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Herrenhauses vor.

      »Wir haben Manuelas Eltern mitgebracht«, rief Nick, der als Erster aus dem Bus sprang.

      Frau Rennert und Schwester Regine kamen gleichzeitig aus dem Haus. Ehe sie fragen konnten, ob Nick sich nur einen Scherz erlaube, stand das junge spanische Paar bereits vor ihnen. Nick übernahm es, die Namen zu nennen.

      »Herr und Frau Cortez – Frau Rennert und unsere Kinderschwester Regine.«

      »Was für eine Freude, dass Sie wieder gesund sind«, sagte Frau Rennert herzlich. »Manuela wird sicher überrascht sein. Frau von Schoenecker und auch wir haben uns etwas um Sie gesorgt. Leider hatte niemand Ihre Adresse in Barcelona.«

      Maria Cortez senkte beschämt die Lider mit den schön gebogenen langen Wimpern.

      »Ich glaube, ich hätte schreiben müssen, Frau Rennert. Frau von Schoenecker hat mir die Adresse von Sophienlust gegeben. Aber ich habe nicht mehr daran gedacht. Der Zettel blieb sogar hier zurück in meinem Schrank. Das habe ich gestern beim Aufräumen gemerkt.«

      »Es macht nichts, Frau Cortez. Wollen Sie jetzt mit uns allen zu Mittag essen?«

      »Das können wir doch nicht annehmen. Sie haben schon so viel für uns getan.«

      »Ist man in Spanien nicht gastfreundlich?«, meinte die gütige Heimleiterin lächelnd. »Sollen wir Sie draußen warten lassen, während wir essen? Bei uns wird jeden Tag genug gekocht. Da können leicht noch zwei Personen mitessen.«

      »Wir müssen Mutti anrufen«, mischte sich Nick ein.

      »Ja, Nick. Ich denke, sie wird dann gleich herkommen. Du und Henrik, ihr sollt heute hier essen.«

      »Okay«, sagte Nick. »Was gibt’s denn?«

      »Geh in die Küche und frage Magda selbst«, erwiderte Frau Rennert lachend. »Ich meine, wir sollten jetzt mal feststellen, wo unsere Manuela steckt.«

      Maria und Fernando atmeten dankbar auf. Sie hatten beide nicht den Mut gefunden, diese Bitte zu äußern. Und doch war ihnen das Wiedersehen mit ihrem Kind wichtiger als das Essen.

      Schwester Regine konnte Abhilfe schaffen. »Wir haben neue Küken drüben im Stall. An und für sich ist es im Juni dafür schon zu spät. Aber es kommt immer mal vor, dass eine Henne in einer versteckten Ecke noch einmal brütet. Manuela hat eine besondere Vorliebe für die Küken. Ich möchte wetten, dass sie dort steckt. Kommen Sie.«

      Zu dritt gingen sie zum Geflügelhof.

      »Wie groß und schön hier alles ist«, staunte Fernando. »Es ist wunderbar für die Kinder.«

      Regine neigte den Kopf. »Ja, unsere Kinder sind glücklich, Herr Cortez. Auch Manuela hat sich hier wohl gefühlt. Sie wird uns ganz gewiss fehlen.«

      »Uns hat sie auch gefehlt«, entgegnete Fernando leise.

      Sie entdeckten Manuela im Stall in einer Ecke im Stroh. Auf ihrem bunten Röckchen hielt sie die zu spät ausgeschlüpften Küken und lächelte selig. Eines der kleinen gelben Tierchen war sogar so vorwitzig gewesen, ihr auf die Schulter zu klettern.

      Manuelas Eltern standen wie gebannt vor diesem bezaubernden Bild. Schwester Regine entfernte sich leise. Doch die beiden merkten das gar nicht. Sie hatten nur noch Augen für ihr Kind.

      »Manuela!«

      Die Kleine hob den Blick. Die schönen dunklen Augen füllten sich zunächst mit ungläubigem Staunen und dann mit strahlender Freude.

      »Mutti, Papa!«

      Behutsam und doch so schnell wie möglich setzte Manuela die Küken ins Stroh. Dann ließ sie sich von Vater und Mutter umarmen, herzen und küssen.

      »Freust du dich, dass wir wieder da sind, mein Liebling? Vater ist wieder gesund. Arbeit haben wir auch. Jetzt wird alles wieder wie früher.« Maria strich mit zärtlicher Hand über das Haar ihres Töchterchens, das liebevoll gekämmt war und zwei Schleifen trug.

