DIE LANZE (Project 2). Alex Lukeman
Kondome, Sandalen und eine Wasserflasche.
Außerdem waren da noch zwei Bücher. Das eine war ein beliebtes Taschenbuch, das Hostels und Restaurants in Israel auflistete. Das andere war ein gebundener Reiseführer zu den heiligen Stätten in Jerusalem.
Ibrahim öffnete den Reiseführer. Darin befand sich ein Hohlraum, um die Bombe zu verbergen. Das neue Gemisch, das sein Gast zur Verfügung gestellt hatte, war ein Wunder der Technik. Fünfzig Mal stärker als konventionelles Semtex oder C-4. Es hatte die Farbe von Sand oder altem, vergilbtem Kalkstein und konnte ganz nach Bedarf geformt werden. Es schien klein zu sein, aber die Explosionskraft war verheerend. Auch war es durch aktuelle Methoden nicht ausfindig zu machen. Nicht einmal die Hunde würden es wahrnehmen.
Das Buch war gut abgegriffen, wirkte unschuldig. Die Seiten verbargen eine Isolierung, die selbst vor einer Entdeckung durch anspruchsvollste elektronische Geräte schützte. Natürlich bestand immer eine Chance, trotzdem entdeckt zu werden. Die Juden und die Amerikaner waren gut im Kampf gegen den Terrorismus. Ibrahim nahm an, die Bombe war für einen der beiden gedacht.
Ibrahim interessierte es nicht, ob die Bombe erfolgreich war. Auch war im egal, wo oder wie die Bombe genutzt würde. Er wusste, sie war gut. Seine Arbeit war getan. Er platzierte die Bombe in dem Buch und fixierte die Seiten, so würde bei flüchtiger Betrachtung niemandem etwas auffallen. Er schlug das Buch zu und verstaute es im Rucksack.
Der eindringliche Klang des Gebetsrufes drang aus Lautsprechern vom Dach der Umayyaden-Moschee und hallte durch die Straßen der altertümlichen Stadt. Ibrahim würde zur Moschee gehen und seine Beziehung zu Gott auffrischen. Der andere konnte tun, was immer er wollte.
»Gut gemacht, mein Bruder.« Die Stimme seines Kunden war ruhig, tonlos. »Allah wird Sie im Jenseits entlohnen.«
»Da ist erst mal noch immer dieses Leben, oder? Sie haben die Bezahlung mitgebracht?«
»Natürlich. Ich habe sie hier.«
Der Besucher griff unter sein Jackett, holte eine 22er Ruger Automatik mit Schalldämpfer hervor und schoss Ibrahim in die Stirn. Der Mund des Bombenmachers formte ein stilles »Oh«. Seine Augen öffneten sich weit und rollten nach oben. Der Besucher feuerte eine weitere Kugel in das linke Ohr des Syrers, ein Flüstern so sanft wie der Atem eines Babys. Der Körper stürzte seitwärts vom Stuhl auf den Boden. Blut lief in einem Rinnsal auf das abgenutzte vernarbte Linoleum.
Der Besucher bückte sich und wischte einige Blutspritzer von der Spitze eines seiner glänzenden schwarzen Schuhe. Er nahm den Rucksack und verstaute ihn in einer Einkaufstasche aus Stoff. Er schaltete ein kleines Radio ein, das auf dem Tisch stand. Die rhythmischen Töne einer Oud und von Trommeln füllten den Raum mit Geräuschen voller Leben. Ibrahims Nachbarn würden noch für einige Zeit nichts bemerken.
Der Syrer war eine hilfreiche Unterstützung gewesen, aber jede mögliche Spur zu dem, was geschehen würde, alle losen Enden, mussten eliminiert werden. Ibrahim war ein loses Ende gewesen.
Die sogenannte Nation von Israel würde bald aufhören zu existieren. Alles, was es bedurfte, um diesen Prozess in Gang zu setzen, war diese eine kleine Bombe. Der Besucher schloss die Tür des Apartments hinter sich, stieg die Treppen hinunter zu der gepflasterten Gasse und pfiff dabei leise vor sich hin.
Kapitel 2
Nicholas Carter sah Elizabeth Harker an und dachte: Würde es Elfen geben, dann sähen diese vermutlich aus wie Elizabeth. Sie war von schmaler Statur und schlank, hatte milchweiße Haut und winzige Ohren, die sich unter ihrem rabenschwarzen Haar versteckten, und große, grüne Augen. Sie trug einen schwarzen Hosenanzug und eine weiße Bluse mit Mao-Kragen. In den zwei Jahren, die er für sie arbeitete, hatte er sie noch nie etwas anderes tragen sehen als Schwarz und Weiß.
