Sophienlust Paket 3 – Familienroman. Patricia Vandenberg

Sophienlust Paket 3 – Familienroman - Patricia Vandenberg


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Fernando begnügte sich mit dem Stuhl gegenüber. Er war ein ritterlicher Mann und gab nach, um Streit zu vermeiden.

      Es war eine etwas seltsame Nachmittagstafel, denn trotz des Blumenschmucks, trotz des frischen Kuchens und aller Mühe, die die gute Magda sich gegeben hatte, wollte keine unbeschwerte Fröhlichkeit aufkommen. Sogar die Kinder, die gar nicht unmittelbar betroffen waren, schienen das zu spüren. Sie schauten immer wieder zu Reni von Hellendorf hinüber, deren unbewegtes Gesicht ihnen seltsam und fremd erschien.

      Zu der Unterredung, die Reni anstrebte, kam es nach dem Kaffee nicht. Manuela wollte unbedingt reiten. Es war unmöglich, ihrem Drängen Widerstand entgegenzusetzen.

      Irmela erbot sich, die Aufsicht zu übernehmen, denn Reni mochte nicht reiten. Sie fühlte sich dazu noch zu angegriffen.

      Manuela führte mit großem Eifer vor, was sie gelernt hatte. Ihre Eltern kamen aus dem Staunen nicht heraus. »Sie ist ein kluges Kind«, flüsterte Fernando andächtig und stolz.

      Maria nahm seine Hand. »Unsere kleine Manuela«, flüsterte sie ihm zu.

      Reni stand schweigend daneben. Es war ihr nicht anzumerken, ob sie überhaupt hörte, was gesprochen wurde.

      Später ging sie in ihr Zimmer und legte sich nieder. Sie habe wieder Kopfschmerzen, sagte sie, als Denise sich besorgt nach ihrem Befinden erkundigte.

      Noch einmal versuchte Denise, Dr. Volkert zu erreichen. Sie hatte jedoch wieder keinen Erfolg.

      Reni erschien nicht zum Abendessen. Auch fragte sie nicht mehr nach Manuela. Allmählich gewann Denise den Eindruck, dass die Freundin sich bereits an den Gedanken gewöhnt habe, von dem kleinen Mädchen Abschied nehmen zu müssen.

      »Ich hoffe, Reni wird morgen die Abfahrt der spanischen Familie ruhig hinnehmen«, sagte sie zu Frau Rennert, bevor sie spät abends endlich nach Schoen­eich zurückfuhr.

      *

      Denise sollte Recht behalten. Reni schien Manuela vergessen zu haben. Sie blieb am Sonntag in ihrem Zimmer und ließ nur Henrik einmal kurz in ihr Zimmer. Mit ihm sprach sie so freundlich wie gewohnt.

      »Sie ist wie immer«, berichtete Henrik. »Morgen ist ihr Kopf bestimmt wieder gut. Morgen kommt ja auch der Doktor wieder.«

      Allmählich wagten Denise, Frau Rennert, Schwester Regine und alle anderen aufzuatmen. Gleich nach dem Mittagessen, an dem Maria und Fernando noch teilnahmen, sollte die Abfahrt stattfinden. Da das Ehepaar von ­Schoenecker ohnehin nach Maibach wollte, um einen erkrankten Freund von Alexander zu besuchen, boten sie den Spaniern an, sie im Wagen mitzunehmen.

      Manuela freute sich. Sie machte sich keine Gedanken über Reni. Aber Fernando fragte Denise, ob sich das Kind nicht lieber von Frau von Hellendorf verabschieden sollte. »Man weiß nicht, was richtig ist, gnädige Frau«, fügte er hinzu.

      »Ich werde zu ihr gehen, Herr Cortez.«

      Reni blickte Denise mit großen Augen entgegen. »Manuela fährt nun mit uns weg, Reni. Doch sie wird uns bald einmal besuchen. Möchtest du ihr Lebewohl sagen?«

      »Nein, Denise. Jetzt nicht.« Renis Stimme klang fremd und abwesend.

      »Dann ist es also in Ordnung?«

      »Ich spreche morgen mit Dr. Volkert darüber.«

      Denise war beruhigt. Vielleicht ist dieser Abschied heilsam, dachte sie erleichtert und verließ das halbdunkle Zimmer. »Tante Reni lässt dich grüßen, Manuela. Du sollst bald einmal zu Besuch kommen.«

      »Fahren wir jetzt, Tante Isi?«, fragte das Kind voller Ungeduld.

      Sie stiegen ins Auto. Auch Henrik und Nick fuhren mit. Die Kinderschar von Sophienlust winkte dem vollbeladenen Wagen nach. Gleich darauf schlug Schwester Regine vor, einen Spaziergang zu machen.

