Wyatt Earp Paket 2 – Western. William Mark D.
sie von sich. »Du lachst und weinst in einem Augenblick. Vielleicht gefällt ihm das…«
»Doc!« schrie sie. »Komm…!«
»Geh!«
In diesem Augenblick rissen drüben dem Revolvermann die Nerven. Er zog den Revolver, und – er kam nicht mehr dazu, den Stecher durchzuziehen.
Seit Jahren war die stumme Frage in seinem Schädel gewesen: ist er schneller als ich? Und nun wurde sie ihm auf eine grausam Weise beantwortet.
Doc Holliday hatte vorhin den Colt längst wieder ins Halfter geschoben. Wie er ihn jetzt herausgebracht und von der Hüfte aus geschossen hatte, das war allein unbegreiflich, die Zeugen dieser Sekunde waren.
Jonny Ringo stand in sich verkrümmt da und preßte die Rechte um das linke Handgelenk. Nie mehr würde er mit dieser seiner ›berühmten‹ Schußhand einen Revolver führen können. Der Georgier hatte ihm das Handgelenk zerschmettert.
»Ich habe dir gesagt, daß du nach Hause gehen sollst, Ringo. Jetzt gehst du am besten hinüber zum Doc O’Keefe!«
Ringo war kalkweiß im Gesicht geworden. Taumelnd verließ er die Schenke.
Sein großer schwarzer Revolver lag am Boden.
Kate Fisher starrte den Gambler entgeistert an.
Ihre Lippen zitterten. Plötzlich brach es aus ihr heraus: »Du – bist mir unheimlich! Unheimlich, ja! Woher wußtest du, daß er schießen würde? Du konntest es gar nicht wissen, nicht einmal sehen konntest du ihn richtig, weil ich davorstand. Wie…«
Da sagte der feiste Keeper halblaut: »Er weiß immer, wann einer auf ihn schießen will, Miß. Sonst wäre er nicht Doc Holliday.«
Der Gambler zog die linke Braue hoch. »Ich werde mir den Satz aufschreiben, Dick«, entgegnete er spöttisch.
»Doc!« bettelte die Frau inständig. »Komm mit! Ist denn nicht genug geschehen? Kann es um dich denn immer nur Pulverrauch geben? Ich kenne dich ja schon gar nicht mehr anders. Komm! Laß den Jungen gehen.«
»Sei endlich still. Ich habe Ringo nicht zu diesem Schuß aufgefordert. Er hat mich nur aufgehalten. So, Billy Clai-
borne. Die Zeit vergeht, und wir haben noch einiges miteinander zu besprechen. Komm, Boy! Ich hoffe, daß du deinen Gaul draußen stehen hast.«
Holliday kippte endlich seinen Brandy hinunter, warf ein Geldstück auf das Thekenblech, das noch klirrend tanzte, als der Georgier mit dem Banditen schon aus der Tür war.
Kate Fisher starrte mit glasigen Augen auf die leise auspendelnden Schwingarme der Tür.
Dann wandte sie sich um, legte die Arme auf die Theke und drückte ihr Gesicht schluchzend in die Hände.
*
Bill Claiborne war vor dem Spieler hergegangen. Draußen sah er sich suchend nach allen Seiten um.
Holliday stieß ihn in die Seite. »Sieh dich nicht nach deinen Freunden um, Claiborne, die haben die Hosen voll. Du hast in Haderyk mehr Glück gehabt als sie. Außerdem sieht es ganz so aus, als ob sie mit dieser Geschichte nichts zu tun haben wollen. Es ist deine Geschichte. Komm Boy, klettere in deinen Sattel. Wir haben noch einen langen Ritt vor uns.«
Doc Holliday und Billy Claiborne ritten durch die Allenstreet nach Osten zu aus der Stadt. Der Tramp war immer etwa anderthalb Yards vor dem Spieler.
Als sie fast eine Meile von der Stadt entfernt waren, gebot Holliday ihm, anzuhalten.
»Hör gut zu, Billy. Du siehst hier den schönen blanken Revolver in meiner Hand. Ich garantiere dir, daß er bei der ersten Lüge, die du mir jetzt auftischst, losgehen wird…«
Der Desperado schluckte. »Was wollen Sie eigentlich von mir?« stotterte er. »Wenn Sie ihn schon gefunden haben, dann muß ich ihn doch nicht abgeschos…« Er brach ab und schluckte wieder. Erst jetzt merkte er, was er da ausgespuckt hatte.
