Wyatt Earp Paket 2 – Western. William Mark D.
sah den Verbrecher an. »Du also hast hinter der Feldhütte gestanden?«
Der Outlaw senkte den Kopf und blickte auf seine staubigen Stiefel.
Mit noch matter Stimme erklärte Virgil: »Du weißt ja hoffentlich, was dir blüht, Claiborne?«
»Yeah«, versetzte Holliday anstelle des Desperados, »das weiß er seit einer ganzen Nacht. Und ich schätze, daß er darüber ein paar Pfund leichter geworden ist.«
Da trat der Indianer wieder in die Kammer und sah Virgil an. Es war ein langer, bittender Blick.
Der Genesende richtete sich etwas auf und warf seinem Bruder einen kurzen Blick zu. Und zur Verblüffung aller sagte er: »Hättest du etwas dagegen, Wyatt, wenn ich diesen Kojoten zum Teufel jage?«
Der Marshal schüttelte den Kopf. »Nein. Ich bin ohnehin sicher, daß dieses Ungeziefer uns bald wieder vor die Füße laufen wird.«
Luke Short schüttelte den Kopf. »Ein Glück, daß ich kein Sheriff bin«, murmelte er.
Doc Holliday schwieg und sah aus dem Fenster in den Hof.
»Verschwinde!« herrschte Wyatt den Verbrecher an.
Claiborne wandte sich langsam um. Als er an dem Texaner vorbeiwollte, da versetzte der ihm einen so gewaltigen Fußtritt, daß er ein ganzes Stück in das
Flurgewölbe hinausflog.
»Damit du nicht vergißt, dich zu beeilen, du Aasgeier. Sieh zu, daß du nach Tombstone kommst. Und wenn du unseren Freund Ike triffst, dann bestelle ihm einen Gruß und sag ihm, daß wir bald nachkämen!«
Der Verbrecher trollte sich davon.
Luke Short wandte sich um. »Tut mir leid, Marshal. Aber da ist mir eben mal der Fuß ausgerutscht. Sie sind ein Gesetzesmann und müssen danach handeln. Und der Doc ist ein feiner Mann. Und wenn Virg diesen Sattelstrolch laufen lassen will, ist es seine Sache. Aber ich mußte ihm den kurzen Gruß noch mitgeben…«
Es geschah um elf Uhr vormittags.
Irgendwo unten im Sand von Texas, dicht an der Grenze von New Mexico zwischen Blesdoe und Whiteface im berüchtigten Cochran County.
Es war an einem glutheißen Tag.
Wabernd wie eine glühende Wolke lag die Hitze auf dem gelben, pulverfeinen Sand, den auch der geringste Luftzug yardhoch gewirbelt hätte.
Ein einzelner Reiter kam von Westen herüber. Er saß auf einem schwarzen Hengst, der die Hufe nur noch mit matten Bewegungen aus dem Sand zog.
Der Mann war hochgewachsen, hatte volles schwarzes Haar, das un-ter der staubbedeckten Krempe seines Hutes hervorsah. Sein Gesicht war tiefbraun, markant geschnitten, und wurde von einem seltsam blauen Augenpaar beherrscht. Der Reiter trug ein graues Kattunhemd, eine schwarze Hose und einen patronengespickten Waffengurt, der an beiden Seiten je einen schweren fünfundvierziger Revolver hielt. Im Sattelschuh steckte eine dreiundsiebziger Winchester.
Dieser Mann war Wyatt Earp, der Marshal von Dodge City.
Er war vor Jahren schon einmal von Luhbock hinüber nach Roswell geritten. Dennoch kam es ihm heute vor, als hätte sich hier einiges geändert.
Dieser Gedanke war angesichts der absoluten Kahlheit der Landschaft absurd. Aber der Missourier hätte schwören können, daß hier vor zwei Jahren noch Turmkakteen von gewaltigen Dimensionen gestanden hatten. Oder sollte er so weit vom Kurs abgekommen sein?
Ringsherum brennender, glühender Sand – nichts weiter. Von Südosten zog sich eine Düne quer durch die Ebene.
Der Missourier blickte zur Sonne hinüber.
»Elf etwa«, sagte er tonlos vor sich hin.
Also könnte er am Nachmittag in Whiteface sein. Allerdings, die Turmkakteen, die hier den nordöstlichen Rand des Llano kennzeichneten, die mußten allmählich in Sicht kommen.
