Sophienlust Paket 3 – Familienroman. Patricia Vandenberg

Sophienlust Paket 3 – Familienroman - Patricia Vandenberg


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Marianne. »Das ist aber eine Überraschung. Bleiben Sie wieder da?«

      »Leider noch nicht, Marianne. Aber ich möchte Sie bitten, mir beim Packen zu helfen.«

      »Natürlich, gnädige Frau.« Marianne sah sie ernst an. »Ich habe noch immer keine Ahnung, wo Oliver ist. Es ist auch kein Brief gekommen, der mir hätte Aufschluss geben können.«

      »Ich nehme an, dass mein Mann sich solche Briefe ins Werk schicken lässt.«

      Als sie die Treppe hinaufstiegen, liefen Gesa nun doch helle Tränen über die Wangen. Bevor sie das Schlafzimmer betrat, in dem sie so viele glückliche Stunden mit Clemens verlebt hatte, ging sie noch in Olivers Zimmer.

      Aufschluchzend setzte sie sich auf den niedrigen Kinderhocker. Marianne stand still neben ihr und ließ sie weinen. Endlich versiegten Gesas Tränen. Sie erhob sich und nahm eins von Olivers Stofftieren vom Regal. Es war ein kleiner schwarzer Pudel. »Den nehme ich mit, Marianne. Ich werde Oliver schon finden«, fügte sie hinzu. »Aber jetzt werde ich meine Sachen einpacken.«

      *

      Renate Vogt entging nicht die Nervosität ihres Chefs. Es fiel ihm sichtlich schwer, sich auf die Arbeit zu konzentrieren. Doch Geduld gehörte zu Renates stärksten Charaktereigenschaften. Still saß sie vor der elektrischen Schreibmaschine und betrachtete intensiv ihre langen rotlackierten Fingernägel.

      Clemens lief wie ein gereizter Tiger umher. Zwischendurch verhielt er immer wieder seinen Schritt und lauschte nach oben. Er hörte deutlich die Schritte im Schlafzimmer.

      Plötzlich hielt er es nicht mehr aus. »Fräulein Vogt, ich habe eine gute Idee. Fahren wir doch irgendwohin. In ein Gartenrestaurant.«

      »Die Idee ist wirklich gut.« Sofort deckte sie die Schreibmaschine zu und folgte ihm dann.

      *

      Gesa fuhr zusammen, als sie ein Auto fortfahren hörte. Aber sie sagte kein Wort. Sie wusste nur, dass sie an diesem Abend wieder zwei Schlaftabletten nehmen würde, um nicht die halbe Nacht wach zu liegen und zu grübeln.

      Marianne weinte ein bisschen, als Gesa sich von ihr verabschiedete. Dann fuhr Gesa los. Zuerst brachte sie die beiden Koffer in ihr Zimmer, danach ging sie zu der Inhaberin der Fremdenpension und sagte ihr, dass sie für ein paar Tage verreisen wolle. »Ich behalte das Zimmer hier aber auf alle Fälle«, fügte sie hinzu und bezahlte eine Woche im Voraus.

      Dank der Schlaftabletten schlief Gesa wieder bis zum nächsten Morgen durch. Nach dem Frühstück packte sie ihren kleinen Koffer und verabschiedete sich von der Pensionsinhaberin. »Ich fahre zu meiner Freundin nach Hamburg«, erklärte sie. »In ungefähr einer Woche bin ich wieder da.«

      »Gut, Frau Wendt.« Die ältere Dame sah ihr sinnend nach, als Gesa den Korridor entlangging und die Wohnung verließ.

      *

      Ulla Sanders besaß eine komfortable Eigentumswohnung in einem modernen Appartementhaus in Hamburg. Von fast allen Fenstern hatte man einen herrlichen Blick auf die Alster.

      Ulla war seit einem Jahr geschieden. Als sie festgestellt hatte, dass ihr Mann sie betrog, hatte sie kurzen Prozess gemacht. Es kümmerte sie auch nicht, dass Klaus Sanders versuchte, sie wieder für sich zu gewinnen. Inzwischen hatte sie festgestellt, dass sie auf diese Weise sehr viel glücklicher lebte. Sie hatte einen fantastischen Job in einer Stofffirma als Dessinateurin. Ihre Musterentwürfe fanden reißenden Absatz, so dass sie sehr gut verdiente. Außerdem bekam sie jeden Monat einen Scheck von ihrem geschiedenen Mann, der als bekannter Innenarchitekt ebenfalls sehr gut verdiente.

      Vor ein paar Tagen war Ulla aus dem Krankenhaus entlassen worden. Sie fühlte sich aber nach der Operation noch recht schlapp. Deshalb lag sie an diesem warmen Nachmittag auf der Terrasse und döste vor sich hin.

      Am Vormittag war Klaus bei ihr gewesen. Wenn sie über ihn nachdachte, musste sie zugeben, dass er nach wie vor sehr fürsorglich war. Jeden Tag hatte er ihr Blumen ins Krankenhaus geschickt. Auch hatte er sie bei ihrer Entlassung abgeholt und nach Hause gefahren. Trotzdem würde sie ihn nicht noch einmal heiraten, überlegte sie.

