Wyatt Earp Paket 2 – Western. William Mark D.

Wyatt Earp Paket 2 – Western - William Mark D.


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nein.«

      Der Alte ließ sich ächzend auf dem Stuhl nieder, legte den Krückstock mit einem harten Geräusch auf den Tisch und stützte den Kopf in die Hände.

      »Mister, ich bin über sechzig Jahre. Und vor vielen Jahren verlor ich mein Augenlicht…«

      »Trug Ihr Sohn Schuld daran, daß Sie Ihr Augenlicht verloren?« forschte Wyatt vorsichtig.

      Der Greis warf den Kopf hoch. »Wie kommen Sie darauf?«

      »Nur so ein Einfall.«

      Joe Braddock knirschte. »Yeah, dieser Schwachkopf ist schuld daran, Stapp. Er hat da draußen im Hof mit Pulver gespielt, damals, als zehnjähriger Bengel. Ich sah es oben von der Hoftür aus, ein Wollfaden glimmte, und dieser Hammel von einem Burschen hockte neben dem Krug am Boden, in den er Schwarzpulver gefüllt hatte. Jedenfalls rannte ich hinzu und riß den Bengel zurück. Im gleichen Augenblick explodierte der Topf…«

      »Vielleicht hätte man ihm einen Fußtritt geben sollen?«

      Der Greis hob den Kopf wieder. »Wem?«

      »Dem Topf natürlich.«

      »Natürlich? Es wäre besser gewesen, beiden einen Fußtritt zu geben«, sagte der Alte verbittert. »Ich habe mir hinterher hunderttausendmal gesagt, daß ich dem Topf einen Tritt hätte versetzen müssen. Aber ich packte in meiner Angst den Bengel…«

      Daher also der hemmungslose Zorn des Alten auf den Sohn.

      »Yeah«, sagte er heiser vor Erregung. »Ich spreche nie davon, aber jetzt will ich und muß ich es einmal sagen: Ich hasse ihn! Ich hasse ihn wie die Sünde! Er hat mir das Beste geraubt, was ein Mensch hat: sein Augenlicht. Ohne das Sehen ist der Mensch schon mehr als halbtot. Nichts mehr sehen! Sie können sich das nicht vorstellen. Immer, immer, immer ist Nacht um einen herum! Völlige Dunkelheit. Man glaubt, sie in ihrer dumpfen Schwäche zu spüren und zu riechen, diese Finsternis.«

      Es blieb nach diesen Worten eine volle Minute still. Dann sagte der Greis mit belegter Stimme:

      »Gilbert ist ein schlechter Mensch! Aber er ist mein Sohn – verstehen Sie? Ein Vater macht sich über den mißratenen Sohn mehr Sorgen und Gedanken als über den Sohn, der gut, gerecht und vernünftig ist. Gilbert ist ein Herumtreiber. Jahrelang ist er wie der dreckigste Tramp durch ganz Texas und Oklahoma gezogen. Nur selten haben wir etwas von ihm gehört. Dann kam er eines Tages, blieb zwei Wochen und wollte wieder weg. An der Schmiede sah er am Tag, als er weg wollte, die Frau…«

      »Ireen?«

      »Yeah, Ireen! Sie vermochte mehr als ich, als die Mutter, als die Heimat, als der Friede der Geborgenheit – sie hielt ihn fest. Der Schmied schenkte ihnen drüben das kleine Haus. Aber die Frau handelte sich die Hölle ein. Sie wäre sicher längst weggelaufen, zurück zu ihren Eltern, wenn die Kinder nicht wären. Fast in jedem Jahr kam eins…«

      Wieder blieb es eine Weile still.

      Joe Braddock erhob sich und wandte sich um.

      »Well, ich habe Ihnen von Anfang an geglaubt, Stapp. Ich weiß, daß Gil diesmal den Bogen überspannt hat, daß er diesmal ausgespielt hat. Auch nach seiner Heirat war er oft tage-, ja, sogar wochenlang unterwegs.«

      Wyatt schwieg; er wußte, daß es gut war, wenn er den Alten jetzt reden ließ. Nur so konnte er unter Umständen wirklich etwas Nützliches erfahren.

      »Wochenlang, yeah. Niemand wußte, wo er sich herumtrieb. Ich nicht, seine Frau nicht, seine Kinder nicht – niemand. Er ist ein Tramp, ein Outlaw, ein Bandit, ich weiß es – und jeder weiß es.«

      Draußen ging jemand vorbei.

