Wyatt Earp Paket 2 – Western. William Mark D.
hatte es zuerst gesehen. Er stieß die Tür auf und blickte in den schlauchartigen Raum, stieß die Männer auseinander und ging nach vorn an die Theke.
»Wer bist du?« schnauzte er.
Fuller, der sich sein bestes weißes Hemd und seine neue rote, mit gelben Stickereien besetzte Weste angezogen hatte, nannte seinen Namen.
»Und wie kommst du dazu, hier den Laden aufzumachen, he? Hast du vielleicht bei Mister Break die Erlaubnis dazu eingeholt?«
»Was geht Break das an?« knurrte Fuller.
Der Bandit schoß ihm einen wütenden Blick zu, wandte sich um und ging mit raschen Schritten hinaus.
Drei Minuten später wußte Break von der Sache. Und sie kam ihm wie gerufen, seine Wut über den Sheriff an irgend jemand auszulassen.
Er stülpte seinen Hut auf und gebot seinen Männer, ihm zu folgen.
Mit stampfenden Schritten näherte sich der Riese der Konkurrenz.
Fuller sah dem Desperado und seinen Kumpanen mit bangen Augen entgegen. Er war zwar ein gerissener, listiger Bursche, aber allzu mutig war er nicht.
Break baute sich mitten in der inzwischen völlig leeren Schenke auf. »Was soll das? Wie kommst du dazu, einfach eine Bar aufzumachen?«
»Weshalb sollte ich es nicht tun, Mister Break?« versetzte der neue Wirt mit unsicherer Stimme. »Schließlich war es seit langem geplant und vorbereitet. Ich habe jahrelang dafür gedarbt, daß ich die Bar aufmachen kann. Und jetzt ist es eben soweit.«
»Aha, es ist jetzt also soweit. Schade!«
Der Riese nahm einen Stuhl und zertrümmerte ihn auf einer Tischplatte. Dann gab er seinen Boys einen Wink.
Innerhalb von wenigen Minuten sah die neue Bar des Jonny Fuller aus, als habe ein Hurrikan in ihr getobt.
Break hatte dem Vernichtungswerk seiner Männer mit ausdrucksloser Miene zugesehen.
Jetzt, als die Arbeit getan war, kam er auf den wie versteinert dastehenden Fuller zu und sagte herrisch: »Was hier in der Stadt getan und nicht getan wird, bestimme ich. Ich nehme an, daß du das von jetzt an weißt!«
Damit wollte er zur Tür.
Die aber war versperrt. Der Sheriff stand in ihrem Rahmen.
Break war stehengeblieben. Aus schmalen, bösen Augen fixierte er den Marshal. »Was wollen Sie hier, Earp?«
»Das wollte ich Sie gerade fragen.«
»Lassen Sie diesen Unsinn. Aus dem Weg jetzt!«
Wyatt blieb stehen. Und während die Banditen von dem grellen Sonnenlicht, das an ihm vorbei in den Raum drang, fast geblendet wurden, sah er scharf und deutlich.
»Sie sollen den Weg freigeben, Earp!« knurrte der riesige Bandenführer gefährlich.
Aber damit machte er nicht den mindesten Eindruck auf den kaltnervigen Mann in der Tür.
»Sagen Sie dem plattnäsigen Jungen da, der links neben Ihnen steht, daß er seine Hände ganz ruhig halten soll. Es kann sein, daß er zittert, aber das kann ihm übel bekommen.«
»Sie bedrohen uns also, Earp!« belferte Break.
»Bedrohen?« Wyatt lachte plötzlich hellauf. »Sie haben eine merkwürdige Art, die Dinge aufzufassen, Gordon Jim Break. Als Sie in Montana Falls den Trader Bigg niederschossen, hatte er Sie geschlagen. Und als Sie in Sioux Falls den Bankier Lonegan niederknallten, war er es, der Sie gekränkt hatte. Und der Sattler Turner hier aus Orange City mußte sterben…«
»Kein Wort mehr!« bellte der Hüne.
»Sie haben das Pech, daß ich meine Sätze zu Ende führe, Break«, kam es drohend von den Lippen des Marshals. »Turner mußte sterben, weil er Ihnen im Wege war.«
»Das ist eine ganz ge…«
»Vorsicht, Break, ich warne Sie!« mahnte der Marshal.
