Wyatt Earp Paket 2 – Western. William Mark D.
gesagt, daß du ihn halbtot schlagen sollst, denn schließlich habe ich mit ihm zu reden.«
Phin lehnte sich an die Stuhllehne zurück und streckte seine langen Beine von sich. Gähnend meinte er:
»Was willst du von ihm erfahren, Frank? Die beiden Braunen waren zwar gestriegelt, machten aber noch keinen frischen Eindruck. Da die Overland hier nur in der Woche einmal kommt, steht also fest, daß sie erst vorgestern, vielleicht sogar erst gestern morgen, hier war. Wir haben also wenigstens fünf Tage Zeit.«
Frank McLowery schob sich eine Virginia zwischen seine gelben Zähne.
»Fünf Tage«, stieß er in die blaue Tabakwolke hinein. »Ich brauche keine fünf Tage. Ich brauche nur einen Tag. Wenn Wyatt Earp überhaupt hier vorbeikommt, dann morgen früh. Und wenn die Overland diese Nacht nicht mehr zu erwarten ist, schwimmt der Stecken, wie er schwimmen soll.«
Der selbstherrliche Bandit erhob sich und trat ans Fenster. Sinnend blickte er zum Corral hinüber, um sich dann mit einem Ruck umzudrehen. Er nahm die Zigarre aus den Zähnen und stieß sie in Richtung auf einen seiner Leute, einen krummbeinigen Burschen mit schielendem Blick und viel zu weiten Hosen zu.
»Garry, du bleibst am Corral bei den Pferden!«
Die Zigarre zuckte auf einen anderen der Banditen zu, der eine gewaltige Stirnbeule hatte.
»Du, Charlie, bleibst ebenfalls am Corral, und wenn dir noch einmal so eine Pleite passiert wie vorhin, weißt du, was dir blüht. Wie kann sich bloß ein vierzigjähriger Bursche von einem so uralten Kerl überrumpeln und niederschlagen lassen. Ihr Halunken seid aber auch keinen Schuß Pulver wert.«
Die beiden ›Corralwächter‹ trotteten hinaus auf ihren Posten.
»Cass! Du bleibst hier hinterm Haus!« gebot McLowery einem Mann mit rotunterlaufenen Augen. »Der Alte hat auch dich hier am Haus niedergeschlagen. Sieh zu, daß du die Scharte wieder auswetzen kannst.«
Der großspurige Desperado Frank McLowery verteilt die Posten wie ein Offizier. Seit langem schon drängte der Bandit, den Ike Clanton nur widerwillig in seine Crew aufgenommen hatte, vorwärts. Er träumte davon, daß er eines Tages der Anführer der Crew sein würde. Mehr als einmal hatte er einen Coup auf eigene Faust unternommen, und wenn der Boß hinterher davon erfahren hatte, war es zu ernsten Differenzen zwischen den beiden gekommen.
Auch von diesem Ritt wußte Ike Clanton nichts. Es war dem raffinierten knebelbärtigen Desperado gelungen, Ikes Bruder Phin zu dem Ritt zu überreden, womit er für sich eine gewisse Sicherheit einhandelte, keinen erneuten Streit mit Ike zu bekommen.
Schließlich standen die drei Banditen noch allein in der Küche. Tom blickte auf den in sich zusammengesunkenen Alten.
»Was wird mit ihm?« fragte, er wobei sich seine Nasenflügel blähten.
Phin Clanton zog die Schulter hoch.
Frank hatte die Frage überhaupt nicht gehört. Er stand am Fenster und sah mit düsteren Blicken in den Hof.
Da trat Tom an ihn heran und stieß ihn an.
Frank fuhr herum und zischte: »Was willst du?«
Schon von frühester Jugend an hatte er den Bruder mit seinem herrischen, unberechenbaren jähzornigen Wesen geknechtet.
Aber Tom war schon so sehr daran gewöhnt, daß er es gar nicht mehr merkte.
»Was wird mit dem Alten?« krächzte er.
»Mir einerlei«, versetzte Frank.
»All right«, nickte Tom. »Wir werden ihn aufknüpfen.«
Der gefühlrohe Bursche löste die Fesseln des Greises, riß ihn hoch, forderte Phin auf, mit anzupacken, und schleppte den Alten in den Hof.
Frank McLowery stand allein in dem kleinen Küchenraum, verließ ihn und ging hinüber in die Schlafstube des Mannes.
Der Desperado starrte in die Nacht hinaus, blickte über den Sand, der in der Dunkelheit seltsam fahl wirkte, lauschte dem sanften Südwind nach, der den Flugsand der Savanne zum Klingen bringen konnte, und dachte daran, daß er diesmal dem verhaßten Dodger Marshal eine Falle gestellt hatte, aus der es kein Entrinnen gab.
