Wyatt Earp Paket 2 – Western. William Mark D.
»Gilbert«, sagte er ganz leise, »Gilbert«,sagte er ganz leise, »Gilbert. Er ist erschossen worden, ermordet worden. Hinten in seinem Hut ist ein Loch. Hinten, Gil – hinten!« Er raffte sich auf und stützte mit vorgestreckten Armen vorwärts.
Gilbert wagte nicht, sich davonzubewegen.
So prallte der Alte gegen ihn und packte ihn mit seinen riesigen Fäusten, schüttelte ihn hin und her.
»Gil, du Strolch! Du verdammter elender Strolch! Weshalb bist du nicht ins Jail gekommen? Weshalb haben sie dich nicht weggebracht, nach Fort Worth hinüber, wegen Beihilfe zum Mord! Weshalb…?« Heiser brach der letzte Laut aus seiner Kehle. »Gil! Du hast ihn ermordet, erschossen! Von hinten hast du elender Wicht ihn niedergeknallt!«
»Nein, Vater! Laß mich – laß mich!«
Die Fäuste des Alten hämmerten in das Gesicht des Banditen.
Da endlich wich Gilbert aus, und der Alte wurde von der Wucht seiner eigenen Schläge zu Boden gerissen.
Er kniete im gelben Straßenstaub, hatte den Kopf gesenkt und verharrte reglos in dieser Stellung.
Es war ein erschütterndes Bild.
Wenige Yards entfernt lag der Marshal von Dodge langausgestreckt an der Erde.
»Du wirst hängen, Gil! Jetzt werden sie dich hängen!«
Da brüllte der Bursche. »Das ist doch Wahnsinn! Ich ging doch vor ihm. Da, Ireen kann es bezeugen? – und Baldford, der stand auch vor seiner Tür, er kann es auch bezeugen. Und Dundy und Jake Holboom sind auch da…«
»Mörder!« stammelte der alte Mann.
Da raffte sich die Frau auf, eilte zu ihm hin, richtete ihn hoch und fürte ihn zu seinem Haus hinüber.
Wyatt Earp lag immer noch am Boden.
Gilbert Braddock starrte mit unruhigen Augen auf ihn nieder.
Da kam oben von der Mainstreet her der Sheriff.
Mehrere Männer folgten ihm.
Burns blieb vor dem Körper des Niedergeschossenen stehen, spreizte die Beine und wischte sich über die Nase.
»Ich kenne ihn.«
Doc Flaubert, ein eisgrauer Mann mit scharfen Gesichtszüge, knurrte:
»Wer ist es?«
Der Sheriff murmelte etwas vor sich hin und sah sich dann auf der Straße um.
Doc Flaubert bückte sich.
Als er den vermeintlich toten Mann auf den Rücken gewälzt hatte und sich über ihn beugte, hörte er ihn zu seiner Verwunderung dicht vor seinem Ohr tonlos flüstern:
»Nicht erschrecken, Doc. Und lassen Sie sich nichts anmerken. Ich bin nicht tot. Die Kugel hat die Metallplatte oben in meinem Hut nur im stumpfen Winkel getroffen. Aber lassen Sie mich in Ihr Haus bringen. Ich muß den Schützen finden. – Übrigens, mein Name ist Earp, Wyatt Earp.«
Da zuckte der Arzt zusammen.
Burns und die anderen hatten die Bewegung bemerkt.
»Ist was? Lebt er vielleicht noch?« forschte der Sheriff.
Der Arzt richtete sich langsam auf. Er mußte das Gehörte erst einmal verdauen.
»Nein«, erklärte er dann mit nicht ganz sicherer Stimme. »Der Mann – ist tot. Trotzdem – ich muß ihn genau untersuchen. Jefferson, fassen Sie bitte mit an. Wir bringen ihn zu mir!«
Der mit Jefferson Angeredete half dem Arzt, den Niedergeschossenen wegzubringen.
Als der Missourier auf der Untersuchungsbank lag, schickte Flaubert den langen Jefferson weg.
Als die beiden allein waren, richtete Wyatt sich auf, nahm den Hut ab und rieb sich den Schädel.
