Wyatt Earp Paket 2 – Western. William Mark D.
erwiderte der Spieler kurz. »Er ist auch hier.« Daß er diese Nachricht selbst überbracht hatte, daß er mehrere Tage und halbe Nächte hindurch geritten war, schneller als die schnellste Eilpost, um den Marshal auf seinem Heimritt nach Dodge in Forestiere abzufangen, davon sagte er kein Wort.
»Wyatt?« stammelte die Frau fassungslos. »Er ist auch schon hier? – In Tombstone?«
»Yeah, Madame.«
»Seit wann ist er denn hier?«
»Seit einer halben Stunde.«
»Und? Wo ist er jetzt?«
»Bei Jonny Behan.«
»Wird er bei uns schlafen?«
»Wir haben uns in Cashmans Boardinghouse eingemietet.«
»Aber ich muß ihm doch erzählen, was geschehen ist.«
»Mister Clum hat es ihm schon erzählt.«
»Die Clantons haben ihn niedergeschlagen wie einen tollen Hund. Dann sind sie aus der Stadt verschwunden. Er lag halbtot hier und konnte nicht schnell genug wieder in den Sattel kommen. Mister Clum hat ihm von der Verfolgung abgeraten, aber er ist eben… ein Earp.« Die Frau atmete hastig und schluckte verzweifelt. »Wyatt muß die Clantons suchen…«
»Das ist nicht nötig«, versetzte der Spieler. »Er ist eben schon in der Allen-street mit Ike Clanton zusammengeprallt.«
Die Frau schlug die Hand vor den Mund. »Die Schüsse! Dann habe ich doch richtig gehört.« Dann sank sie auf einen Schemel neben der Tür nieder. »Es ist also wieder wie früher. Er ist kaum in der Stadt, und schon wird geschossen.«
»Ach«, meinte der Georgier unwillig. »Die Clantons hatten sich mit Luke Short angelegt…«
»Der ist auch hier?« unterbrach ihn die Frau verblüfft. »Um Himmels willen! Was will der denn hier?«
Der Gambler zog die Brauen zusammen. »Das werde ich Ihnen sagen, Missis Earp: Er hat sich erboten, mit uns nach Ihrem Mann zu suchen.«
Die Frau senkte den Kopf und starrte auf ihre ineinandergefaltenen Hände. »Mord und Totschlag«, ächzte sie, wieder in ihren alten Song verfallend. »Wyatt ist an dem ganzen Elend schuld. Mein Mann hätte bei der Armee bleiben können. Er war schon Offizier wie sein Vater. Aber dann war da sein Bruder Wyatt, der ein berühmter Sheriff geworden war…« Sie brach ab und erhob sich. Kühl fuhr sie fort: »Ich danke Ihnen trotzdem, daß Sie gekommen sind, Doktor Holliday.«
Frostig entgegnete der Spieler: »Ich habe es für Wyatt getan!«
Dora Earp prallte zurück und plötzlich schrie sie: »Ich hasse Sie! Sie und ihn!«
Die Haustür war längst hinter dem Spieler zugefallen, als die unselige Frau immer noch dastand.
*
Auf der verwahrlost aussehenden Clanton Ranch stand ein alter gebeugter graubärtiger Mann und blickte mit finsterer Miene den Reitern entgegen, die auf seinen Hof ritten.
Oben auf der Veranda lehnte an einem Dachpfeiler der siebzehnjährige Billy. Auch er sah den Reitern mit verschlossenem Gesicht entgegen.
Ike und Phin rutschten von den Pferden. Sie hatten keinen Gruß für den Vater und keinen Blick für den kleineren Bruder. Mit gesenkten Köpfen betraten sie das lange flachgestreckte Ranchhaus.
Die beiden McLowerys und Bill Claiborne folgten ihnen.
Curly Bill und Frank Stilwell kamen nach.
Nur Indian Charly blieb draußen auf der Treppe sitzen. »He, Billyboy, hast du nichts zu rauchen für einen armen Jungen?« wandte er sich an den Jüngsten der Clantons.
Billy, der als einziger noch auf der Ranch des Vaters arbeitete, knurrte, während er sein Tabakszeug herausholte und es dem Banditen hinwarf: »Du solltest lieber wieder hinauf in die Silberminen gehen und arbeiten, dann brauchtest du bei mir, der ich selbst nichts habe, nicht um eine Zigarette zu betteln.«
Indian Charly zog die Schultern resigniert hoch und kurbelte sich eine Zigarette. Dann schob er das Tabakszeug des Burschen wie unabsichtlich in seine Tasche.