*
Wyatt Earp und Doc Holliday hatten tatsächlich die Route der South Mexico Overland Line eingeschlagen.
Der Marshal kannte den Weg; er war schon einmal vor zwei Jahren, allerdings in umgekehrter Richtung, von Texas herübergekommen.
Der Georgier, der den Schluß des kleinen Trupps bildete, vor allem, weil dann dem Gefangenen ein jeglicher Ausbruchsversuch unmöglich gemacht war, wunderte sich schon seit einer Weile, daß der Marshal von dem in der Nacht allerdings sehr schlecht sichtbaren Weg der Overland abgewichen war.
Wyatt Earp hatte einen leichten Halbkreis nach Süden eingeschlagen.
Es war gegen halb zehn Uhr dunkel geworden.
Kurz vor zehn stieg der Missourier plötzlich aus dem Sattel und untersuchte den Boden.
Der Gefangene stieß eine hämische Lache aus.
»Aha, jetzt wird sich uns der große Wyatt Earp als Fährtenleser produzieren. Geben Sie nur acht, Doc, der rote Cochise ist ein Stümper gegen ihn.«
Der Gambler würdigte ihn keiner Antwort.
Hardac war seit seiner Ergreifung ziemlich wechselvollen Stimmungen unterworfen. Anfangs war er sehr niedergeschlagen und stumm gewesen, dann war seine alte Frechheit wiedergekehrt, die schließlich zu einem ständigen Spott auf den Marshal ausgeartet war. Die beiden eisenharten Männer reagierten aber nicht im mindesten darauf. Die Reden des entsprungenen Sträflings waren für sie das Gekläff eines streunenden Hundes. Dies hatte in dem Banditen eine rasende Wut auf seine beiden Begleiter aufkommen lassen. Vor allem aber konzentrierte sich sein Zorn auf den Marshal, der mit unbeweglichem Gesicht nun schon seit Tagen vor ihm herritt.
Wyatt Earp und Doc Holliday! Wie oft hatte er früher schon von den beiden Männern gehört, von ihren weiten Ritten und von ihren Erlebnissen. Oben in Oregon, wo er als Keeper in einem Saloon gearbeitet hatte, war der Name Wyatt Earp vor nun fast schon einem Jahrzehnt zum erstenmal an sein Ohr gedrungen. Damals hatte der junge Keeper Jack Hardac davon geträumt, vielleicht auch einmal ein Gesetzesmann wie der große Wyatt Earp zu werden. Das war jedoch schon ziemlich lange her.
Dabei war es nur eine ganz kleine Sache gewesen, die sein Leben von Grund auf geändert hatte. Ein kanadischer Pelztierjäger hatte seine Geldtasche auf der Theke liegengelassen, dem Keeper den Rücken zugekehrt und sich mit zwei anderen Gästen unterhalten.
Der schlechtbezahlte Jack Hardac hatte gemeint, daß er diese ›Chance‹ nutzen müßte, daß es direkt seine Pflicht war, diesen ›Weg des Schicksals‹ zu nutzen.
Ehe er sich recht versah, hatte die harte Faust des Pelztierjägers bereits in seinem Gesicht gesessen. Dann war der Sheriff gekommen, und man hatte ihn ins Jail gesperrt. Daheim in Dark Blend, wo er geboren worden war und wo ihn jeder kannte. Seine Schwester Sylvia verlor den Bräutigam, der nicht mit der Schwester eines ›Verbrechers‹ verwandt sein wollte, und sein alter Vater, ein ehrbarer Schreiner, hatte Selbstmord begangen.
Es war eine Reihe verschiedener Dinge gewesen, eine unselige Verkettung mehrerer Umstände, die den weiteren Lebensweg Jack Hardacs bestimmt hatten.
Aber wer wollte dem Bräutigam seiner Schwester einen Vorwurf machen, daß er lieber ein Mädchen aus ›anständiger‹ Familie nehmen wollte? Wer hätte mit seinem Vater rechten mögen, weil er die ›Schande‹, die ihm der ungeratene Sohn zugefügt hatte, nicht zu ertragen vermocht hatte?
Was ihm jedoch vielleicht den letzten Stoß versetzte, war die Tatsache, daß seine Mutter ihm die Tür wies, als er nach fünf Monaten aus dem Jail entlassen worden war. Damals hatte sich die Seele des ohnehin haltlosen jungen Menschen verhärtet; damals erst war er ein Verbrecher geworden.
Und dennoch, wer hätte sagen wollen, daß ihn andere auf den Grauen Trail getrieben