Wyatt Earp Paket 2 – Western. William Mark D.
lassen. Trill hat recht: Die Earps sind nicht zu schlagen. Weiß der Teufel, wen dieser Morgan noch alles mitgebracht hat!«
»Er hat niemanden mitgebracht…«
»Und der Stadtfrack mit den weißen Revolvern? He, ist das vielleicht der Gouverneur oder ein Seifenhändler? Der Kerl ist doch eine Schießmaschine. Wenn du nur an deinen Colt denkst, hat er seinen schon in der Hand.
Hör zu, Lupton. Ich bin in dieses verdammte Land gekommen, weil ich daheim in Quincy dreihundert Dollar aus der Kasse meines Prinzipals habe mitgehen lassen. Ich habe bei der Overland und bei der Railway gearbeitet. Dann stieß ich auf Gordon Break. Ich bin bis heute mit ihm geritten. Aber ich habe nicht die mindeste Lust, mich seinetwegen in die Hölle befördern zu lassen. Sieh dir den Saunders an und den Burschen mit den schnellen Revolvern. Diesen Leuten sind wir doch nicht gewachsen! Bist du tatsächlich so blind, daß du nicht merkst, was hier los ist?«
Lupton zog seinen Revolver. »Du bleibst hier, Cranacher.«
»Nein!«
Da hob der Texaner die Schußwaffe.
»Nicht doch, Einauge. Wir haben ja gar nicht so viel Särge in der Stadt«, schlug es da metallisch an die Ohren Luptons.
Wyatt Earp stand hinter ihm im Mietstalltor.
»Komm, Tex, laß das Eisen fallen, sonst brauchst du selbst einen Sargtischler.«
Lupton stieß einen Fluch aus und wirbelte herum.
Aber er war nicht schnell genug für den Missouri-Mann.
Der warf sich ihm entgegen und schleuderte ihm einen krachenden Linkshänder an den Schädel. Schwer getroffen brach der Verbrecher in die Knie.
Wyatt nahm ihm die Waffen weg und sah zu Cranacher hinüber.
»Du warst schon auf dem richtigen Weg, Freund. Steig in den Sattel. Und sieh zu, daß du möglichst viel Land zwischen dich und diese Stadt bringst.«
Cranacher starrte den Marshal verblüfft an. »Wer sind Sie?«
»Verschwinde, Junge«, entgegnete Wyatt schroff, »verschwinde, ehe es mich reut, dich gehen gelassen zu haben!«
Da hastete der Bandit davon, holte sein Pferd und preschte aus dem Mietstalltor.
Aber er kam nicht weit. Als er den Utah Saloon passierte, warf ihn ein Gewehrschuß aus dem Sattel.
Ike Troub war der Schütze.
Langsam ging er auf die Straße und bückte sich über den Kameraden, den er aus dem Sattel geholt hatte.
»So, du verdammter Feigling. Das hast du davon. Du kommst nicht weg!«
»Und du kommst mit mir!« Wyatt Earp stand plötzlich hinter ihm, nahm ihm die Waffe weg und schleuderte sie zur Uferböschung hinüber.
Drei Minuten später saßen vier Gefangene im Jail von Orange City.
Cranacher hatte einen Streifschuß am Hinterkopf mitbekommen. Doc Wilcox reinigte die Wunde mit zitternden Händen und legte dem Verletzten einen Verband an.
Die Mannschaft des Bandenführers Gordon Break war stark zusammengeschrumpft.
Wyatt Earp hatte gerade noch einmal nachgesehen, ob die Gefangenen auch gut hinter Schloß und Riegel saßen. Als er zur Tür kam, sah er gegen den hellen Nachthimmel die Silhouette des Spielers.
»Hallo, Doc.«
»Hallo, Marshal.«
»Wie sieht es aus?«
»Good, Sie haben es wieder mal prächtig getroffen hier. Schöne friedliche Stadt, muß ich schon sagen.«
»Tut mir leid, Doc, daß Sie vorn im Feuer standen. Als ich Sie vor dem Hotel stehen sah, habe ich mich natürlich hinter das Jail gelegt, da ja auch dort ein Angriff zu befürchten war.«
Der Spieler winkte ab. »Ich weiß. Wenn einer vorn ist, muß einer hinten sein. Meistens stehen Sie ja vorn. Heute war es mal umgekehrt! Ist mal etwas anderes.«
Doc Holliday wurde plötzlich von einem starken Hustenanfall geschüttelt. Wyatt sah, wie sich seine Gestalt unter heftigen Zuckungen zusammenkrümmte.