Billy stand sofort hinter ihm und stieß ihn mit dem Knie in den Rücken. »He, Charly, du bist hier nicht in Tombstone, merk dir das! Mein Rauchzeug!«
Der Tramp tat erstaunt und murmelte eine unverständliche Entschuldigung, zerrte den Tabaksbeutel aus der Tasche und warf ihn hinter sich.
Da wandte sich der alte Clanton zu seinem Jüngsten um und knurrte: »Das sind die Freunde deines großen Bruders, Bill. Und mit so was willst du reiten!«
»Ach, laß mich zufrieden«, zischte der Bursche, wandte sich ab und ging zum Corral hinüber, wo er sich aufs Gatter setzte. –
Drinnen im Ranchhaus saßen die Desperados um den großen grob gezimmerten Tisch und tranken schlechten Whisky.
Mit düsteren Gesichtern blickten sie aneinander vorbei.
Links in der schmaler werdenden Verlängerung dieses Raumes stand eine alte knochige Frau und hantierte mit Kesseln und Töpfen herum. Hin und wieder warf sie einen forschenden Blick hinüber auf den Platz, auf dem ihr ältester Sohn Ike saß.
Aber sie schwieg, wie auch der Rancher schwieg.
Tom McLowery hockte neben seinem Bruder und starrte in sein Glas. Er, der unruhigste der Crew, vermochte dieses Schweigen nicht lange durchzuhalten.
»Was wird jetzt, Ike? Die Herde sind wir los…«
»Halt deinen Rand!« fuhr ihn sein Bruder Frank gallig an.
»Yeah, ich bin schon still. Aber ich werde nie begreifen, weshalb Ike in der Allenstreet kehrtgemacht hat!«
Frank fauchte ihn an: »Wer verlangt das von dir, he? Wer hat ferner von dir verlangt, daß du dir im Oriental Saloon von Luke Short eine Ohrfeige einhandelst?«
Tom sprang wie eine Feder hoch. »Du hast kein Recht, mir das vorzuwerfen, Frank! Wer hat von dir verlangt, daß du dir von Wyatt Earp den Colt aus der Hand schießen lassen solltest, he?«
Frank riß den Bruder auf den Sitz zurück. »Ich habe gesagt, du sollst dein Maul halten, Boy. Und wenn du das nicht verstehst, werde ich es dir stopfen!«
Ike starrte düster auf seine Hände. Mit finsterem Blick sann er vor sich hin.
Endlich meinte Phin, der rechts neben ihm saß: »Ganz klar, daß wir die Herde verloren. Es war ausgeschlossen, sich mit den verdammten Apachen herumzuschlagen. Dieser Geronimo ist ein wahrer Satan. Aber eines Tages läuft er uns vor die Hufe. Dann säge ich diesen rothäutigen Halunken mit meiner Schrotflinte auseinander!«
Frank Stilwell maulte: »Gibt’s hier nicht wenigstens was zu essen?«
Ike wandte langsam den Kopf und sah den Messerwerfer an. Da senkte Stilwell rasch den Blick.
Phin rieb sich das Kinn. »Wir waren ganz einfach zu wenig Leute. Wenn es wenigstens noch Tag gewesen wäre. Aber die Indsmen sind ja raffiniert genug, im Morgengrauen zu kommen, wenn unsereiner noch nicht da ist. Todsicher haben sie den größten Teil der Rinder in ihre Schlupfwinkel getrieben. Geronimo – well, er war dumm genug, uns von dem Hügel aus seinen Namen zuzurufen. Ich werde ihn mir merken.«
»Das hast du schon einmal gesagt«, knurrte Ike. Er hatte ganz andere Gedanken und Sorgen. Und als sich das Gespräch der Tramps weiterhin um die verlorene Herde drehte, schlug er mit seiner schweren Faust auf den Tisch, daß die Gläser tanzten. »Gibt es hier endlich Ruhe! Goddam! Wir haben andere Sorgen! Vielleicht macht ihr euch mal Gedanken darüber, daß der Wolf aus Dodge in der Stadt ist. Und daß er seinen scharf-äugigen Schatten mitgebracht hat…«
Curly Bill krächzte achselzuckend: »Sie suchen Virg. Was geht das uns an. Weiß der Teufel, wo der Kerl hängengeblieben ist. Vielleicht hat Geronimo ihn geschnappt. Der rote Teufel ist doch auf alles scharf, was eine weiße Haut hat.«
Billy