Wyatt Earp Paket 2 – Western. William Mark D.
der tote Doktor Flaubert.
Wyatt zerbrach sich den Kopf darüber, wer den für die Stadt doch so unentbehrlichen Mann ermordet haben könnte.
Schließlich fielen ihm vor Erschöpfung die Augen zu.
*
Gleich nach dem Frühstück verließ der Marshal das Cremona-Hotel und ging auf das Sheriffs Office zu.
Die Tür war verschlossen.
Ein kahlköpfiger alter Mann, der auf einem morschen Schaukelstuhl neben dem Eingang saß, blinzelte in die Sonne und kaute auf seinem Priem, während er sich mit seinem zerbeulten Hut Luft zufächelte.
»Suchen Sie den Sheriff?« krähte er mit dünner Greisenstimme.
»Yeah!«
Der Alte lächelte wieder sein spindeldürres Lachen.
»Ich weiß nicht, wo er ist.«
In den Augen des Missouriers stand plötzlich eine eisige Kälte. Schneidend sagte er:
»Wo ist der Sheriff?«
Unbehaglich erhob sich der Alte und sah plinkernd die Straße hinunter.
»Ich weiß nur, daß er weggegangen ist. Wo er hingegangen ist – das weiß ich nicht.«
»Ich habe Sie gefragt, wo der Sheriff ist«, wiederholte Wyatt eindringlich.
Betroffen von dem Ton und dem Blick des Fremden, wich der Alte an die Hauswand zurück und stülpte seinen Hut auf.
»Was wollen Sie von mir, Mister? Ich bin Jimmy Hampton. Früher einmal trug ich den Stern. Aber das ist ziemlich lange her. Damals war es noch gefährlich, den Stern zu tra-
gen. Heute ist es ja kein Kunststück mehr.«
»Ansichtssache, Mister. Aber Sie haben immer noch nicht meine Frage beantwortet.«
Der spitze Adamsapfel des Alten zuckte auf und nieder. Pergamenttrocken hingen die Lider seitlich über seinen Augen.
»Ernest? Wissen Sie, er ist ein sonderbarer Junge, mal ist er hier, mal ist er dort. Man weiß nie genau, wo er sich aufhält.«
Wyatt trat dicht an den Alten heran.
»Passen Sie genau auf, Mister Hampton, was ich Ihnen jetzt sagen werde. Sie haben behauptet, einmal Sheriff gewesen zu sein…«
»Das war ich auch!« zeterte der Alte und nestelte einen abgegriffenen sechszackigen Stern aus seiner Westentasche. »Hier, ich habe ihn viele Jahre getragen. Und da an der Seite die Beule, die hat mir Hal Flanagan vor zehn Jahren besorgt, als er auch hier seinen Wirbel losließ. Wissen Sie überhaupt, wer Hal Flanagan war? Der schlimmste Bandit, den Texas kannte. Wyatt Earp hat ihn gestellt. Der große Wyatt Earp. Von dem werden Sie wohl hoffentlich schon gehört haben.«
Der Missourier war zu der Überzeugung gekommen, daß er hier einen ehrbaren, alten Haudegen vor sich hatte.
»Ich hatte Ihnen gesagt, Mister Hampton, daß Sie mir einmal genau zuhören sollten. Sie haben mir Ihren Namen genannt und dann einen Teil Ihrer Geschichte erzählt. Ich will nicht weniger offen zu Ihnen sein. Mein Name ist Earp. Wyatt Earp.«
Da der Alte nicht mehr zurückweichen konnte, machte er vor Verblüffung einen Schritt zur Seite und sah den Fremden an, wie man einen Geisteskranken ansieht.
Da nahm Wyatt einen Stern aus der Tasche und reichte ihn dem Alten hin.
»Sehen Sie, auch ich schleppe den Stern mir mir herum…«
Der Alte hatte das Metallstück umgedreht und las mit weit aufgerissenen Augen den Namen, der auf der Rückseite eingraviert war.
»Wyatt Earp«, stotterte er. »Wahrhaftig, da steht es. Und weil ich ganz genau wußte, daß nichts schwerer wäre, als ausgerechnet dem Dodger Marshal seinen Stern zu stehlen, glaube ich Ihnen.« Er streckte dem Marshal impulsiv seine faltige, mit braunen Flecken besäte Hand entgegen.
Wyatt drückte sie.
