Wyatt Earp Paket 2 – Western. William Mark D.
der Marshal schwieg und sich ans Fenster stellte, stieß er hastig hervor: »Break ist frei? Stimmt’s?«
Der Missourier nickte.
»Wie war das möglich?«
»Der Priester hat ihn und die anderen herausgelassen.«
»Nein!« entfuhr es dem Gambler.
»Leider doch. Dafür liegt er jetzt auf dem Vorbau. Einer der Halunken hat ihn mit einem schweren Gegenstand niedergeschlagen.«
Holliday rutschte vom Bett und richtete sich auf. Schwankend stand er da und schob sich seinen Waffengurt zurecht. Mit taumelnden Schritten ging er zur Tür.
»All right. Es ist wirklich eine bezaubernde Stadt. Kommen Sie, Marshal!«
Wyatt hielt ihn zurück. »Nein, Doc, legen Sie sich hin. Im Augenblick ist da ohnehin nichts zu machen. Die Bande ist jetzt wieder vollzählig und hat ganz sicher bereits alles für unseren Empfang vorbereitet.«
Holliday sah den Missourier an. »Und wenn ich jetzt nicht verwundet wäre, gingen wir dann?«
»Auch dann nicht«, entgegnete der Marshal. Es war eine Lüge, aber er sah keine andere Möglichkeit, den Verletzten wieder auf sein Lager zu bringen.
Doc Collins griff sich an den Schädel. »Alles umsonst!« preßte er wütend hervor.
Wyatt schüttelte den Kopf. »Nein, nichts war umsonst. Wenn Break und seine Kumpane auch jetzt im Augenblick frei sind, sie werden sich entschieden anders benehmen als neulich. Weil sie wissen, daß wir nicht mit uns tanzen lassen.«
*
Das Zünglein an der launischen Waage hatte sich also wieder zugunsten der Verbrecher gesenkt. Aber sie krakeelten nicht und gossen den Whisky nicht flaschenweise in sich hinein.
Sie waren gewarnt. Und ein gebranntes Kind scheut das Feuer. Und sie waren gebrannt. Der Zunder, den Wyatt Earp und Doc Holliday ihnen geboten hatte, war von nachhaltiger Wirkung.
Vielleicht hätten die Tramps die so unerwartet wiedergewonnene Freiheit dazu benutzt, Fersengeld zu geben, sich aus dem Staub zu machen, die Nähe dieses Sheriffs und seines Helfers zu meiden. Aber da war Gordon Jim Break – und da war sein Plan!
Break hatte es sofort verstanden, die Wankelmütigen zu bereden.
»Wir bleiben, Boys! Wir müssen bleiben. Jetzt haben wir so viel hier durchgestanden, und das darf nicht umsonst geschehen sein. Jetzt kommt der Endkampf. Wenn er auch ein teuflischer Bursche ist, dieser Sheriff, wir werden ihn brechen!«
»Wie lange willst du hierbleiben?« wollte Folgerson wissen. »Vielleicht so lange, bis er neue Hilfe bekommt?«
»Nein, ganz sicher nicht. Wir werden nicht darauf warten, daß er seinen Dodger Clan herbestellt. Ich bin doch nicht lebensmüde. – Aber ich werde es sein, der Hilfe bekommt. Ich habe einen Mann herbestellt, der diesen kaltschnäuzigen Morgan Earp in der Luft zerreißen wird.«
»Und?« fragte Hunter mißlaunisch. »Wer sollte das sein?«
»Jake Clay!«
Der Trumpf stach. Stumm und bewundernd blickten die Verbrecher auf ihren Boß.
»Jake Clay?« fragte Hunter. »Das ist doch nicht dein Ernst?«
»Weshalb nicht?«
»Wer soll denn das bezahlen?«
»Ich werde ihn bezahlen, Boys. Ich allein.«
»Und was verlangt er?«
»Tausend.«
Hunter blieb der Mund offenstehen.