Harker leitete das Project, das PResidential Official Joint Exercise for Counter Terrorism, die offizielle, gemeinsame Terrorismusbekämpfungsabteilung des Präsidenten. Sie war Nicks Boss. Ihr Boss war der Präsident.
Auf Harkers Schreibtisch befanden sich ein silberner Stift, ein Bild der brennenden Twin Towers und eine Aktenmappe. Der Stift hatte einmal FDR gehört. Das Bild war eine stetige Ermahnung. Die Mappe würde vermutlich den Verlauf seines Tages beeinflussen. Für Harker zu arbeiten bedeutete, nie zu wissen, ob er am Ende des Tages an einem Abgrund stehen und sich fragen würde, ob es wohl einen Weg zurückgäbe.
Er hörte Harker sagen: »Jemand plant, im Mittleren Osten Unruhe zu stiften.«
»Es plant immer jemand, im Mittleren Osten Unruhe zu stiften. Was ist in diesem Fall anders?«
Er kramte eine bröselige Magentablette aus seiner Tasche und warf sie sich in den Mund. Carter fühlte, wie sich Kopfschmerzen ankündigten. Harker griff nach dem silbernen Stift und fing an, damit auf die polierte Oberfläche ihres Tisches zu tippen. Jedes Tippen vibrierte in seinem Schädel.
»Der Präsident hält am Donnerstag eine Rede in Jerusalem. Wir haben einen Informanten, der sagt, dass es Probleme geben wird. Er möchte ein Treffen von Angesicht zu Angesicht.«
Carter zupfte an seinem verstümmelten linken Ohr, wo eine chinesische Kugel vor einigen Monaten sein Ohrläppchen durchschlagen hatte. Der Verband war inzwischen ab. Mit Verband hatte es allerdings besser ausgesehen.
Es war dasselbe Ohr, das anfing zu jucken, wann immer Dinge im Begriff waren, heikel zu werden – sein ganz persönliches Frühwarnsystem. Jetzt juckte es. Ein Geschenk – oder ein Fluch – das er von seiner irischen Großmutter geerbt hatte, zusammen mit Träumen, auf die er gern verzichten könnte.
»Haben Sie das an Langley weitergegeben? Was sagen die?«
»Ich soll mich raushalten und diese Dinge den Profis überlassen.« Ihre Stimme klang gereizt. »Lodge sagt, es gibt keinen Grund zur Beunruhigung.«
Wendell Lodge, amtierender Direktor des CIA.
»Er sagt, er und seine israelischen Entsprechungen haben alles unter Kontrolle.«
»Mossad?«
»Und Shin Bet.«
»Was ist Shin Bet?«, fragte Selena.
Selena Connor saß neben Carter auf Harkers Ledercouch. Die Deckenbeleuchtung fing die rötlich-blonde Farbe ihrer Haare ein und ließ ihre Augen violett erscheinen. Sie trug ein bräunliches Seidenoutfit und eine blasse Bluse, die zu ihren Augen passte. Sie war die erste Frau, die Nick nach dem Tod von Megan an sich rangelassen hatte. Er wusste nicht, wo das hinführte; oder ob er überhaupt wollte, dass es irgendwo hinführte. Sie war neu im Team. Sie hatte also noch viel zu lernen, und das bereitete ihm jede Menge Sorgen.
Selena strich sich eine vereinzelte Haarsträhne aus der Stirn.
Harker sagte: »Shin Bet ist Israels Version des FBI, auf Steroiden. Sie sind für die interne Sicherheit und Terrorismusbekämpfung zuständig. Mossad ist der Auslandsgeheimdienst, wie MI6 oder CIA.«
Carter blickte auf seine Hände und pulte an einem gebrochenen Fingernagel. »Lodge ist ein narzisstischer, verschlagener Bastard.«
»Was auch immer er ist, er wird uns nicht zurückhalten. Sie fliegen nach Israel. Wenn Sie etwas entdecken, das die Sicherheit von Rice bedroht, dann informieren Sie Shin Bet und den Geheimdienst. Die haben das Personal, lassen Sie die sich drum kümmern. Sie reisen heute ab.«
»Ich wollte mir schon immer mal Jerusalem ansehen. Vielleicht kann ich ja ein wenig Sightseeing dazwischenschieben.«
Sie legte den Stift auf den Tisch und faltete ihre Hände. »Das ist kein Urlaub, Nick. Sie sind als Teil des Teams mit dem Präsidenten untergebracht, in einem Hotel gleich außerhalb der Altstadt. Die Israelis lassen Sie möglicherweise nicht Ihre Waffe behalten. Die sind da empfindlich und Sie gehören nicht zum Geheimdienst.«
»Wer ist unser Informant dort?«
»Sein Name ist Arshak Arslanian. Er hat ein Geschäft im Armenischen Viertel.« Sie schob die Aktenmappe über den Tisch zu ihm. »Sein Bild und seine