Harte Reden. Fritz Binde

Harte Reden - Fritz Binde


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die Zukunft meiner Familie.“ Eine noch freiere und frohere Antwort wäre: „Ich arbeite im fröhlichen Schaffensdrang zur Betätigung und Verwertung meiner besonderen Anlagen und Kräfte.“ Sozialer und edler klingt die Antwort: „Ich arbeite für die und die gute Sache.“ Hochideal tönt es: „Ich arbeite für die Höherentwicklung der nationalen und allgemeinen Kultur.“ Und das erhabenste scheint zu sein: „Ich arbeite für die Menschheit.“ Alles gut und schön, aber die folgerichtigste Frage auf die umfassendste Antwort ist doch sicherlich die: „Wozu arbeitet die Menschheit?“ Und damit steht der Unglaube wieder vor der Antwortlosigkeit und Hoffnungslosigkeit; denn er vermag die Frage nicht zu beantworten.

      Darum macht er es am liebsten bei der Frage nach dem Wozu? geradeso wie bei der Frage nach dem Wohin? Nämlich er sagt: „So muss man nicht fragen! Auch die Seidenraupe weiß nicht, wozu sie ihren Kokon spinnt, und doch spinnt sie ihn und stirbt. Und fragt sich der Vogel, wozu er sein Lied singt? Und doch singt er es, und singt's fröhlich. Mach's geradeso!“ Darauf ist zu fragen: „Sind wir nicht mehr als Vogel und Raupe? Ist die Frage nach dem Wozu? nicht der lauteste Vernunftschrei unserer Menschlichkeit, ununterdrückbar und unersättlich, bis er seine auf ewig stillende Antwort gefunden?“ Nie und nimmermehr wird sich der Mensch dabei beruhigen, eine Ätherwelle im Meere der Stoffbewegung, ein Rädchen in der Maschinerie des fragwürdigen Kulturbetriebs zu sein! Gerädert von der Kultur, geplagt von der Natur, wird er immer wieder aufschreien: „Wozu das alles? Wozu? Wozu?“ Und der Unglaube, der die Gottesoffenbarung der Bibel ablehnt, kann ihm keine Antwort geben. – Hoffnungslos! O, würde der Schrei nur noch viel lauter, nur noch viel nachdenklicher, wuchtiger, verzweifelter ertönen, wie viel schneller würde die Hoffnungslosigkeit jeder ungläubigen Weltanschauung offenbar werden! Indessen wird die Hoffnungslosigkeit des Unglaubens nur verhüllt durch die Gedankenlosigkeit des Unglaubens.

      Wird diese Hülle durch Not und Nachdenken einmal gründlicher zerrissen, so stöhnt man trostlos auf: „Mein einziger Trost – die Arbeit!“ Nun wohl, es kann ein vorläufiger Trost sein, in irgendwelcher Bedrängnis und Trauer zu wissen, es ist einem noch Kraft und Gelehrsamkeit zur Arbeit geblieben; aber ein befriedigender, befreiender Trost kann für den nachdenklichen Menschen, in der bloßen Arbeitsbetätigung, mit der man sich schließlich nur zu betäuben sucht, nicht gefunden werden; denn Arbeiten erklärt und erlöst unser Dasein nicht.

      Und nun zur praktischen Hauptsache in diesem Punkte. Wer hat denn das bisschen Trost im Leben am nötigsten? Ich denke, zunächst die Kranken. Nun gehe hin zum Kranken und sage ihm: „Der einzige Trost – die Arbeit.“ Er wird meinen, du wollest ihn verhöhnen. Die Krankheit hat ihn arbeitsunfähig gemacht, und du sagst: „Dein einziger Trost – die Arbeit“? Damit gibst du ihn der völligen Trostlosigkeit preis; denn gerade die Arbeit als einziger Trost, den er so sehr nötig hätte, ist ihm genommen. Ist's nicht schon traurig, wenn einem die Gesundheit genommen ist? Ist's nicht schon schlimm, wenn einem die Arbeit als Arbeit, genommen ist? Und nun muss er hören, dass ihm mit der Arbeit auch der einzige Trost genommen ist! Wie hoffnungslos entsetzlich!

      Siehst du jetzt die platte Gedankenlosigkeit des prunkvollen Moralsprüchleins: „Der einzige Trost – die Arbeit“ ein? Gehe mit diesem gedankenlosen Trostspruch zum Arbeitsunfähigen, zum jungen Invaliden, der sonst gesund, aber eben aus irgendwelchem Grunde sein Leben lang arbeitsunfähig ist. Hat der Arme nicht Trost nötig? Sag ihm den Hohn ins Gesicht: „Dein einziger Trost – die Arbeit!“ Geh zu den Alten, zu den Ergrauten und Weißgewordenen, die im Lehnstuhl sitzen oder in Altersschwäche auf dem Lager liegen. Die Leute haben immer Trost nötig. Sage ihnen: „Euer einziger Trost – die Arbeit.“ Oder tritt in die Herbergen und in die tausendköpfige Versammlung der Arbeitslosen. Rufe ihnen zu: „Euer einziger Trost in eurer trostlosen Lage – die Arbeit!“ Und was sollte man den Sozialdemokraten sagen, die den achtstündigen Arbeitstag begehren. „Haltet ein!“ müsste man ihnen entgegentreten, „ihr beraubt ja die Leute des einzigen Trostes! Trachtet doch lieber nach dem vierundzwanzigstündigen Arbeitstag, damit die Leute doch vierundzwanzig Stunden Trost haben! – Zu solchen Schlüssen müsste man kommen, wäre das Sprüchlein wahr: „Der einzige Trost – die Arbeit.“ Möge die Lächerlichkeit auch hier töten!