      »Ja, ich freue mich, Mutti. Es ist beinahe so schön wie letztes Jahr zu Weihnachten. Schau, magst du die Küken? Justus sagt, sie sind zu spät aus dem Ei gekommen. Aber wenn der Sommer schön warm ist, werden sie trotzdem groß werden.«

      »Was du alles weißt«, staunte Fernando.

      »Sophienlust ist doch ein Landgut. Justus weiß über alles Bescheid, auch über die Pferde. Nachher zeige ich euch, wie ich reiten kann. Und Tante Reni müsst ihr natürlich auch kennen lernen. Sie hat heute früh Kopfweh gehabt und ist in ihrem Zimmer geblieben. Sonst spielt sie nämlich immer mit mir.«

      »Tante Reni? Wer ist das?«

      »Nun, eben Tante Reni. Sie hat mich sehr lieb, und ich sie auch. Wenn wir allein sind, nennt sie mich heimlich Gitti. Das ist unser Spiel.«

      »Gitti? Was ist das für ein Name?«

      »Weiß ich doch nicht. Sie sagt es gern zu mir. Man kann doch mal etwas spielen.«

      »Ja, sicher, Manuela. Du bist also gern hier gewesen. Darüber freue ich mich.«

      »In Sophienlust sind alle gern, Mutti. Ich habe auch ein Namensbäumchen im Wald bekommen, wie jedes Kind.«

      »Was für ein Namensbäumchen?«

      »Ein kleiner Baum mit einem Schild. Darauf steht Manuela. Der Baum gehört mir. Jedes Kind hat einen Baum. Es ist schon ein Wald geworden. Er heißt Märchenwald. Nick sagt, dass es immer so bleiben soll, damit keiner vergessen wird, der einmal in Sophienlust war. Man darf auch einmal wiederkommen.«

      »Willst du denn jetzt mit uns zurück?«, fragte Fernando Cortez ein wenig zweifelnd.

      Manuela schmiegte sich eng an ihn. »Ja, Papa. Ich habe doch die ganze lange Zeit auf euch gewartet. Die anderen Kinder, die hier sind, haben meistens keine Eltern mehr. Aber ich bin doch nur nach Sophienlust gekommen, weil ich auf euch warten sollte.«

      Man hörte in der Ferne einen Gong.

      »Ich muss zum Essen. Kommt ihr mit?«

      »Ja, wir sind eingeladen worden.«

      »Hier wird jeder eingeladen, der gerade da ist. Ihr werdet staunen, wie gut unsere Magda kochen kann. Hoffentlich gibt es heute Pudding.«

      Manuela schnatterte wie ein kleines Entchen, aufgeregt und glücklich. Trotzdem überzeugte sie sich gewissenhaft, ob ihre kleinen Küken auch gut versorgt waren. Sie hatten sich unter den Flügeln der Henne verkrochen.

      Selig hüpfte das Kind dann zwischen seinen Eltern zum Herrenhaus hinüber. Maria und Fernando, die sich vor der Begegnung mit den Bewohnern von Sophienlust ein wenig gefürchtet hatten, fühlten sich mit der größten Selbstverständlichkeit in den Kreis dieser harmonischen Gemeinschaft aufgenommen.

      Flinke Hände hatten an der langen Tafel im Speisezimmer für zwei weitere Gedecke gesorgt.

      »Kommt Tante Reni nicht?«, fragte Manuela ein bisschen enttäuscht.

      »Es geht ihr nicht gut, Herzchen«, sagte Frau Rennert. »Der Doktor war vorhin bei ihr. Sie soll heute liegen bleiben.«

      »Schade«, seufzte Manuela. »Mutti und Papa wollen sie doch kennen lernen.«

      »Das wird sich schon noch einrichten lassen«, entgegnete Frau Rennert. Sie hatte soeben ein ausführliches Telefongespräch mit Denise von Schoenecker geführt. Beide sorgten sich, wie Reni von Hellendorf die unerwartete Wendung aufnehmen werde. Deshalb erschien es ihnen als günstige Fügung, dass die junge Frau vorerst nichts erfahren konnte. Denise wollte versuchen, Dr. Volkert zu erreichen, um notfalls seinen ärztlichen Rat einzuholen.

      Die Mahlzeit verlief ungezwungen und heiter. Magdas Küche fand ungeteilten Beifall bei groß und klein.

      »So gut kann ich nicht kochen«, gab Maria Cortez zu. »Hoffentlich schmeckt es dir noch bei mir, Manuela.«

      »Klar, Mutti. Bei dir schmeckt es sowieso am besten«, antwortete das kleine Mädchen. »Aber wenn ich mal Heimweh habe, dann


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