Auf den Spuren der Josefine Mutzenbacher. Anna Ehrlich

Auf den Spuren der Josefine Mutzenbacher - Anna Ehrlich


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am Rande des Abgrunds. Die »Hübschlerinnen« hatten nur mehr wenige Kunden, viele wurden fromm.

       Ein fremder »Rabe« fliegt ins Nest – Matthias Corvinus regiert in Wien

      Matthias Corvinus, der »Rabe«, lachte, als ihn die Nachricht vom Tod König Ladislaus’ erreichte. »Endlich«, jubelte er, »endlich bist du gerächt, mein Bruder!« Matthias war der Sohn des berühmten Feldherrn Johann Hunyadi, von dem viele sagten, er sei ein Sohn Kaiser Sigismunds gewesen. Ladislaus hatte Laszlo Hunyadi, Matthias’ Bruder, 1457 gegen alle heiligen Eide hinrichten lassen und Matthias als Gefangenen mit sich geschleppt. Georg von Kunstat-Podiebrad gab dem »Raben« seine Tochter zur Frau und verhalf ihm damit zur Freiheit. Um es kurz zu machen: Podiebrad und Corvinus wurden in Böhmen beziehungsweise Ungarn zu Königen gewählt. In Österreich unter der Enns aber machten sich die Stände unter Ulrich von Eizing breit, und der steirische Habsburger Albrecht VI. kämpfte mit seinem Bruder Kaiser Friedrich III. um das Erbe von König Ladislaus. Friedrich wurde mit seiner Familie in der Hofburg belagert und musste unter dem Spott der Wiener die Stadt verlassen. Matthias Corvinus aber begnügte sich nicht mit der Herrschaft in Ungarn, sondern griff nach Podiebrads Tod nach Böhmen, und rückte nach Albrechts VI. Tod gegen Friedrich vor. 1477 eroberte er fast ganz Niederösterreich und bedrohte die folgenden Jahre hindurch Wien: 1485 waren die Wiener am Verhungern, man briet bereits Katzen. Doch Kaiser Friedrich III. dachte nicht daran, ein Entsatzheer zu schicken. Keine Hilfe und nichts zu essen! Das hielten die Wiener nicht aus, warum auch? Besser satt und ungarisch als habsburgisch und tot für einen Kaiser, den man gar nicht liebte. Man öffnete am 1. Juni die Tore, und Corvinus zog mit hunderten Wagen voller Lebensmittel in Wien ein.

      Mit vollen Mägen versöhnten sich die Wiener rasch mit den Ungarn, und die vielen Soldaten hoben nicht nur die Nachfrage nach Wein, sondern auch nach weiblichen Reizen. Den Ungarn ist es gar nicht eingefallen, sich als Sittenrichter aufzuspielen. Die Frauenhäuser, eben noch leer und verlassen, hatten bald wieder neue Bewohnerinnen, die Geschäfte gingen hervorragend. Corvinus regierte bis zu seinem Tod 1490 in Wien, und nicht einmal schlecht: Die Anhänger Friedrichs durften am Leben bleiben. Den Babenberger Leopold III. ließ er heilig sprechen und alljährlich feiern, was den Wienern gefiel. Hätte Matthias Corvinus einen legitimen Sohn22 und Erben gehabt, die Habsburger wären vermutlich nie mehr zur Herrschaft gelangt. So aber fiel Österreich an Kaiser Friedrich III., über den seine zierliche portugiesische Gattin Eleonore zum gemeinsamen Sohn Maximilian sagte: »Wüsste ich, du würdest wie dein Vater, ich würde bedauern, dich für den Thron geboren zu haben!« Dank seines langen Lebens überlebte Friedrich alle seine Verwandten und alle seine Feinde und konnte sie beerben. So begründete er die Einheit und Großmacht des Hauses Österreich: AEIOU23, Alles Erdreich ist Österreich untertan. Wien, wo er belagert worden war, liebte er nicht, aber auch sein Sohn Maximilian vergaß die Schmach den Wienern nie.

       Maximilian und das Ende einer Epoche

      Welch armselige Stadt Wien in Maximilians Augen war! Mit vierzehn Jahren hatte er bereits wahren Prunk erlebt: am Hof der Burgunder. Karl der Kühne wurde sein Vorbild und sollte sein Schwiegervater werden. Bella gerant alii, tu felix Austria nube24! Während Maximilian in Wiener Neustadt auf seine Hochzeit »wartete«, verliebte er sich in die hübsche Rosina. Schweren Herzens verließ er sie nach Karls Tod und reiste auf Kosten seiner Zukünftigen nach Brügge. Von dort schrieb er an Sigmund von Prüschenk, seinen späteren Hofmarschall, über seine Frau Maria: »… ich hab ein schöns froms tugendhaffitgs weibsie ist von leib klein, viel kleiner den die Rosina und schneeweiss. ein prauns haar, ein kleins nassl, ein kleins heuptel und antlitz, praun undt grabe augen gemischt, schön undt lauter, dann daz unter heutel an augen ist etwas herdann gesenkt, gleich als sie geschlaffen hiet doch es ist nit wol zu merckhen. der mund ist etwas hoch doch rein und rot. sonst viel schöner iungfrowen alls ich all mein taag bei einer gesehen hab und frölichhetten wir hie fried wir sässen im rosengarten.«