Wyatt lenkte gerade auf eine Senke in der Düne zu, als er einen gellenden Schrei und darauf einen Schuß hörte.
Er nahm die Zügel hoch und trabte auf die Bresche in der Sanddüne zu. Später war es ihm selbst unerklärlich, wie er so handeln konnte. War es die glühende Hitze, die nicht nur den ganzen Körper, sondern auch das Hirn fast völlig gelähmt hatte?
Der Rappe schrak zusammen und zog dann mit einer letzten Kraftanstrengung die Füße rascher aus dem Sand. Es war nur noch ein schlapper Hundsgalopp, in dem der sonst so schnelle Hengst auf die Dünenbresche zustrebte.
Kaum hatte der Marshal den Einschnitt erreicht, als er auch schon sah:
Nur wenige Yards vor ihm rutschte ein Mann aus dem Sattel, und fiel wie leblos in den Sand.
Und kaum hatte der Missourier die Enge passiert, als seitlich hinter ihm ein Schuß krachte.
Er bekam einen donnernden Schlag gegen den Hinterkopf, sah so fort nachtschwarze Dunkelheit und rutschte seitlich von dem ins Stocken gekommenen Pferd.
Der harte Aufschlag auf dem glühenden Sand brachte ihn sofort wieder zu sich. Aber er blieb wie leblos liegen, und zwar so, daß er in die Richtung blickten konnte, aus der der Schuß gefallen war.
Der Schütze hielt oben auf dem Dünengrat.
Wyatt konnte sein Gesicht nicht erkennen, da rote Ringe vor seinen Augen tanzten.
Der Heckenschütze gab dem anderen einen Wink, dann sprengte er davon.
Der Marshal richtete sich sofort auf, lief auf unsicheren Beinen zu seinem Pferd, das sich vor Schreck ein paar Yards zur Seite bewegt hatte, riß die Winchester aus dem Scabbard und sah sich um.
Die beiden Reiter waren verschwunden.
Wyatt zog sich, immer noch halb betäubt, in den Sattel und lenkte den Rappen erneut durch die Dünenbresche. Die beiden Reiter hatten inzwischen schon ein enormes Stück zwischen sich und den Ort ihrer Untat gebracht.
Wyatt wischte sich durchs Gesicht. Dann sprang ihn die Ohnmacht wieder an. Er beugte sich über den Pferdehals und klammerte die Hände um das Sattelhorn.
Ganz langsam rutschte er vom Pferd und blieb im Sand liegen.
Erst das heisere Gekreisch der Geier weckte ihn wieder auf.
Er sah das Pferd neben sich stehen, es hatte den Kopf gesenkt und schnaubte heftig.
Wyatt raffte sich auf.
Erst nach und nach kamen ihm die Vorgänge ins Bewußtsein.
Drüben lag der Mann, den die beiden Verbrecher zuerst vom Pferd geschossen hatten.
Wyatt ging auf steifen Beinen auf ihn zu und sah sofort, daß da ein Toter im Sand lag.
Es war ein Mann in den Dreißigern, mittelgroß, mit dunklem Gesicht und starkem Schnurrbart. Er war nicht sonderlich gut gekleidet. Auch sein Pferd, das unweit von ihm stand, war nicht allzuviel wert.
Der Missourier ging zu seinem Rappen zurück, nahm ihn am Zügel und führte ihn aus der Senke heraus auf die offene Savanne.
Er wollte sich nicht in den Sattel ziehen. Nicht etwa nur deshalb, weil es ihm schwergefallen wäre, sondern hauptsächlich, weil er den erschöpften Rappen nicht schinden wollte.
Schritt für Schritt stampfte er ostwärts.
Der Streifschuß am Kopf hatte ihn so sehr mitgenommen, daß er nach einigen hundert Yards in die Knie brach.
Da kniete er nun im glühenden Sand von Texas, der Marshal Earp aus Dodge, betäubt vom Schmerz, halb ohnmächtig und völlig ermattet. Ein brennender Durst bohrte in seiner Kehle.
»Ich muß weiter!« hämmerte es in seinem Hirn. Weiter, Whiteface konnte doch nicht mehr weit sein!
Der Mann im Sand hob den Kopf.
Schon diese winzige Bewegung verursachte ihm einen