      Die beiden Männer in dem dunklen Zimmer lauschten den Schritten nach.

      »Und jetzt sind Sie hier. Was – wollen Sie denn, Mister?« krächzte der Alte.

      »Ich suche den Mann, der zusammen mit Ihrem Sohn im Llano den Mord begangen hat. Dieser Mann reitet einen Rotschimmel. Kennen Sie einen Mann, der einen Rotschimmel hat, Mister Braddock?«

      Der Alte wandte sich langsam um. »Yeah, ich kenne einen. Mein Nachbar Cornwall hat einen Rotschimmel. Aber wollen Sie etwa behaupten, daß Cornwall ein Mörder ist?«

      »Ich kenne diesen Mann ja noch nicht. Aber ich werde ihn mir ansehen.«

      »Tun Sie das, aber seien Sie vorsichtig. Jube Cornwall ist ein empfindlicher Mensch. – Und nun kommen Sie, ich bringe Sie zur Hoftür.«

      Wieder war dieses Zittern in der Stimme des Blinden. Er ging vor Wyatt her zur Hoftür, öffnete sie und trat dann zurück, um den Missourier hinauszulassen.

      Diesen Augenblick hatte sich Joe Braddock ausgesucht. Er riß den knorrigen Stock hoch und wollte ihn auf den Schädel des Fremden nieder-sausen lassen.

      Aber so schwarz der Tag auch für den Dodger Marshal war – er reagierte blitzschnell.

      Mit dem Revolverlauf – er hatte, wie auch schon vorhin, als er durch den dunklen Flur ging, den Colt gezogen – hieb er dem Alten den Stock aus der Hand, packte mit der Rechten nach dem Hals Braddocks und stieß den Mann gegen die Flurwand zurück.

      »Hallo, Mister Braddock! Was sollte das denn werden? Ich habe das Gefühl, daß es in der Familie liegt, das Banditentum.«

      Der Alte geiferte: »Lassen Sie mich los, Stapp! Sie erwürgen mich ja!«

      »Was das werden sollte, habe ich gefragt.«

      Der Blinde keuchte. »Lassen Sie mich los, Stapp! Sie – Sie erwürgen mich ja. Lassen Sie – mich…«

      »Sie sollen auf meine Frage antworten!«

      »Angst… Aus Angst… habe ich es tun wollen. Für ihn…, für…«

      Krachend fiel die Tür hinter dem Marshal ins Schloß.

      Er verließ den Hof und ging hinüber zum Nachbarhaus. Auf sein Klopfen kam eine Frau an die Tür.

      »Mein Name ist Stapp, Madam. Kann ich Mister Cornwall sprechen?«

      »Augenblick…« Die Frau verschwand. Und als sie zurückkam, sagte sie: »Mein Mann hat keine Zeit.«

      »Pardon, Madam!« Wyatt schob die Frau sanft zur Seite und trat in den Korridor. Er hatte beobachtet, daß die Frau in dem zweiten Zimmer auf der rechten Gangseite gewesen war!

      Das Zimmer war leer – und dunkel.

      Wyatt sah sich nach der Frau um.

      Wie eine Statue stand sie vor der halboffenen Tür.

      »Wo ist Mister Cornwall?« forschte der Missourier.

      Die Frau schwieg. Als sie das Knacken eines Revolverhahns hörte, schrie sie gellend auf.

      Wyatt warf sich zur Seite.

      Der Schuß peitschte durch den Hausgang.

      Mit einem federnden Sprung war der Missourier wieder auf den Beinen und hechtete dem Schützen entgegen, riß ihn zu Boden und schlug ihm die Waffe aus der Hand.

      »Machen Sie Licht, Madam!« gebot er der Frau.

      Betäubt lag der Mann, der den Schuß auf den Marshal abgegeben hatte, am Boden.

      Wyatt wartete, bis die Frau mit dem Licht kam, dann herrschte er den Mann an:

      »Stehen Sie auf, Cornwall!«

      Keuchend erhob sich der Mann vom Boden. Er war ziemlich groß, hatte helle Augen und ein hageres, hartes Gesicht. Seine Kleidung war sorgfältiger als die des jungen Braddock.

      »Sie werden jetzt mit mir zum Sheriff kommen, Mister Cornwall.«

      Der Mann sah ihn unter halbgesenkten Lidern an und gab mit einer hohen Diskantstimme zurück:

      »Was wollen Sie von mir? Ich kenne Sie nicht.«

      »Sie kennen mich nicht – weshalb haben Sie denn auf mich geschossen?«


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