      Und so ist es auch mit dem dritten Moralsätzlein:

      „Der einzige Genuss – die Schönheit.“

      Erziehung zur Kunst ist ein modernes Schlagwort geworden. Der künstlerisch schaffende und der künstlerisch genießende Mensch gelten als die eigentlichen Kulturträger. Von keiner Bemühung verspricht man sich so viel Veredelung des Menschen, wie von der Heranbildung der Sinne zum Kunstverständnis. Natur- und Kulturoffenbarungen sollen da gewonnen werden, wie man sie nie zuvor gekannt habe. Ein neuer Mensch werde der Erde gegeben: der ästhetische Mensch, der die Religion des Schaffenden bringe, den erlösenden Dienst und Genuss der Kunst. – Dieses Kulturideal hat reichlich Anhänger gefunden, denn es entspricht der sinnlichen Anlage des Menschen. Sinnenpflege im Interesse der Kunst, Kunstbetätigung und Kunstliebe als Vorzugskultur, Kunstverständnis als Ausweis wertvollster Höchstreife inmitten einer Zeit, die von dem Zauberwort „Entwicklung“ berauscht ist, o, das ist etwas für den immer genießenwollenden Menschen, der an die Welt der Sichtbarkeit und an sich selbst versklavt ist! So ist denn vielen „Gebildeten“ die Kunst einfach zur Religion geworden. Sie betrachten jetzt reichlich alles vom sogenannten künstlerischen Standpunkt aus, den sie natürlich möglichst „jenseits von Gut und Böse“ gewählt haben, und der ihnen erlaubt, alles genießend zu erleben und sich zugleich an nichts sittlich zu binden. So genießt man sogar in ästhetischer Überlegenheit das künstlerisch veranschaulichte oder vertonte Leiden Jesu Christi. Man sucht eben grundsätzlich längst nicht mehr ernste, unwidersprechliche, unabweisbar verpflichtende Wahrheit, sondern nur noch irgendwie genießbare Schönheit, in der sich, wie man gerne sagt, das „Göttliche“ am reinsten und annehmbarsten offenbare.

      Man muss es mutig aussprechen: Das Ergebnis der ästhetischen Erziehung zum Genuss der Schönheit ist zum allergrößten Teil nichts anderes, als gesteigerte Sinnenlust, Erhöhung der selbstsüchtigen Ansprüche auf Ausstattung und Bequemlichkeit, üppigere Entfaltung der Modetorheiten, unbedenklichere, raffiniertere Genusssucht in Essen und Trinken, zugleich moralische Erschlaffung auf der ganzen Linie, Verlust an Einfachheit und Keuschheit, Zunahme der eitlen Selbstherrlichkeit, unfruchtbare Genusssucht bis ins Sensationell-Religiöse hinein, an Stelle der herben Wahrheit des einfachen Evangeliums pantheistisch-monistische Gedankenspielerei, Berauschung an spiritistischen, theosophischen und okkultistischen Ungeheuerlichkeiten, und durchaus Verlust an christlicher Wahrheit, Echtheit und Klarheit.

      Und was wird der eigentliche Offenbarungswert der gegenwärtigen künstlerischen Überproduktion sein? O, er wird äußerst gering sein! Gemäß unserer ganzen Zeitentwicklung wird er bestehen in viel Technik und in wenig Gedanken. Es kann ja auch gar nicht anders sein. Auch das Kunstschaffen kann nur in Verbindung mit dem lebendigen persönlichen Gott und seinem Gesalbten Jesus Christus zu klarer und großer Reife gedeihen. Wo man aber bewusst ohne Gott zu leben und zu schaffen begehrt, da wuchert zuletzt nur noch die eitle menschliche Mache mit allen ihren widerspruchsvollen Albernheiten, wie es heutzutage in der Kunst zutage tritt. Aber selbst die reifste Kunst kann kein Volk vor seinem Niedergang retten; sie ist Blüte, aber nicht Wurzel. Deswegen kann sie nie zur Erklärung und Erlösung unseres Lebens dienen. Die Kunst vermag uns im besten Falle ein erhebendes Ahnen des Göttlichen, für das wir bestimmt sind, verschaffen, aber bleibend und erlösend herausheben aus der gemeinen bändigenden Macht unserer fluchbeladenen


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