Sophienlust Paket 3 – Familienroman. Patricia Vandenberg
dürfte.«
»Wenn wir Ihnen damit einen Gefallen tun, bleiben wir«, entschied Fernando. »Ich meine, das sind wir Ihnen schuldig. Aber dass wir Manuela für längere Zeit dalassen – nein, das halte ich für falsch. Es würde keinen Segen bringen, auch nicht für die arme Dame, die ihr Kind verloren hat.«
Denise seufzte verstohlen. Sie sah ein, dass Fernando Cortez recht hatte. Aber sie fragte sich, wie Reni die Nachricht aufnehmen würde.
»Ich danke Ihnen«, sagte sie leise. »Es ist schön, dass wir uns so gut verstehen.«
Sie stand auf und führte Maria und Fernando durch das weitläufige Haus. In der Küche fanden sie Magda dabei, Biskuitrollen zu backen.
»Für nachher«, sagte die Köchin mit hochroten Wangen. »Weil wir doch Gäste haben.«
»Für uns?«, fragten Manuela und Fernando wie aus einem Munde.
»Aber ja«, versicherte Magda lachend. »Sie hätten sich natürlich besser anmelden sollen. Glücklicherweise geht es mit Biskuitteig schnell. Das ist immer meine Rettung bei überraschendem Besuch.«
Manuelas Eltern brachten vor lauter Verlegenheit kein Wort hervor. Soviel Umstände machte man ihretwegen! Doch als sie in Magdas gutes, freundliches Gesicht blickten, wurde ihnen klar, dass sie annehmen durften, was ihnen so gern gegeben wurde. Als sie das Zimmer betraten, in dem Heidi und Manuela schliefen, wachten die Kinder eben auf. Maria nahm ihr Töchterchen fest in ihre Arme und zog es danach an. Es machte sie glücklich, die kleinen Sachen endlich wieder in die Hände nehmen und die warme weiche Haut ihres Lieblings berühren zu können.
Die Mitteilung, dass die Eltern bis zum nächsten Tag bleiben würden, nahm Manuela mit Begeisterung auf.
»Ich zeige euch alles. Wenn Irmela oder Nick Zeit haben, reiten wir später. Zuerst habe ich ein bisschen Angst gehabt. Aber inzwischen macht es mir großen Spaß.«
Denise war plötzlich überflüssig geworden. Sie zog sich zurück. Niemand bemerkte es.
Nach kurzem Zögern klopfte Denise an Renis Tür. Sie fand die junge Frau nicht im Bett, wie sie angenommen hatte, sondern im Sessel am Fenster.
»Geht es dir besser, Reni?«, fragte Denise. »Fehlt dir etwas? Möchtest du Tee oder Kaffee haben?«
»Ich brauche nichts, Denise. Vielen Dank. Meine Kopfschmerzen sind etwas besser geworden. Dr. Volkert hat mir Tabletten gegeben. Zuerst dachte ich, dass sie nicht helfen würden. Aber jetzt fühle ich mich viel freier. Deshalb bin ich auch aufgestanden. Man kommt nur ins Grübeln, wenn man im Bett liegt.«
»Wollen wir ein Stück zusammen spazieren gehen, Reni?«, schlug Denise vor. »Oder ist dir das zu anstrengend?«
»Nein, ein bisschen frische Luft tut mir sicherlich gut.«
Denise war sich durchaus bewusst, welches Risiko sie nun einging. Es bestand die Möglichkeit einer Begegnung mit Manuelas Eltern. Aber verheimlichen ließ sich die Anwesenheit der jungen Spanier vor Reni höchstens noch für ein paar Stunden.
Reni stand mit einer müden Bewegung auf. Ihr Gesicht war an diesem Tag wieder einmal von maskenhafter Starre.
Denise schob ihren Arm unter den der Freundin und ging mit ihr hinaus.
»Herrliches Wetter, nicht wahr?«
»Ja, Denise. Da wird ja ein großer Tisch im Freien gedeckt. Hat eines der Kinder Geburtstag? Habe ich das etwa vergessen?«
»Nein, es gibt eine unvorhergesehene Freude. Magda macht in Windeseile Biskuitrollen zur Feier des Tages.«
»Was wird denn gefeiert?« Renis Frage war ohne sonderliches Interesse.