»Tausend Bucks? Bist du des Teufels? Wir haben hier ohnehin kaum etwas Nennenswertes an uns bringen können, und da willst du tausend Böcke zum Fenster hinauswerfen?«
»Zum Fenster hinauswerfen?« Break maß Hunter mit einem verächtlichen Blick. »Du bist zwar ein rauher Bursche, Hunter, aber ein Schwachkopf. Jake Clay ist eine Kanone. Das wißt ihr alle. Er ist der kälteste Schießer weit und breit. Er wird uns diesen Morgan Earp aus dem Wege räumen, wie Lupton den anderen Mann weggefegt hat.«
Lupton richtete sich stolz auf und blähte seine Nüstern. »Das war kein Kinderspiel. Der Bursche ist derart reaktionsschnell, daß ich alles auf eine Karte setzten mußte.«
»Mach’ dich nicht zu dick«, verwies ihn Break in seine Schranken, »schließlich hast du ihn aus dem Hinterhalt heraus angegriffen. Clay wird das nicht tun. Er hat es gar nicht nötig. Und unsere Weste ist rein. Ich war ohnehin nicht begeistert von dem Gedanken, daß dieser Earp von uns augelöscht werden sollte. Denn in diesem Falle hätten wir immer damit rechnen müssen, daß seine Brüder eines Tages hier anrücken würden. Stellt euch nur vor, wenn wir eines Tages Wyatt Earp auf dem Hals hätten. Nicht auszudenken! Mit dem ist noch keiner fertig geworden.«
Der Priester hatte von Jefferson den zweiten Schlüssel zum Sheriff Office verlangt und die Tramps unter der Bedingung freigelassen, daß sie sofort verschwinden würden. Sie hatten ihm ihren Dank postwendend und sehr nachdrücklich ausgezahlt.
Und nun hatte der Gelbe Jim also den Revolvermann Jake Clay bestellt. Einen eiskalten Schießer, der für Geld alles tat, wie es hieß. Er sollte den Sheriff im offenen Gunfight beseitigen.
Ein Mann wie Jake Clay würde schon einen Grund finden, den Sheriff zum Revolverkampf zu fordern. Niemand konnte dann kommen und Rechenschaft für den Tod des Besiegten fordern. Das war das irrsinnige Gesetz dieses Landes: ein offener Gunfight galt als faire Sache, die niemand zu stören und niemand zu verfolgen hatte.
Nicht schlecht ausgedacht von Yellow Jim! Der Coltman Jake Clay aus Alabama sollte für Break die Kastanien aus dem Feuer holen. Gegen ein Entgelt von tausend Dollar.
Es war am frühen Nachmittag, als von Osten her ein Reiter in die Stadt ritt.
Jim Hunter lehnte am Fenster des Utah Saloons und hatte auf die Straße gestarrt. Da entdeckte er ihn plötzlich.
Mit einem Satz war er vom Fenster zurück. »Er kommt!«
»Der Sheriff!«
»Bist du verrückt?«
»Komm her und sieh es dir selbst an!«
Break blieb neben der Theke stehen. Wieder saß das würgende Gefühl in seiner Kehle. Damned, war dieser Earp denn geisteskrank! Wie konnte er es wagen, hierherzukommen?
»Wer ist bei ihm?« krächzte Folgerson.
»Niemand. Er kommt allein.«
Da rannten sie an die Fenster, blieben aber in sicherem Abstand stehen.
Tatsächlich! Das Unglaubliche war Wirklichkeit geworden! Da kam er die Straße heruntergeritten.
Break zog seinen Revolver. Die anderen folgten seinem Beispiel. Der krummbeinige Seld holte das Schrotgewehr und prüfte die Ladung. Dann postierte er sich neben der Pendeltür.
»Ruhe!« mahnte Break raunend. »Ihr wartet, bis ich euch das Zeichen gebe!«
Der Reiter kam näher.
Als er auf fünfzehn Yards heran war, ließ Gordon Break seinen Revolver sinken. Ganz eng waren seine Augen geworden. Und das, was jetzt in seinem Kopf vorging, beschäftigte auch die Hirne der anderen:
Wie sah er aus, der Sheriff! Wie ein Gespenst seiner selbst, abgemagert und bleich. Die Augen lagen tief in ihren Höhlen. Er schien schmaler und sogar kleiner geworden zu sein.
Niemand sprach ein Wort. Stumm starrten die Verbrecher dem Reiter entgegen –?und ließen ihn passieren.
Niemand von ihnen kam auf den Gedanken, daß der Mann, der da vorüberritt, jener Mann war, den der Zigeuner Zoltan Griffith kürzlich hier in der Schenke in den Rücken geschossen hatte!
Morgan hatte es nicht länger auf der Ranch ausgehalten. Seine zähe Natur hatte die Verwundung überstanden, und nun war er gegen den Rat seiner Freunde von der Ranch aufgebrochen.