MACHETE - Der Passat-Killer von Hawaii. Robert W. Walker

MACHETE - Der Passat-Killer von Hawaii - Robert W. Walker


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er keines findet, dann geht er nach Hause und öffnet seine Kiste mit den wertvollen Sammelstücken – eine Sammlung an Schlüsseln, Lippenstiften, Unterwäsche, Ohrringen, Halsketten und Körperteilen.«

      »Das HPD hat eine Menge übernächtigter Detectives da draußen auf den Straßen, besonders entlang der Ala Moana, Kalakaua, Kuhio und der Ala Wai. Die befragen Zuhälter, Freier, Taxifahrer, Angestellte in den Geschäften und Restaurants in der Nähe, jeden, der einem so einfällt. Meine eigenen Leute haben schon 300 Stunden da draußen runtergerissen und das hat nichts ergeben. Es ist, als sei der Typ ein Magier, lässt sie einfach vor aller Augen verschwinden.«

      »Ja, ich hab gesehen, wie voll die Straßen waren, in der Nacht, als wir spazieren gegangen sind. Er trifft sie an einer Bushaltestelle oder in einem Supermarkt, überzeugt sie, dass er etwas hat, was sie braucht, und sie zu seinem Haus gehen müssen, um es zu holen.«

      Parry entgegnete düster. »Er hat diese tödliche Kombination aus Verlangen, Leidenschaft, Lust und einer Unfähigkeit, dieses Verlangen auf normale Weise zu befriedigen.«

      »Impotenz«, stimmt sie zu. »Dysfunktional und ein Weichei, wenn es um Leid und Schmerz geht – solange es ihn betrifft – und er kann kein Blut sehen – also nicht sein eigenes. Aber beim ersten Anblick des Blutes, als er das erste Mal zuschlug und bei seinem ersten Opfer die Kontrolle verlor, lernte er, dass Leid und Schmerz und der Anblick von Blut, das am Körper eines hilflosen Opfers hinabrinnt, ihm eine Epiphanie reinen Vergnügens bescheren, einen Orgasmus, wie er ihn noch nie zuvor erlebt hat, dass er zum ersten Mal in seinem erbärmlichen Leben sexuell befriedigt ist.«

      »Ja, verstanden … es verschafft ihm nicht nur eine Erektion, wenn er eine hilflose Frau überwältigt, er ejakuliert dabei auch.«

      »Blut und Schmerz … darauf steht er, und wer immer dieser Kerl ist, er kam langsam zu der Schlussfolgerung, dass Mord nicht nur einfach ist, sondern auch sexuell befriedigend«, fuhr sie fort. »Der Anblick des Blutes, der Widerstand gegen ihn, die ultimative Macht, die er verspürt, seine gottverdammte Erektion, das alles kommt zusammen, wenn er auf seine Opfer einhackt und ihr Leben in den Händen hält.«

      »Ihr Leben und ihr Tod allein in seinen Händen. Dadurch fühlt er sich wie Gott, da bin ich sicher.«

      »Einmal in seinem Leben hat er die Kontrolle. Das ist es, was für ihn zählt.«

      Parry schluckte schwer, dachte an die junge Linda Kahala, an ihren Vater und ihre Mutter, wie er ihnen die Nachricht überbringen musste, dass ihre Tochter mittlerweile mit absoluter Sicherheit die erste identifizierte junge Frau der vielen vermissten und mit größter Wahrscheinlichkeit toten Frauen war. Da das letzte vermisste Mädchen ermordet worden war, folgte daraus, dass die anderen höchstwahrscheinlich ebenso tot waren. Man konnte nicht sagen, wie viele Leichen dieser Verrückte schon unter der Wasseroberfläche des Blow Hole angesammelt hatte.

      »Ich bin mir nicht sicher, ob ich jetzt was essen kann«, gestand Jessica.

      »Wie wäre es mit einem starken Drink?«, schlug er vor.

      »Das kann ich nicht ausschlagen.«

      »Vielleicht haben Sie nach einem Drink eher Hunger, vielleicht auf ein Sandwich. Ich kenne da einen Laden in der Nähe.«

      Sie stand auf, nahm ihren Stock und kam um den Schreibtisch herum zu ihm. »Sie kümmern sich ja gut um mich.«

      »Befehl von Zanek«, bemerkte er beiläufig.

      »Tatsächlich? Und was hat Ihnen Paul über mich erzählt?«

      »Nur, dass Sie die Beste sind, und jetzt verstehe ich auch, warum er das gesagt hat.«

