MACHETE - Der Passat-Killer von Hawaii. Robert W. Walker

MACHETE - Der Passat-Killer von Hawaii - Robert W. Walker


Скачать книгу
vernünftiges Handeln schließen lassen. Natürlich hatte Parry Interesse an den greifbaren Beweisen, die von dem Killer hinterlassen wurden, wenn es denn welche gab, aber selbst wenn es sie gab, war er mehr daran interessiert, welche indirekten Schlüsse man daraus am Tatort ziehen konnte, von denen jeder ein kleiner Teil des Schlüssels zum Denken des Killers war. In diesem Fall des Passat-Killers, den die Leute im Labor mittlerweile den Macheten-Mörder nannten, gab es keine greifbaren Indizien – nicht ein Fitzelchen, solange, bis der verstümmelte Arm von Linda Kahala aufgetaucht war. Außerdem gab es bisher auch keinen Tatort an sich, nur einen Ablageort, und selbst der war nicht gewöhnlich, denn er war unzugänglich. James Parry wollte Sicherheit haben: »Gibt es irgendwelche Anzeichen, die auf ritualistische, sadistische oder pseudosexuelle Handlungen am Opfer hinweisen?«

      »Wofür halten Sie mich denn bitte, Parry? Eine Magierin? Bei dem wenigen, womit ich arbeite, kann ich unmöglich all diese Fragen beantworten. Finden Sie mehr von Linda Kahalas Leiche, dann vielleicht … nur vielleicht …«

      Sie verstand natürlich sein brennendes Interesse, all diese Fragen beantwortet zu bekommen: Nahm sich der Mörder Zeit oder beeilte er sich? Welche Einsichten in den Geist des Killers könnte man am Tatort gewinnen? Was dachte er vorher, währenddessen, hinterher?

      Wie es ihr Vater einmal ausgedrückt hatte: »Um den Künstler zu verstehen, muss man sich zuerst sein Werk ansehen.« Otto Boutines Profiling-Team hatte ihr beigebracht, dass der Killer zuerst in die Kategorien »organisiert« und »unorganisiert« eingeteilt wurde, und dass diese Eigenschaften Symptome des ordentlichen oder unordentlichen Verhaltens an den Tatorten waren und einen Straftäter viel eher definierten als die Art von Waffe, die er verwendete, oder das Kaliber an Patronen, das er bevorzugte. Zuckerrohrmesser gab es auf dieser Insel wie Sand am Meer.

      »Bisher kann ich Ihnen sicher sagen, allein angesichts der Verstümmelung am Arm selbst, der ritualistischen Natur der Hiebe und den Schnittspuren an den Knochen, dass er definitiv auf sie einhackt, solange sie noch leben. Wir sind auch davon überzeugt, solche Brutalität bedeutet, dass er sicher weitermacht. Er genießt es.«

      »Das ist also der Grund für den gleichbleibenden Opfertyp. Er sucht nach Opfern, die diesen besonderen Look haben.« Parry sagte das wie als Bestätigung dessen, was er sowieso schon glaubte.

      »Wenn das Töten ein solches Gemetzel ist, dann ist es entweder ein Verbrechen aus Leidenschaft oder aus psychosexueller Leidenschaft.«

      »Psychosexuelle Leidenschaft?«

      »Ein Begriff, den wir gerade beim FBI eingeführt haben, für all die Soziopathen, die Menschen zerstören aufgrund der Anziehungskraft eines Ideals oder einer Fantasie, die untrennbar mit ihrer emotionalen Krise verwoben ist.«

      »Leidenschaft klingt bei diesem Bastard fast wie ein Schimpfwort.«

      »Es gibt zwei Seiten jeder Leidenschaft, Inspector.«

      »Ja, das stimmt wohl.«

      »Wir müssen seinen Unterschlupf finden, den Ort, an dem er tötet, wo er seine Fantasien auslebt.« Sie fuhr mit der rechten Hand ihren steif gewordenen Hals entlang.

      »Machen Sie sich da mal nicht allzu viele Hoffnungen.«

      Sie sah ihn erstaunt an.

      »Sie wissen genauso gut wie ich, dass die Chancen für unseren Serienkiller nicht schlecht stehen, wie so viele andere niemals geschnappt zu werden«, sagte Parry. »Noch wahrscheinlicher als eine Verhaftung ist, dass er einen kompletten mentalen Zusammenbruch erleidet.«

      »Und heimlich, still und leise in eine Anstalt wandert«, stimmte sie leise zu.