Knackend und hart drang das Geräusch eines gespannten Revolverhahns an sein Ohr. »Rede weiter!«
Der Bursche ballte die Hände zu Fäusten und hieb sie verzweifelt aufs Sattelhorn. »Was wollt ihr denn alle von mir? Ike ist doch mit uns allen bei der Feldhütte gewesen. Da lag er ja nicht mehr…«
Wieder brach er ab.
Holliday stieß den Revolver vor. »Weiter!«
»Was weiter? Er lag nicht mehr da.«
»Da – wo du ihn von hinten aus dem Sattel geholt hast! Das war doch nicht an der Hütte, Mensch! Das war doch weiter unten bei der Stadt!«
»Nein, es war bei der Hüt…« Er hatte sich von dem auf ihn einredenden Georgier aufs Glatteis führen lassen.
Und da rissen auch seine Nerven.
Er hatte urplötzlich seinen Revolver in der Hand – und hatte genausowenig Glück damit wie eine halbe Stunde vorher der Schießer Johann Ringo.
Auch er kam nicht zum Schuß.
Doc Holliday hatte ihm mit einer katzenhaften Bewegung den Revolverlauf aufs Handgelenk geschlagen.
Der Colt des Tramps fiel ins Steppengras.
Der entwaffnete Verbrecher preßte die schmerzende Hand mit der gesunden und starrte vor sich hin.
Klirrend sprangen die Worte des Georgiers an sein Ohr: »Du elender Dreckskerl hast ihn also von hinten aus dem Sattel geschossen und ihn am Wegrand liegenlassen.«
Wimmernd stieß der Outlaw hervor: »Er hatte mir die fünf Indianerpferde abgenommen. Ich wußte gar nicht, daß er hinter Ike her war… Wenn ich nicht geschossen hätte, hätte er geschossen, und ich hatte ihm genau eine so große Chance gegeben, wie ich sie vorhin bei Ihnen hatte.«
»Und trotzdem hast du verdammter Skunk zur Waffe gegriffen.«
»Was hätte ich denn tun sollen?« jammerte der Bandit.
»Das wagst du noch zu fragen? Du hast einen Staatenreiter von hinten aus dem Sattel geschossen. Dafür wirst du hängen, Billy Claiborne! – Vorwärts jetzt! Wenn es tagt, sind wir in Haderyk.«
*
Der Texaner hatte sich den ganzen Tag über in der Stadt herumgetrieben, war am späten Nachmittag kurz in der Cantina und suchte dann den Sheriff auf.
Der schlug die Hände über dem Kopf zusammen. »Was wollen Sie noch hier, Mister Short? Ich weiß wirklich nichts.«
Luke hatte sich auf einen Stuhl gesetzt und seine riesigen Stiefel auf die Tischkante gelegt. »Das will ich für dich hoffen, Mister Sheriff. Aber wenn du mir irgendwas zu sagen hast, Boy, dann halte damit nicht hinterm Zaun zurück. Ich bin ein ziemlich gutmütiger Geselle, aber ich habe ganz entschieden etwas gegen Duckmäuser und Heuchler. Dieses ganze Kaff hier ist ein einziges Verbrechernest. Und wenn ich herauskriege, daß hier irgendeiner mit dem Verschwinden Virgil Earps zu tun hat, habt ihr nichts mehr zu lachen.«
Da stand der Sheriff mit einem Ruck auf. »Was bilden Sie sich eigentlich ein, Mister Short?« zeterte er. »Es reicht wohl schon, wenn eine ganze Stadt vor den Clantons Angst hat und den Kopf in die Schultern zieht, wenn Ike mit seiner Crew kommt.«
»Zieht ihr auch die Köpfe ein, wenn er hier eine Herde unterstellt, die er drüben bei den armen Hazienderos zusammengestohlen hat?«
»Was sollen wir tun? Ike Clanton ist der mächtigste Mann im Lande…«
»Yeah, und offenbar hat er euch das lange genug und mit Erfolg eingeredet. Ich will dir was sagen, Mister Sheriff, dieser Ike Clanton ist kein mächtiger Mann, sondern ein ganz dreckiger Rustler, ein Tramp, ein Bandit, und du kannst sicher sein, daß der Marshal eines schönen Tages mit ihm aufräumen wird. Und dann wird es für dich nur gut sein, wenn du dich nicht gegen Wyatt Earp gestellt hast.«
Der Sheriff rang die Hände. »Wo stelle ich mich denn gegen ihn? Ich habe ihn gestern in meinen Hof gelassen, obgleich es in der Stadt vor