »Duke Rivers.«

      »Äh ... warum denn?«

      »Weiß ich nicht. Ich dachte, das könntest du mir sagen.«

      Die Tür, die von der Garage in die Küche führt, öffnet sich und man hört das Klirren von Schlüsseln, die auf der Küchentheke landen. »Hey, ich ruf dich später an, mein Dad ist gerade nach Hause gekommen.«

      »Okay, Tschüss.«

       Duke Rivers hatte nach mir gefragt? Seltsam.

      »Hi, Dad!« Ich sammele mein verstreutes Arbeitsmaterial ein und stehe auf. »Du bist früh dran.«

      »Wenn man bedenkt, dass ich heute überhaupt nicht hätte hingehen sollen, bin ich ausgesprochen spät dran.« Er nimmt sich den wattierten Umschlag von der Küchentheke und wirft einen Blick auf beide Seiten.

      Ich lege meine Heilmittel für Schlaflosigkeit auf den Tisch. »Oh, das kam für dich vor einer Weile.«

      Er zieht seine Augenbrauen zusammen.

      »Was ist es denn?«, frage ich.

      »Bloß ein Vorgang, bei dem ich das Para-Kriminalamt berate.«

      »Ich dachte, du arbeitest nicht mehr für sie. Wir wollten doch dieses Normal-Ding in aller Konsequenz ausprobieren.«

      Wir werden wie der Rest der Welt leben, Addie, hatte er gesagt. Das wird uns guttun. Jetzt klingen die Worte billig, aber vor Kurzem noch hatten sie mir das Gefühl gegeben, als würden wir in eine Schlacht ziehen oder so.

      »Na ja, ich habe ihnen bei meiner Kündigung versprochen, dass ich ein paar kleinere Aufgaben übernehmen würde, wenn sie mich brauchen.«

      Ich greife mir einen Apfel aus einer Schüssel auf der Küchentheke. »Du bist noch nicht mal eine Woche weg und schon wenden sie sich an dich? Die müssen ziemlich aufgeschmissen sein – ohne ihren besten Lügendetektor.«

      Er verdreht die Augen.

      Ich beiße in den Apfel. »’tschuldigung, ich meine Erkenner. Obwohl ich wette, dass das Kriminalamt hier froh ist, dich zu haben. Wo arbeitest du noch einmal?« Ich versuche mich an die Abkürzung zu erinnern. »EBI ... SBI ...«

      »FBI. Federal Bureau of Investigation.«

      »Richtig.


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