»Manuelas Eltern sind zurückgekommen, Reni. Das wollte ich dir lieber selbst sagen.«
Reni sah sie an, als verstehe sie nicht, was sie gehört habe. »Manuelas Eltern? Die sind doch verschollen und kommen nicht mehr.«
»Das wusste man nicht genau, Reni. Manuelas Vater war sehr krank, ist aber glücklicherweise wieder gesund geworden. Heute Mittag kamen beide Eltern mit dem Schulbus aus Maibach.«
»Bleiben sie eine Weile? Fahren sie bald wieder weg? Es ist weit bis Spanien, nicht wahr?«
»Aber, Reni, sie arbeiten doch in Maibach. Sie wollen Manuela abholen. Der Aufenthalt der Kleinen war von Anfang an nur für vorübergehend geplant.«
»Sie können Manuela nicht wegholen. Ich will sie doch behalten. Das war längst ausgemacht.«
Denise beobachtete Reni voller Unruhe. Die junge Frau sah starr geradeaus und redete wie im Traum. Ihr war keine Spur von Erregung anzumerken. Das wirkte fast unheimlich.
»Es war nichts ausgemacht, Reni«, wagte Denise einzuwenden. »Wir wussten nur nicht, was aus Manuelas Eltern geworden war.«
»Ich werde das Kind mitnehmen. Nirgends auf der Welt kann Manuela es so gut haben wie bei mir. Vielleicht kaufe ich ein Haus. Das ist ein großes Glück für das Kind. Du musst es den Eltern erklären. Sie werden es einsehen.«
»Ich fürchte, du irrst dich, Reni. Herr und Frau Cortez sind fest entschlossen, ihre Tochter morgen mit nach Maibach zu nehmen. Und Manuela ist glücklich über das Wiedersehen mit ihren Eltern. Wir haben kein Recht, sie zu entwurzeln.«
Reni von Hellendorf zeigte auch jetzt keinerlei Anzeichen von Erregung.
»Ich rede mit ihnen, Denise. Sie werden mir das Kind überlassen. Es sind arme Leute. Ich kann ihnen viel Geld bieten. Sie brauchen sich nicht mehr jahrelang abzuplagen. Sie werden von einem Tag zum andern reich sein. Dann reisen sie natürlich sofort nach Spanien zurück und vergessen das Kind. Gitti gehört mir.«
»Sie heißt Manuela, nicht Gitti«, erinnerte Denise voller Angst. »Das weißt du doch, Reni.«
»Sie wird Gitti heißen. Warte es ab. Sie hört schon lange auf diesen Namen.«
Denise blieb stehen und legte die Hände auf Renis Arme. »Reni, besinne dich auf die Wirklichkeit«, drängte sie. »Du darfst die Augen nicht gewaltsam davor verschließen, dass Manuela Eltern hat und von diesen zurückgeholt wird.«
»Lass mich nur mit ihnen reden, Denise. Es ist gut, dass sie gekommen sind. Ich glaube, sie werden etwas unterschreiben müssen, wenn sie auf ihr Kind verzichten. Das muss mit ihnen besprochen werden.«
»Reni …«
In diesem Augenblick tauchte Manuela mit ihren Eltern auf. Das Kind lachte fröhlich und kam wie ein Pfeil auf Reni zugeschossen.
»Tante Reni, meine Mutti und mein Papa sind gekommen. Morgen fahren wir nach Maibach zurück.«
Reni beugte sich nieder und küsste Manuela. Doch die Starre wich auch jetzt nicht aus ihrem Gesicht.
Nun kamen Maria und Fernando herbei. Denise übernahm die Vorstellung. Man reichte sich die Hände.
»Sie haben sich viel um Manuela gekümmert, Frau von Hellendorf«, sagte Fernando mit der ihm eigenen Würde. »Wir möchten Ihnen dafür danken. Sie spricht ständig von Ihnen.«
Reni nickte mit ernstem Gesicht. »Wir haben uns liebgewonnen, Herr Cortez. Nachher, wenn die Kuchentafel vorüber ist, möchte ich gern etwas mit Ihnen besprechen.«
»Natürlich. Gern, Frau von Hellendorf.«
Denise konnte dem Spanier ansehen, dass er diese Zusage nicht ohne Bedenken gab. Wahrscheinlich ahnte er, dass ihm möglicherweise eine schwierige Auseinandersetzung bevorstand.
Vom Haus her erklangen nun laute Rufe. Der Kakao war fertig, und die frischen Biskuitrollen standen schon auf den Tischen.
Manuelas unbefangene Fröhlichkeit täuschte kaum über die Spannung hinweg, die plötzlich entstanden war. Es gab eine kleine Unstimmigkeit wegen der Tischordnung. Henrik wollte unbedingt neben Reni sitzen, für die er nach wie vor auf seine Weise schwärmte. Reni ihrerseits mochte sich nicht von Manuela trennen, deren Eltern das Kind jedoch gern in ihre