»Warnen? Yeah, Sie können mich warnen. Aber ich denke nicht daran, mich von Ihnen des Mordes verdächtigen zu lassen.«
In fast freundlichem Ton antwortete Wyatt: »Verdächtigen zu lassen? Davon kann keine Rede sein, Break. Ich beschuldige Sie des Mordes an dem Sattler Turner.«
Der Desperado wich einen Schritt zurück. Es dauerte mehrere Sekunden, ehe er zu einer Entgegnung fand.
»Sie wagen zuviel, Earp. Erst haben Sie Hunter niedergeschlagen, und Sie haben es sogar gewagt, mich anzugreifen…«
»Ich habe Sie niedergeschlagen, Break. Und Sie können sich darauf verlassen, daß ich es sofort wieder tun werde, wenn es notwendig ist. Well, ehe wir jetzt über Turner weitersprechen, wollen wir das hier regeln. Salooner, wie hoch schätzen Sie den Schaden, den Ihnen diese Gentlemen verursacht haben?«
Break schoß dem kahlhäuptigen Mann einen warnenden Blick zu. Aber das half nichts.
Fuller war auf seinen Gewinn aus, und er hatte ein feines Gefühl dafür, daß der Sheriff im Augenblick die Oberhand hatte.
»Das kann ich Ihnen genau sagen, Sheriff. Ich habe mehr als dreihundert Dollar in die Stühle und Tische gesteckt. Und dann haben sie mir auch Flaschen und Gläser zerschlagen. Es kommen rund vierhundert Dollar dabei raus.«
»Dreckskerl!« fauchte Saunders. »Dafür nehme ich dich noch persönlich vor.«
»Halten Sie den Rand, Saunders«, schnitt Wyatts Stimme durch den Raum. »Und nun vorwärts, Break. Kassieren Sie die Summe von Ihren Genossen.«
Break stemmte die Fäuste in die Hüften und warf den Kopf in den Nacken. »Sie müssen verrückt sein, Earp…«
In beiden Händen des Marshals lagen plötzlich die Revolver. Die Tramps hatten gar nicht gesehen, wie das passiert war.
»Vierhundert Dollar auf den Tisch da!«
Break knirschte mit den Zähnen. »Nein!«
Da knackten die Revolverhähne des Missouriers.
Break zerquetschte einen Fluch zwischen den Lippen.
»All right, Männer, wir werden das Geld auf den Tisch legen.«
Als das geschehen war, nickte Wyatt. »So, das wäre erledigt. Und was nun die Sache mit Turners Ermordung angeht…«
»Ich habe ihn nicht ermordet!« brüllte Break.
»Nein, aber Sie haben Jim Hunter dazu angestiftet. Ich muß Sie festnehmen, Gordon Break.«
»Das wagen Sie nur!«
Wyatt ging auf ihn zu. Break sah ihm mit flimmernden Augen entgegen.
Da warf sich Saunders rechts zur Seite, und Troub tat das gleiche nach links.
»Nicht doch, Gentlemen, wozu denn diese Verrenkungen?« kam da eine klirrende Stimme vom Eingang her.
Die Desperados schraken zusammen und starrten zur Tür.
Da stand ein schlanker, hochgewachsener Mann. Er trug einen eleganten dunklen Anzug, ein weißes Rüschenhemd, einen schwarzen, breitrandigen Californiahut und eine weinrote Seidenschleife.
In jeder seiner vorgestreckten Hände hielt er einen vernickelten, elfenbeinbeschlagenen fünfundvierziger Revolver.
Break suchte das Gesicht des Fremden zu durchforschen. Es war gutgeschnitten, hager, über der Oberlippe saß ein saubergetrimmter Bart. Ein eisblaues Augenpaar beherrschte dieses Antlitz.
»Was will der denn?« krächzte Saunders.
»Schießen, Amigo«, versetzte der Fremde, »das siehst du doch.«
Break hatte den Unterkiefer vorgeschoben. Eine düstere Ahnung stieg in ihm auf, aber er begriff immer noch nicht, was die Uhr geschlagen hatte.
»He, Earp, was will denn der Kerl da?«