      »Die meisten glauben, das sei mit Jack the Ripper passiert, der ebenfalls Prostituierte getötet hat.«

      Sie biss sich nachdenklich auf die Lippe, stützte den Kopf auf die Hände und fragte: »Glauben Sie, dass sie alle Prostituierte waren? Inklusive Linda Kahala?«

      »Wenn nicht, dann wurde sie fälschlich für eine gehalten. Schwer zu sagen, ob sie bereits in die Szene abgeglitten war.«

      Sie zeigte ihm die Belege, dass die verwaiste Gliedmaße einmal zu Linda gehört hatte, und erzählte ihm dann von Kahalas Blut auf Kaniolas Hand. Die Information schien ihn zu schockieren und löste eine ungewöhnliche Stille aus.

      »Dann hatte der alte Joe Kaniola recht, dass sein Sohn der Einzige war, der diesen Bastard jemals aus der Nähe gesehen hat. Wenn es ihr Arm ist, dann muss der Killer gerade dabei gewesen sein, ihre Leiche loszuwerden, als Kaniola und Hilani ihn überrascht haben.«

      »Scheint so.«

      Parry überlegte weiter. »Aber wie hat Kaniola ihr Blut auf seine Hand gekriegt?«

      »Das sollten wohl Sie herausfinden. Er folgte einem verdächtig aussehenden Wagen, richtig?«

      Parry dachte an die Aufnahmen des Gesprächs über Funk, die er sich mittlerweile endlos oft angehört hatte. Hilani und Kaniola hatten sich gegenseitig ein wenig aufgezogen und ihr freundliches Geplänkel hatte mit ihren letzten Worten auf dieser Erde geendet.

      »Ja, der Wagen, dem sie gefolgt sind.«

      »Der Wagen, die Kleidung des toten Mädchens, die Leiche des toten Mädchens – das sind alles Möglichkeiten«, schlug sie vor.

      »Also greift Kaniola in den Wagen, berührt das tote Mädchen oder ihre Kleidung, natürlich … natürlich.«

      »Scheint mir eine sehr wahrscheinliche Einschätzung.« Sie hatte ein Glitzern in den Augen, wie ein kleines Mädchen, und einen beschwingten Tonfall.

      »Sie haben noch was anderes gefunden, oder nicht?«

      »Es waren ein paar Stofffasern auf seiner Uniform und an seiner linken Hand, in dem geronnenen Blut. Alle Fasern stimmen überein. Jetzt müssen wir nur Linda Kahalas Kleidung finden, sie von den Verwandten identifizieren lassen und sie miteinander vergleichen.«

      »Ist das alles?«

      »Lassen Sie Scanlons Leute die Gegend um den Koko Head durchsuchen, mal sehen, ob die irgendwas finden.«

      »Wieso hätte er die Kleidung nicht einfach mit den Körperteilen zusammen ins Blow Hole werfen sollen?«

      »Das Risiko ist zu groß, dass was schiefgeht, dass sie vom Wind davongetragen werden, neben dem Loch landen. Außerdem, wenn er ein Purist ist, dann schickt er seine Opfer nackt auf die andere Seite.«

      »Purist?«

      »Der Typ lebt in einer durchgeknallten Fantasiewelt – ich will gar nicht behaupten, ich würde sie verstehen, aber man kann wohl sagen, dass er auf Opferungen steht. Normalerweise werden Menschenopfer auf dieselbe Weise aus der Welt geschickt, in der sie sie betreten haben: nackt.«

      »Das ist Ihre Sicht der Dinge?«

      »Kaniola kommt vorbei, findet die Kleidung im Auto und während er und Hilani sie untersuchen und zu spät merken, was sie da in Händen halten, überrascht er sie. So sehe ich das.«

      »Ziemlich ausgeklügelt.«

      »Mit Sicherheit der erste verdammte verräterische Hinweis von diesem Kerl in all der Zeit, und völlig unbeabsichtigt. Er ist kühl und berechnend, ziemlich organisiert, wenn es darum geht, die beiden Cops vom HPD auszuschalten, und hat in all den Jahren keinerlei Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Er ist anscheinend ziemlich intelligent.«

      »Das hatte ich mir schon gedacht.« Parry ging im Büro auf und ab, sein Verstand raste, jetzt wo er die ersten forensischen Fakten hatte, um sein bisher eher fragiles Netz an Vermutungen zu stützen.

      Weil der Killer unter die Kategorie organisiert fiel, konnten sie mit einiger Sicherheit vorhersagen, dass er zumindest teilweise auf das Profil passen würde, wenn er geschnappt wurde. Anders als Hellseher behaupteten sie nicht, in das Herz und den Verstand eines Killers blicken zu können, sondern sie nutzten bekannte Fakten und Informationen von Serienkillern in Haft wie John Wayne Gacey, Jeffrey Dahmer, Gerald Ray Sims, bevor er sich in der Haft umgebracht hatte, dem hingerichteten Ted


Скачать книгу