      Sie zog den Laborkittel aus, legte die Jacke über die Schultern und ging mit dem Stock vor ihm her, insgeheim erfreut über seine Aufmerksamkeit. In D.C. hatte sie ein wenig den Ruf einer eiskalten Schlitzerin, eine typische Kategorie der Gerichtsmediziner. Manche nannten sie immer noch die Leichenfledderin – immer auf der Jagd nach dem nächsten Indiz. Andere Menschen, besonders Männer, hielten normalerweise Distanz, waren unsicher in ihrer Gegenwart, fühlten sich oft von ihr eingeschüchtert. Die Ironie daran war, dass sie sich trotz ihrer Ausbildung, ihrer medizinischen Fachkenntnisse und ihrer Zeit an der Akademie für die am wenigsten furchteinflößende Person hielt, die sie kannte. Zumindest schreckte sie die Männer nicht absichtlich ab. Trotzdem sah man sie – als wäre sie mit einer bestimmten Aura geboren – meist nur als »Dr. Jessica Coran, Gerichtsmedizinerin vom FBI«. Es hatte nur eine Handvoll Männer gegeben, die ihre Vorbehalte angesichts ihrer Qualifikationen und ihres Doktortitels überwunden hatten, und selbst das erforderte normalerweise eine enge Zusammenarbeit und viel gemeinsam verbrachte Zeit, um auf den Level zu kommen, der eigentlich einfach zu erreichen sein sollte.

      Interessanterweise war das bei Inspector James Parry nicht der Fall gewesen. Von ihm hatte sie sich von Anfang an wie eine Lady behandelt gefühlt.

      »Sie scheinen ja mit dem Stock ganz gut zurechtzukommen«, kommentierte er, als sie im Aufzug standen. »Ich hab schon vorher mal nach Ihnen gesehen, aber Sie waren gerade im Labor beschäftigt gewesen, also …«

      »Manchmal brauche ich ihn mehr … kommt drauf an, wie lange ich schon auf den Füßen bin«, entgegnete sie.

      Es war ein wunderschön gefertigter Stock mit einem silbernen Knauf, der ihr als Willkommensgeschenk von J.T. und den anderen in ihrem Labor in Quantico überreicht worden war, als sie nach ihrer langen Reha nach Hause kam. Der Prozess, nach dem ein Verrückter in die Abteilung für geistig Kranke in einer staatlichen Hochsicherheitseinrichtung gelandet war, hatte ebenfalls seine Tücken gehabt. Bis heute hatte ›Mad‹ Matthew Matisak Einfluss auf einige ihrer Emotionen. Wie Donna, ihre gut bezahlte Psychologin, mit der sie mittlerweile per du war, ihr gesagt hatte: »Wenn du in den Abgrund starrst, dann starrt er manchmal auch in dich.«

      Der Heilungsprozess nach dem Leid, das ihr Matisak zugefügt hatte, dauerte Jahre, und selbst jetzt war sie noch weit von einer vollständigen Genesung entfernt und trug immer noch die Narben, besonders die unsichtbaren. Matisak hatte sie aus ähnlichen Gründen wie der Passat-Killer mit einer Klinge verstümmelt und hier war sie nun und starrte erneut in den Abgrund, suchte nach Antworten auf Fragen, die die meisten Leute gar nicht hören wollten … wühlte durch den Unrat der hässlichsten Abgründe der menschlichen Natur, zu der Vergewaltigung, Blutvergießen, Folter, Verstümmelung und Lustmord gehörten.

      Sie fragte sich, ob Jim Parrys Sorge um ihr Wohlergehen auf dem beruhte, was ihr zugestoßen war, weil er von ihrer Begegnung mit ›Teach‹ Matisak erfahren hatte. Sie wusste, dass sie noch tiefer in den Abgrund gestarrt hatte als er, und für sie starrten Matisaks Augen, in denen der Wahnsinn loderte, aus dem Abgrund zurück. Parry war intelligent, beflissen und sensibel. War er an ihr interessiert, fragte sie sich, oder an dem, was sie aus erster Hand über Serienkiller wusste?

      Wie alle anderen im FBI war Jim sicher gut informiert über das, was sie durchgemacht hatte, wusste von ihrer Nahtoderfahrung unter den Händen von Matisak. Wie sie Otto an Matisak verloren hatte …

      Bei seinem Wagen angekommen, nahm er ihren Stock und hielt ihr seine Hand hin, während sie auf den Sitz rutschte. Einen Moment betrachtete er den wunderschön gefertigten Stock und machte eine Bemerkung über die hervorragende Handwerkskunst. Es war zwar keine Rolex, aber er hatte sicher eine Stange Geld gekostet … und er wusste bestimmt, dass es derselbe Stock war, der zum Ende der dämonischen Mordserie von Simon Archer, auch bekannt als die Klaue, beigetragen hatte. Sie konnte es an seinem Blick ablesen. »Sie wollen sicher etwas über Simon Archer und Matthew Matisak wissen, stimmtʼs?«, fragte sie.

      »Nein, nein.«

      Sie glaubte ihm nicht. Sie wusste schließlich, wie faktenbesessen Parry war, und dass es manchmal für einen gewissenhaften Ermittler nicht genügte, nur über Fallakten zu brüten. Das war seine Stärke und was ihn anziehend machte, und sie wusste auch, dass er vor Neugier nach den kleinsten Details fast umkam.

      »Wenn ich dadurch in Ihrer Gunst steige«, sagte sie mit einem schiefen Lächeln. »Dann könnte ich Ihnen wohl von Matisak und Archer erzählen.« Das könnte sogar therapeutisch wirken, hörte sie Donna Lemonte


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