Wyatt Earp Paket 2 – Western. William Mark D.
ihn herum nichts als Sand, soweit das Auge reichte, flimmernder Sand.
Wo war die Stadt?
Wo die Turmkakteen?
Unmöglich konnte er sich in der Richtung geirrt haben. Denn er war am Morgen genau im Westen aufgebrochen. Es war der gleiche Ritt wie damals. Nur die Kakteen waren nirgends zu sehen.
Allmählich rang er sich zu dem Entschluß durch, sich nach Norden zu wenden.
»Ich muß die Richtung einfach verfehlt, den Kurs völlig verloren haben!«
Mit schmerzverzerrtem Gesicht erhob sich der eisenharte Mann aus Missouri, packte den Zügel und stampfte nach Nordosten davon.
Schritt für Schritt, wie ein uralter Mann.
Schon seit einiger Zeit merkte er, daß der Rappe an der Halfterleine zerrte. Da das Zerren jedesmal einen schmerzhaften Ruck verursachte, ließ er die Zügelleine los.
Zu seiner größten Verwunderung mußte er feststellen, daß sich der Hengst in schwerfälligem Trab scharf nach Osten davonmachte und dann von einem sehr kleinen winzigen Sandhügel stehenblieb, die Wyatt auch schon bemerkt, aber bisher eigentlich nur in seinem Unterbewußtsein registriert hatte.
Das Tier begann an einem der wagenradgroßen Sandhügel zu scharren. Langsam näherte sich der Marshal dem Pferd und beobachtete das verbissene Scharren.
Plötzlich zuckte ein Gedanke durch das Hirn des Missouriers. Er riß seinen Campspaten vom Sattel, ließ sich neben dem Rappen auf dem Boden nieder und begann aus Leibeskräften zu schaufeln.
Schon nach zwei Spatentiefen sah er die Schnittflächen einer Riesenkaktee.
Wyatt wischte sich mit dem Ärmel über das Gesicht und sah sich um.
Überall in der näheren Umgebung waren solche Sandhügelchen zu sehen.
Die Turmkakteengruppe war also weggeschnitten worden!
Der Marshal stieß mit dem Spaten das feuchte Kakteenmark heraus und wischte es durch sein brennendes Gesicht. Der Rappe schob seinen Kopf in die Kakteenöffnung.
Schon diese winzige Kühlung brachte den beiden Lebewesen etwas Erquickung.
Und der Gedanke, daß er doch auf dem richtigen Weg gewesen war und Whiteface tatsächlich nicht mehr weit sein konnte, gab dem Missourier neuen Mut.
Dieser Mut schien sich auch auf das Pferd zu übertragen.
Wyatt zog sich in den Sattel und trabte nach Osten. Er wußte genau, daß die Kraft, die ihn und das Pferd jetzt vorwärtsbrachte, eine allerletzte Kraftreserve war, die nur von der Hoffnung genährt wurde. Der Hengst und auch er selbst waren am Ende. Da gab es sich nichts vorzumachen.
Müder und müder wurde der Trab, und schließlich fiel der Rappe in einen harten, stoßenden Schritt.
Länger und länger wurde der Schatten, den Pferd und Reiter vor sich her warfen.
Der Missourier war längst abgestiegen. Mit eiserner Zähigkeit schleppte er dann das Pferd hinter sich her.
Und als die Sonne im Westen bereits den Horizont berührte, blieb der Marshal stehen. Fern vor ihm tauchten Häuser über dem Sand auf.
»Whiteface«, sagte der Marshal leise vor sich hin. »Komm, Schwarzer! Da vorn gibt’s Wasser.«
Das Wort Wasser schien die Tür eine allerletzte Kraft zu geben. Vielleicht auch hatte es die Häuser bemerkt.
Wyatt konnte sich noch einmal in den Sattel ziehen, und eine halbe Stunde später ritt er in die Mainstreet von Whiteface ein.
*
Jeff Bleeborn stand am offenen Tor seiner Schmiedewerkstatt und äugte dem Reiter entgegen.
»Zounds, wo kommt er denn her? Der wird doch nicht etwa durch den Llano geritten sein?«
Jonny Parker, der graubärtige Sattler von gegenüber, blickte über den Rand seiner Metallbrille und legte das Ledermesser aus der Hand, als er die Wunde an der Stirn des Fremden sah.
