Sophienlust Paket 3 – Familienroman. Patricia Vandenberg

Sophienlust Paket 3 – Familienroman - Patricia Vandenberg


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Er konnte über sein Konto verfügen. Ich hatte dies alles nicht bedacht. Ich habe versagt.«

      »Rede dir das doch nicht ein. Süchtige sind nicht aufzuhalten«, sagte Mintje.

      »Dave starb in meiner Wohnung. Violet war da. Er wollte, dass ich ihm eine Spritze gebe. Ich gab sie ihm nicht. Da sagte sie, ich hätte ihn umgebracht. Sie wusste, dass sie nun nicht mehr alles bekommen würde, was sie sich wünschte. Sie wollte mich erpressen, da rief ich die Polizei an. Violet war ihnen keine Unbekannte mehr. Sie wurde zu einem Jahr Gefängnis verurteilt. Für mich hatte es keine Folgen, als ich meine Stellung kündigte. Seit dieser Zeit lebe ich hier. Und nun hat sie mich gefunden.«

      »Was wirst du jetzt tun?«, fragte Mintje.

      »Sie in eine Entziehungsanstalt bringen. Jetzt ist sie süchtig.«

      »Weißt du, wohin du sie bringen kannst?«, fragte Mintje besorgt.

      Harald nickte nur stumm.

      »Wo nur Dr. Hagedorn bleibt«, meinte Mintje, als der Wagen davonfuhr. »Es wird ihm doch nichts passiert sein?«

      Er kam wenig später, todmüde und kaum fähig zu sprechen. »Es war eine schwere Geburt«, sagte er. »Liegt noch etwas vor, Mintje?«

      »Nein, es ist alles in Ordnung«, erwiderte sie, aber ihre Stimme zitterte noch immer.

      »Kann ich etwas für Sie tun?«, fragte Mintje den Arzt.

      »Wenn ich auch einen Grog haben könnte?«, fragte er, die Gläser auf dem Tisch betrachtend. Er hatte ja keine Ahnung, welche dramatischen Situationen sich hier abgespielt hatten.

      »Sofort«, sagte Mintje.

      Dr. Hagedorn nahm sein Glas und verschwand mit einem kaum noch vernehmbaren Gutenachtgruß.

      »So ist es meinem Doktor oft ergangen«, sagte Mintje leise zu sich selbst. »Und nun? Was wird nun?«

      *

      Für Dodo brachte der Morgen ein schönes Erwachen. In dem anderen Bett, das in ihrem Zimmer stand, schlief Julia, zwischen ihnen lag Hannibal.

      Er hob den Kopf und blinzelte, als Dodo leise aus ihrem Bett stieg. Nicht das leiseste Geräusch machte sie. Auf Zehenspitzen schlich sie zu Julias Bett und blieb still davor stehen. Unverwandt betrachtete sie das gelöste Gesicht.

      Eine ferne Ahnung kam ihr, dass sie mehr wünschte, Julia sei ihre Mutti, als dass sie es tatsächlich war. Aber der Wunsch war stärker als jeder Zweifel, und nun hatte sie die Gewissheit, dass Julia ihre Mutter sein wollte. Allein das war wichtig.

      Wie von ungefähr waren Dodos Erinnerungen gekommen an die Zeit, als sie manchmal zu ihrer Mutti ins Bett kriechen durfte. Sie hatte oft im Bett gelegen. Dodo hatte sie dann ganz genau betrachtet. Unterhalb ihres linken Ohrläppchens befand sich ein kleiner runder Leberfleck. Sie hatte immer wissen wollen, woher der kam, und den suchte sie bei Julia vergebens.

      Sie konnte jetzt die linke Seite ihres Gesichtes genau sehen. Die Morgensonne, die zum Fenster hereinfiel, lag genau auf ihrem Gesicht. Aber eine Haarsträhne lag über der Wange. Vielleicht verdeckte die das Pünktchen? Ganz behutsam strich Dodo die Strähne zurück.

      Julia seufzte und schlug die Augen auf. »Dodo«, flüsterte sie, »wie spät ist es denn schon?«

      »Noch nicht spät«, sagte Dodo. »Die Kinder schlafen noch. Darf ich zu dir ins Bett kriechen?«

      »Na, dann kriech mal«, sagte Julia.

      Dodo war blitzgeschwind neben ihr. Sie kuschelte ihren Kopf an Julias Schulter.

      »Du riechst so gut«, sagte sie. »So riecht dein Bett auch.« Ganz still lagen sie eine Weile nebeneinander. Dodo blickte unentwegt auf Julias linke Wange. Sie konnte keinen Leberfleck entdecken.