      Eine Viertelstunde später brach die Kinderschwester mit einer Schar auf. Nur Pünktchen und Irmela blieben im Haus zurück, denn Frau Rennert wollte mit ihrem Sohn und ihrer Schwiegertochter und deren Zwillingen ebenfalls wegfahren.

      »Gib ein bisschen auf Tante Reni acht«, sagte Frau Rennert leise zu Irmela. »Vielleicht wird ihr doch plötzlich bewusst, dass Manuela nicht mehr hier ist. Man sollte sie ein bisschen ablenken.«

      »Ja, Tante Ma. Ich will’s versuchen.«

      Pünktchen setzte sich mit einem spannenden Buch in die Sonne. Die alte Schäferhündin Bella gesellte sich zu ihr. Zwischen ihr und der Hündin bestand eine besondere Freundschaft.

      »Ich schau mal, was Tante Reni macht«, sagte Irmela zu Pünktchen. »Sie war so seltsam gestern und heute. Findest du nicht auch?«

      »Hm, ich glaube, sie hat zu viel Zeit zum Grübeln. Ist Magda eigentlich da?«

      »Nein, sie wollte nach Schoeneich, um ihre Schwester zu besuchen.«

      »Richtig komisch, wenn das Haus so leer ist. Sonst ist hier immer etwas los.«

      Irmela ging zu Renis Zimmer und klopfte an die Tür. Reni hatte sich ein helles Kleid angezogen. Sie nickte Irmela ruhig zu. »Nett, dass du kommst. Ich möchte gern ein Stück spazieren gehen. Willst du mich begleiten?«

      »Natürlich, Tante Reni. Gern. Pünktchen gibt aufs Haus acht. Sonst ist jetzt niemand da.«

      »Wir könnten auch reiten. Es geht mir wieder gut.«

      »Wenn du willst? Aber dazu müssten wir uns umziehen.«

      »Macht das etwas aus? Es geht doch schnell.«

      »Also gut, Tante Reni. Ich warte unten auf dich.«

      Irmela zog sich blitzschnell um und nahm ihre kleine Reitgerte. Reni erschien ein paar Minuten später.

      »Viel Spaß«, rief Pünktchen hinter den beiden her.

      Im Stall war es sonntäglich still. Mit vereinten Kräften sattelten sie zwei Pferde.

      »Nicht einmal Justus lässt sich heute blicken«, sagte Irmela verwundert.

      »Wir brauchen ihn ja nicht«, antwortete Reni.

      Die beiden führten die Pferde ins Freie und stiegen auf. Als sie über den Hof ritten, kam eben die Henne vo­rüber, die im Juni noch einmal gebrütet hatte. Ihr gelbes Kükenvolk folgte ihr mit kleinen trippelnden Schrittchen.

      »Manuelas Küken«, schrie Reni auf. »Wo ist Manuela?«

      Irmela erschrak. »Du weißt doch, dass sie von ihren Eltern abgeholt wurde, Tante Reni«, antwortete sie, sich zur Ruhe zwingend.

      Die junge Frau wurde bleich. In ihren schönen dunklen Augen glomm ein Licht auf, vor dem Irmela sich fürchtete. Nun presste Reni die Lippen fest aufeinander und versetzte ihrem Pferd einen harten Schlag mit der Gerte. Das Tier, an solche Behandlung nicht gewöhnt, bäumte sich auf und schoss dann in ungezügeltem Galopp davon.

      »Tante Reni, was tust du?« Irmelas Ruf verhallte ungehört. Ein paar Herzschläge lang zögerte sie. Dann setzte sie Reni nach. Angst schnürte ihr dabei die Brust ein.

      Reni war eine ausgezeichnete Reiterin. Dennoch war jetzt nicht genau zu erkennen, ob sie ihr Pferd noch in der Gewalt hatte. Deutlich sah Irmela, dass sie nicht fest genug im Sattel saß.

      Irmela versuchte, ihr eigenes Pferd in eine noch schnellere Gangart zu bringen. Dennoch verringerte sich der Abstand zwischen ihr und Reni nicht um einen Zentimeter.

      Reni hielt auf den Wald zu. Irmela dachte mit Schrecken an die Gefahr, die bei solchem Tempo durch herabhängende Zweige drohte. Doch glücklicherweise wählte Reni, die bis dahin querfeldein galoppiert war, nun einen schmalen Weg. Ihr Pferd schien sich zu beruhigen oder zu ermüden. Es fiel vom Galopp in einen schnellen Trab. An einer Kreuzung entschied sich Reni ohne jedes Zögern für den Pfad, der zum großen See führte.

      Was hat sie vor, dachte Irmela. Obwohl sie erst vierzehn Jahre zählte, begriff sie durchaus, wie bedenklich Renis Verhalten war und wie schlimm dieser Ritt enden konnte.

      Am Ufer des Sees


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