Das Leben, das der Georgier führte, war Gift für seine Gesundheit. Schon seit Jahren trug er die nagende, unheilbare Krankheit in seiner Brust. Und Nacht für Nacht saß er in den verräucherten Saloons an den Kartentischen.
»Wenn wir hier wegreiten, Doc, wird es anders. Ich habe einen Brief aus Yampa bekommen. Im nächsten Monat erwarten sie mich dort. Mister Harris hat ein großes neues Lager aufgebaut. Da braucht er einen Boß. Ich habe den Brief noch nicht beantwortet; aber wenn Sie mitkommen, schreibe ich ihm gleich morgen, daß wir kommen.«
Der Spieler hatte den Hustenkrampf überwunden und lachte leise und verbittert in sich hinein. »Sie – ja. Aber was wollen die mit mir anfangen – mit einem Spieler?«
»Sie wissen ganz genau, daß Sie Harris willkommen sind, John. Schließlich haben Sie schon zweimal erheblich dazu beigetragen, ihn aus der Patsche zu reißen.«
Der Gambler winkte ab und holte ein zerknittertes Papier aus der Innentasche seines Jacketts. »Meine Schwester hat geschrieben.«
»Und?«
»Sie ist krank.« Er reichte dem Marshal den Brief.
Der trat ins Office zurück und zündete den Docht einer Petroleumlampe an.
Als er das schon stark zerknitterte Schreiben überflogen hatte, sagte er vorwurfsvoll: »Der Brief ist ja schon drei Monate alt!«
»Na und? Ich zähle die Monate nicht. Es reicht mir zu wissen, daß die meinen gezählt sind.«
Wyatt gab dem Freund den Brief zurück. »Sie werden morgen früh die Overland nehmen, Doc.«
Holliday lachte leise. »Das werde ich ganz sicher nicht.«
»Und weshalb nicht?«
»Weil hier noch nichts entschieden ist. Und weil der lange Break noch längst nicht verspielt hat. Weil ich nicht die mindeste Lust habe, eines Morgens drüben in Valdosta am Kaffeetisch in der Zeitung zu lesen, daß der Marshal Earp in einem lausigen Kaff namens Orange City eine Kugel ins Kreuz bekommen hat. Gute Nacht, Marshal!« Er schob davon.
*
Grau und wolkenverhangen hing der Himmel am Morgen über der kleinen Stadt Orange City, in der es so unruhig geworden war.
Der Bandenführer Gordon Jim Break hatte mehr Unheil über Orange City gebracht als sonst irgendein Ereignis während der letzten zehn Jahre. Vier Tote und mehrere Verletzte kamen auf sein Konto.
Aber all dies schien dem Gelben Jim am wenigsten auszumachen. Er hockte in der Zelle auf der Pritsche, hatte seinen Mitgefangenen und vor allem dem Sheriff den Rücken zugekehrt und stierte mit flimmernden Augen auf ein vergilbtes Stück Papier.
Es war das ›Vermächtnis‹ des Paters Roover – die Mordbeute aus dem Postkutschenüberfall an der Grenze.
Es war eine rätselhafte Laune des Schicksals, die dem Verbrecher den alten handgezeichneten Stadtplan von Orange City in die Hand gespielt hatte. Vielleicht hätte der Outlaw Gordon Jim Break sein wildes Leben jenseits der Gesetze noch viele Jahre weiterführen können, wenn ihn nicht eben jenes Geschick ausgerechnet dem Marshal Earp in die Bahn getrieben hätte, jenem Manne, dem er nicht gewachsen war.
Noch wußte der Gelbe Jim nicht, wer eigentlich hier gegen ihn kämpfte. Er hatte nur einen Gedanken: Ich werde das Gold aus dem Mietstallhof, aus dem Hof des Sheriff-Büros, aus dem Utah Saloon und dem General Store holen. Dieses Gold wird mich reich und unabhängig machen.
An die anderen dachte er nicht, weder an Hunter, Lupton, Saunders, Seld noch an die anderen. Er dachte nur an sich, wie er immer nur an sich gedacht hatte.
Der gnomenhafte Seld hockte in sich zusammengesunken auf einem dreibeinigen Schemel und kaute verzweifelt an den Fingernägeln