      Das Läuten an der Tür riss Ulla aus ihren Gedanken. Ob Klaus noch einmal kam? Oder ob Dr. Klinger sie vielleicht besuchte? Seit kurzem war er ihr neuer Chef. Dass sie ihm gefiel, zeigte er deutlich. Auch sie fand ihn nett – aber eben nur nett.

      Ulla erhob sich und schlüpfte in ihren bodenlangen Hausmantel aus dunkelgrünem Kordsamt. Der breite Gürtel betonte noch ihre schmale Taille. Nach einem Blick in den Spiegel stellte sie fest, dass sie zwar noch recht blass, aber sehr hübsch aussah.

      Dann öffnete sie die Tür. »Du bist es?«, fragte sie erstaunt. »Und was machst du für ein Gesicht? Krach gehabt? Mach’ dir nichts daraus. Das kommt in der besten Ehe vor.« Sie griff nach Gesas Hand und zog Gesa in die Diele. »So mach’ doch endlich den Mund auf«, bat sie fröhlich.

      »Es ist alles aus.« Gesa fiel ihrer Freundin um den Hals. »Er weiß alles.«

      »Du sprichst in Rätseln. Meinst du deinen Mann? Was weiß er? Doch nicht, dass du …« Sie sprach nicht weiter.

      »Er weiß von dem Kind. Das Leben leistet sich oft grausame Zufälle, Ulla. Ausgerechnet Gerhard Winkler arbeitet seit kurzem in seinem Werk.«

      »Der Gerhard Winkler, der mit Mathias befreundet war?« Ulla schüttelte den Kopf. »So etwas kann es doch nicht geben.«

      »Doch, es ist so.« Gesa zog ihre Jacke aus. »Hast du einen Drink für mich?«

      »Habe ich. Armes Kleines! Du siehst erbärmlich aus. Und dann weiß Clemens auch von dem Kind? Ich finde, es ist eine Gemeinheit von diesem Winkler, dass er das deinem Mann erzählt hat. Ich hätte ihm gehörig die Meinung gesagt.« Ulla füllte zwei Gläser mit Whisky. »Ich weiß, ich soll noch keinen so starken Alkohol trinken. Aber die Ärzte sagen viel.«

      »Ach ja, wie geht es dir denn?«

      »Prima. Wenn ich daran denke, dass ich heute schon im Grab hätte liegen können, muss ich für jede Stunde meines neugeschenkten Lebens dankbar sein.« Sie lachte leise. »Die Ärzte haben mir tüchtig die Leviten gelesen, weil ich mit der Operation so lange gewartet habe. Mit einem Blinddarmdurchbruch sei nicht zu scherzen, meinten sie. Aber nun wieder zu dir. Da sind Zigaretten. Bediene dich. Erzähl mir alles.«

      Gesa schüttete ihrer besten Freundin das Herz aus. Still hörte Ulla ihr zu.

      »Das sieht schlecht aus«, gab sie dann zu.

      »Ich lasse mich nicht scheiden!«, rief Gesa leidenschaftlich. »Ich bin sicher, dass Clemens eines Tages einsieht, wie unrecht er mir getan hat. Gut, ich habe ihm das Kind verschwiegen. Aber ich tat es doch nur aus Angst, ihn zu verlieren. Allerdings ist Renate Vogt eine Gefahr. Ich glaube, sie möchte Clemens haben. Aber da wird sie lange warten müssen.« Gesa schluchzte auf. »Was soll ich nur machen, Ulla?«

      »Erst einmal bleibst du für ein paar Tage bei mir. Ich wollte sowieso einige Tage ans Meer fahren. Ja, wir fahren nach Borkum. Der Wetterbericht ist gut. Wir werden uns zunächst einmal richtig erholen. Deine Nerven müssen zur Ruhe kommen. Dann erst sollst du eine endgültige Entscheidung treffen.«

      »Was auch geschehen mag – auf Oliver werde ich niemals verzichten«, erwiderte Gesa leise.

      »Das wird Clemens auch nicht verlangen. Ich kenne ihn nur als gütigen und verständnisvollen Menschen, der dich außerdem liebt.« Ihre graublauen Augen zeigten einen sehnsüchtigen Glanz. »Ich habe dich immer um ihn beneidet. Und ich bin auch heute noch der Meinung, dass er zu den wenigen Ehemännern gehört, die einer Frau treu bleiben können.«

      »Das hatte ich bisher auch geglaubt.« Gesa trocknete ihre Tränen. »Aber nun bin ich dessen nicht mehr sicher. Seine Sekretärin, Fräulein Vogt, ist sehr hübsch und legt es offensichtlich darauf an, ihn für sich zu angeln.«

      »Das kann ich mir nicht vorstellen. Ich meine, dass Clemens Interesse für sie hat. Aber reden wir nicht mehr darüber. Selbst wenn er in seiner Enttäuschung ihren Reizen erliegen sollte, wäre das noch kein Beinbruch. Er liebt dich.


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