Nebenan war Emy Browns Wäscherei. Die Mädchen in der Waschstube stürzten zum Fenster und starrten erschrocken zu dem Fremden.
Ein Stück weiter hinauf war Joe Sheffields Santa Cruz Saloon. Der Wirt stand in der Tür und sah den Fremden auch.
Schräg gegenüber vor Ed Potters Golden West Bar stand Ric Holden, der Keeper des alten Potter, und beobachtete den Reiter. Auch Larry Lee, schräg gegenüber, der Inhaber der Bank of Texas, sah den Mann von Westen in die Stadt reiten.
Miß Bessy Loughar, die Schneiderin, John Blomfield, der Bäcker und Winnie Chesterton, der greise Mayor der Stadt, sie alle sahen den Fremden. Auch Ernest Burn, der Sheriff, sah den Fremden kommen. Mit finsterer Miene stand der vierschrötige Gesetzesmann in seiner offenen Tür.
Sie alle sahen ihn in die Stadt einreiten. Einen halb verschmachteten, verwundeten, erschöpften Mann.
Vorm Cremona-Hotel rutschte der Fremde aus dem Sattel, führte seinen Hengst an eine Pferdetränke, warf sich selbst eine Handvoll Wasser ins Gesicht und ging dann hochaufgerichtet auf den Hoteleingang zu.
Sie alle hatten ihn gesehen, aber niemand ahnte, welch ein Inferno dieser blauäugige Mann entfesseln würde.
In der Golden West Bar lehnten zwei Männer an der Theke. Ältere Männer, keine Cowboys; sonst war die Schenke unbesetzt.
Die beiden hatten den Fremden auch gesehen.
»He«, meinte der eine, der ein feistes rotes Gesicht hatte, »hast du den gesehen?«
»Yeah«, sagte der andere schleppend.
Der Rotgesichtige zischte. »Sah ziemlich abgerissen aus, der Bursche.«
»Yeah.«
»Daß hier in dieses verlassene Nest immer wieder nur abgerissene Kerle kommen müssen. Ist das Nest nicht schon verlumpt genug?«
Ted Cunningham vergaß, daß er vor sieben Jahren in einem noch ganz anderen Zustand in die Stadt gekommen war. Heute gehörte ihm der General Store. Mike Everett war auch vor sieben Jahren schon ein so schweigsamer Mann gewesen. Der Mietstall drüben neben der Texasbank gehörte ihm. –
Der junge Ronnie Anderson, der aus einer Seitenstraße in die Mainstreet geritten kam, hielt inne und stützte sich auf sein Sattelhorn, um den Fremden zu beobachten.
Fünfundzwanzig Menschen hatten den Missourier kommen sehen.
Die Stadt Whiteface würde diese Stunde nie vergessen.
*
Wyatt war an die Rezeption getreten. Ein langer weißhaariger Mann kam aus einem Nebenraum, wischte sich die Hände an den Hosentaschen ab, rieb sich über den Mund und fragte kauend, während er den Fremden mißtrauisch musterte:
»Was gibt’s denn, Mister?«
»Kann ich ein Zimmer haben?«
»Ein Zimmer? Hören Sie, Mann, wir haben hier ein Hotel und keine Aufenthaltsräume für… für…« Der Hotelowner hielt inne. Ein Blick aus den kristallklaren Augen des Fremden hatte ihn getroffen und zum Schweigen gebracht.
Wyatt warf zwei Silberstücke auf den Rezeptionstisch. »Reicht das?«
Joel McLoy, der Hotelowner, strich das Geld mit einer geschwinden Bewegung in die Hosentasche.
»All right, Mister«, erklärte er geflissentlich. »Zimmer sieben. Sam wird es Ihnen zeigen.«
In der Hoftür war ein etwa sechzig-jähriger Neger mit einem schlohweißen Haarkranz erschienen, der jetzt vor dem Missourier die Treppe zum Obergeschoß hinaufging.
Der Marshal drückte ihm ein Geldstück in die Hand. »Mein Pferd steht draußen, Sam. Würden Sie bitte dafür sorgen, daß es in den Stall gebracht wird?«
»All right, Mister.«
Eine