Da schob der Alte seinen Hut ins Genick und stieß einen kleinen Pfiff aus.
»Beim großen Manitu, daß ich Sie einmal sehen würde, hätte ich mir nicht träumen lassen. Sehen Sie, wenn man die Siebzig hinter sich hat, schließt man doch schon mit vielen Dingen ab.«
Wyatt sah sich um. Da vom Generalstore einige Frauen herankamen, zog er den Alten mit sich vom Vorbau.
»Kommen Sie, Hampton, ich muß mit Ihnen sprechen.«
Der Alte zockelte neben ihm her.
Da sie jetzt mitten auf der Straße gingen, konnten sie sich ungestört unterhalten.
»Ich habe eine Frage, Mister Hampton: Sind Sie mit Burns befreundet?«
Der Alte blieb stehen, warf seinen kahlen Schädel hoch und kläffte:
»Befreundet? Mit Burns? Was halten Sie von mir? Wie kann ich mit so einem Burschen befreundet sein? Der Kerl kann doch nicht bis drei zählen, ohne zu husten. Was glauben Sie, weshalb ich Tag für Tag her zum Office komme? Weil er einen Mann braucht, der seine Fehler ausbügelt. Yeah, was glauben Sie, wieviel Blödsinn ich schon verhindert habe. Wissen Sie, man soll ja nicht so über seinen Nachfolger sprechen, dann sagen die Leute: Der Alte klebt an seinem Stern. Aber es hilft doch nichts. Burns ist kein Sheriff.«
Eine Ahnung stieg in Wyatt auf.
»Der Mayor wollte ihn sicher haben?«
»Genau, der und die beiden Salooner und auch der Hotelowner, und eine Reihe anderer Leute, denen ich lange Zeit ein Dorn im Auge war. Sie können keinen Sheriff gebrauchen, der um zwölf Uhr in ihren Buden auftaucht und notfalls mit dem Revolver dafür sorgt, daß geschossen wird…«
So war das also.
Als sie die presbyterianische kleine Kirche erreicht hatten, blieb Wyatt stehen.
»Ich werde Ihnen jetzt noch etwas sagen.«
Hampton hatte runde Augen.
»Nun sagen Sie bloß nicht, daß Doc Holliday auch in der Stadt ist.«
»Nein«, versetzte Wyatt mit einem winzigen Lächeln, »leider nicht. Ich hätte ihn gerade jetzt gut gebrauchen können.«
Der Alte gab sich einen Ruck.
»He, bin ich vielleicht nicht da, Marshal? Bin ich ein Niemand? Habe ich nicht da drüben mitten auf dieser verdammten alten Mainstreet gestanden und allein gegen Bill Hoogeeter gekämpft, gegen ihn und seine Freunde? Habe ich nicht vorn am Store auf der Treppe gestanden, als Hal Flanagan auf mich schoß…«
»Gut, ich glaube, daß ich mich auf Sie verlassen kann, Mister Hampton. Und nun hören Sie zu.«
Er erzählte ihm, was er seit dem vergangenen Vormittag erlebt hatte.
Der einstige Sheriff zeigte, daß er zuhören konnte. Als er aber erfuhr, daß Doc Flaubert tot war, zuckte seine Rechte dahin, wo er vor Jahren einmal seinen Colt getragen haben mochte.
»Doc Flaubert – ist tot, sagen Sie? Aber – das ist doch nicht möglich! Wer sollte ihn denn erstochen haben? Er hatte doch eigentlich nur Freunde in der Stadt! Allmächtiger, was soll der alte Jefferson mit seinem lahmen Bein jetzt anfangen? Und Mister
Brook und die schwindsüchtige Kathleen Marlowe? Und die vielen aderen, die er täglich besuchen muß – die ohne ihn gar nicht leben können? Das ist doch gar nicht auszudenken!
Whiteface hatte doch nur den einen Arzt. Und obgleich Flaubert selbst und auch mehrere andere Männer sich jahrelang um einen zweiten Doktor bemüht haben: nach Whiteface will keiner kommen. Ich kann es den Leuten nicht verdenken. Dieses verdammte glühende Nest…«
Die beiden Männer gingen in den Mietstall.
Wyatt tat, als wolle er sich nach dem Wohlbefinden seines Rappen erkundigen?– und währenddessen sah sich Hampton in den anderen Boxen um.
Als