      »Möchtest du, dass ich dein Kind bin?«, fragte sie.

      Julias Arm legte sich noch fester um sie. »Du bist doch mein Kind.«

      »Für immer?«, fragte Dodo.

      »Für immer«, erwiderte Julia.

      Dodo küsste sie auf die Stirn, auf die Augen und auf die Wangen. »Ich kann es immer noch nicht glauben«, sagte sie mit einem tiefen Seufzer.

      »Du sollst es aber glauben, Dodo.«

      »Ich bin dein Kind für immer«, sagte Dodo andächtig.

      *

      Denise wusste nicht, wie ihr geschah, als Dodo ihr entgegengestürmt kam und sie umarmte.

      »Ich danke dir, Tante Isi. Ich danke dir so sehr«, sagte sie.

      »Wofür denn, Dodo?«

      »Dass Mutti bei mir schlafen durfte.«

      »Wenn es dich nur freut«, sagte Denise weich und streichelte ihr Köpfchen.

      »Es war ein so schöner Morgen«, sagte Dodo. »Ihr seid alle so lieb. Darf ich dir mein Bild schenken, Tante Isi?«

      »Das würde mich sehr freuen.«

      »Du magst es doch wirklich? Ich könnte dir auch ein anderes malen. Eines, wo die Sonne scheint wie heute.«

      »Ich mag das Bild sehr«, sagte Denise.

      »Ich bleibe noch bei euch, bis Mutti und Onkel Harald heiraten. Da kann ich noch viele Bilder malen. Findest du es schön, dass Onkel Harald mein Vati wird?«

      »Du könntest dir keinen Besseren wünschen, Dodo.«

      Denise blickte Julia an, die nun langsam näherkam. Hannibal ging an ihrer Seite. Sie waren gestern nicht mehr dazu gekommen, ein Gespräch miteinander zu führen. Dodo war nicht von Julias Seite gewichen, so wie Hannibal jetzt. Aber es gab wohl gar nicht mehr viel zu reden. Mit sicherem Instinkt wusste Denise, dass Julia Pahlens Leben fortan unlöslich mit dem des Kindes verbunden sein würde. Und dazu Harald Gottschalk! Wenn diesmal Sophienlust auch nur eine nebensächliche Rolle spielte, so war doch der Weg hierher für Dodo zum Glück geworden.

      »Ich habe Tante Isi schon gesagt, dass du Onkel Harald heiratest, Muttichen«, versicherte Dodo eifrig. »Ich durfte es doch sagen?«

      »Ich freue mich«, sagte Denise. »Für Sie alle freue ich mich. Für dich natürlich auch, Hannibal«, fügte sie hinzu, als er sie mit der Nase stupste.

      Denise dachte nicht daran, dass noch ein Schatten auf dieses Glück fallen könnte.

      Dr. Hagedorn war sehr überrascht, Harald am nächsten Morgen im Sprechzimmer vorzufinden, denn auch Mintje hatte sich noch nicht blicken lassen, was ihn sehr besorgt stimmte.

      »Sie sind schon zurück?«, fragte er.

      Wäre Harald etwas mehr bei der Sache gewesen, so wäre ihm aufgefallen, dass es fast enttäuscht klang. Aber die zwei Stunden Schlaf, die er sich gegönnt hatte, reichten nicht aus, die Müdigkeit aus seinen Gliedern und seinem Kopf zu vertreiben.

      »Sie waren gestern lange unterwegs«, sagte Harald. »Wie ging es denn so?«

      Klaus Hagedorn lächelte flüchtig. »Eigentlich recht gut. Gestern war es ziemlich anstrengend. Frau Petersen hat Zwillinge bekommen.«

      »Da wird die Freude aber groß sein«, sagte Harald, doch seine Stimme klang freudlos.

      »Ich habe mich gerade richtig eingelebt«, bemerkte Dr. Hagedorn. »Man betrachtet mich nicht mehr als Fremden.«

      Nun horchte Harald auf. »Setzen wir uns«, sagte er. »Oder machen wir uns erst einen Kaffee. Mintje muss sich ausschlafen. Sie ist sehr spät ins Bett gekommen.«

      Aber nun war Mintje doch schon zur Stelle. Der Frühstückstisch war gedeckt. Sie verzog sich wieder in die Küche. Blass war sie und schweigsam.

      »Ist sie krank?«, fragte Dr. Hagedorn.

      »Nein, es hat nur einige Aufregungen gegeben«, erwiderte Harald ausweichend. »Das betrifft nicht Sie. Auch bei mir wird sich einiges ändern.«


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