»Damned, das war ein ziemlich harter Knuffer. Vielen Dank, Doc, übrigens.«
Flaubert sah den Marshal verblüfft an.
»He, Sie haben tatsächlich nichts abgekriegt?«
»Nein.« Wyatt nahm die Metallplatte hinten aus dem Schweißband seines Hutes und hielt sie dem Arzt hin.
Der betrachtete sie verwundert.
»Hell und devils! Ist so etwas möglich?«
»Sieht ja so aus, als wenn das Ding schon öfter einen abgekriegt hätte?« fragte er mit erschrockener Miene.
»Yeah, das kleine Metallstück hat mir schon manchen guten Dienst erwiesen. Wenn die Kugeln im stumpfen Winkel aufschlagen, kriegt man im allgemeinen nur einen Wischer ab. Je spitzer der Winkel wird, desto gefährlicher ist es natürlich.«
Der Missourier betrachtete weh-mütig das Loch in seinem Hut.
»Den müssen Sie wohl erneuern«, meinte der Arzt unsicher.
»No, Doc, hier in der Gegend ist ein Luftloch im Hut durchaus angebracht. Außerdem weiß man nie, ob man nicht im nächsten Augenblick ein neues verpaßt bekommt.«
Wyatt stülpte sich den Hut wieder auf.
Da trat der Arzt auf ihn zu und musterte ihn von oben bis unten.
»Und Sie sind wirklich Wyatt Earp?« fragte er immer noch mißtrauisch.
Der Marshal griff in die Tasche, nahm seinen Stern heraus und hielt ihn dem Arzt hin.
Der nahm das Metallstück und betrachtete es aufmerksam. »Marshal of Dodge City.« Dann drehte er den Stern um. »Wyatt Earp! Tatsächlich, da steht es eingestanzt.«
Er reichte den Stern zurück.
»Wyatt Earp!« sagte er fast andächtig, stützte seine Hände in den Rücken und sah den Missourier unentwegt von oben bis unten an.
Wyatt riß ihn aus seiner offenbar nicht endenwollenden Verwunderung.
»Kennen Sie hier in Whiteface einen Mann, der einen Rotschimmel reitet?«
Doc Flaubert rieb sich nachdenklich das Kinn.
»Einen Rotschimmel? Leider nein, Marshal. Das heißt, warten Sie, doch, ich glaube, daß ich einen Mann kenne, der einen Rotschimmel reitet. Er heißt Jubal Cornwall und wohnt – he, er wohnt gleich neben dem alten Braddock. Was ist mit dem Mann? Hat er – hat er etwa geschossen?«
»Keine Ahnung, das muß ich erst herausfinden.«
Der Arzt schluckte vor Aufregung. »Hell und all thousand devils. Wyatt Earp ist in der Stadt! In meinem Haus. Und kaum taucht er auf, kracht es auch schon.« Er schlug die Hände ineinander. »Ich wette hundert zu eins, daß hier einige Leute umfließen, wenn sie wüßten, wer da nach Whiteface gekommen ist! Zounds, das gibt ein Großaufräumen, Marshal!«
»Bis jetzt räumen die andern nur mit mir auf, Doc.«
»Damned, yeah, wenn ich bedenke, daß der Kerl da von unten auf Sie geschossen hat und jetzt der Ansicht ist, daß Sie tot sind – das kann ja noch heiter werden!«
»Keine Sorge, ich habe heute meinen schwarzen Tag…«
Yeah und der Tag war immer noch nicht zu Ende.
Zwei Kugeln waren an diesem Tag abgefeuert worden. Die erste am Vormittag war jedoch ungleich gefährlicher als der Abpraller, der durch die Hutwand gedrungen und dann von der Metallplatte abgewiesen worden war.
Doc Flaubert reinigte die Wunde an der Schläfe und wollte ein Pflaster aufkleben.
Da winkte der Marshal ab.
»No, Doc, ich habe die Erfahrung gemacht, daß so etwas viel schneller ohne alle Verbände und Pflaster heilt.«
Wyatt blieb bis nach Einbruch der Dunkelheit im Doktorhaus. Gerade als er sich davonmachen wollte, wurde draußen geklopft.
Es war der Sheriff.
»Hallo, Doc!«