      Maximilian erwies sich in der Hochzeitsnacht als »ein Begatter und ein richtiger Mann«. Die schöne Maria schenkte ihm bald zwei Kinder, doch während der dritten Schwangerschaft erlitt sie einen Reitunfall. Aus Sittsamkeit wollte sie keinem Arzt die intimen Stellen ihres Körpers zeigen, nach drei Wochen voller Qualen war sie tot. Der Witwer ging erneut auf Brautschau, vermählte sich »per procuram« (durch einen Stellvertreter) mit der Erbin der Bretagne, Anne, die der französische König Karl VIII. auf ihrer Brautfahrt raubte und selbst heiratete. Maximilians kleine Tochter Margarete, die als Dreijährige mit Karl verheiratet und zehn Jahre lang in Paris erzogen worden war, schickte dieser ihrem Vater jungfräulich zurück. Maximilian verheiratete sie und seinen Sohn Philipp (»den Schönen«) später mit den Kindern der Reyes Catolicos, Ferdinand von Aragon und Isabella von Kastilien, Juan und Juana. Die beiden Spanier wurden ihren Partnern sexuell hörig. Juan verließ Margaretes Bett wochenlang nicht und liebte sich schließlich an ihr zu Tode. Die sinnliche Dame Margarete heiratete Philibert von Savoyen, mit dem sie glückliche Jahre verlebte. Nach seinem plötzlichen Tod machte Maximilian sie zur Landvögtin der Niederlande, wo sie in Mecheln regierte. Dort erzog sie auch Philipps und Juanas Sohn: den späteren Kaiser Karl V. Juana machte ihrem Philipp eine schreckliche Eifersuchtsszene nach der anderen, gebar ihm zwei Söhne, Karl und Ferdinand, und fünf Töchter, und wurde nach seinem frühen Tod verrückt.

      Aus politischen und finanziellen Gründen nahm Maximilian 1493 Bianca Maria Sforza25, die reiche Nichte des Mailänder Usurpators Lodovico il Moro, zur Frau, vernachlässigte sie aber, weil sie dumm war. Bianca litt sehr unter der demütigenden Behandlung durch ihren Gatten. Sie erkrankte, magerte ab und starb 1510 schließlich an der »dörrsucht«.26 Maximilian hielt sich für sein eheliches »Missgeschick« mit schönen Frauen schadlos, zwei sind uns namentlich bekannt: Margaretha von Edelsheim (auch Margaretha von Rappach genannt) und Anna von Helfenstein.

      Maximilians viele »natürliche« Kinder bekamen den Namen »von Österreich«; sie wurden ausgezeichnet versorgt, stärkten sie doch die Hausmacht der Habsburger durch Verbindungen mit treuen Adeligen oder innerhalb der Kirche. Die älteste »natürliche« Tochter dürfte Margareta von Österreich (sie hieß nach ihrer Mutter auch Margareta von Edelsheim) gewesen sein, vermählt mit Johann von Hille und nach dessen Tod mit Graf Ludwig von Helfenstein, Obervogt von Weinsberg, dem sie zwei Söhne, Ludwig und Maximilian, gebar. Der älteste uneheliche Sohn Maximilians hieß Georg von Österreich (um 1505–1557), seine Mutter könnte eine ledige Salzburgerin gewesen sein, oder aber aus der Familie Brimeu de Meghen stammen. Georg erblickte in Gent das Licht der Welt. Er verbrachte seine Jugendzeit mit seiner Halbschwester Erzherzogin Margarethe in den Niederlanden, studierte Jura an der Universität Alcala de Henares und brachte es bis zum Erzbischof von Valencia. Diese Würde tauschte er gegen das Reichsbistum Lüttich. Er hatte drei »natürliche« Kinder, einen Sohn namens Georg, der in Löwen Propst von Saint-Pierre und Kanzler der Universität wurde, und zwei Töchter: Margarethe wurde Äbtissin in Charleroi und Tochter Maria heiratete Adam von Büren. Georgs Vollbruder hieß Cornelius von Österreich (1507–?), studierte in Padua, bezog seine Einkünfte aus der Herrschaft Enns und war – wie zuvor sein Bruder – als möglicher Herzog von Mailand im Gespräch. König Ferdinand I. (1503–1564), der jüngere Bruder von Karl V., holte ihn aus Italien zurück, Cornelius musste in Wien weiter studieren. Vermutlich wollte Ferdinand ihn unter Aufsicht haben. Dass Cornelius nicht gerade ein Schmuckstück der Familie war, geht daraus hervor, dass Ferdinands Schwester Maria von Ungarn gegen seine mögliche Koadjutorie des Propstes von Stift Klosterneuburg Einspruch erhob. Auch Propst und Kapitel lehnten ihn ab. Mehr ist nicht von ihm bekannt. Doch ist es sonderbar, dass Georg Karriere machen konnte und er nicht.

      Maximilians Lieblingstochter, Barbara von Rottal, vermählte sich 1515 in Wien im Alter von 15 Jahren mit Sigmund von Dietrichstein, dem Oberst-Erbland-Jägermeister der Steiermark. An der Hochzeitstafel saßen der stolze kaiserliche Vater, König Ladislaus von Ungarn, Sigismund, der König von Polen, König Ladislaus’ Kinder Anna und Ludwig von Ungarn, Maximilians kleine spanische Enkelin Maria und deren Obersthofmeisterin und natürlich der Bräutigam. Eine wahrhaft fürstliche Gesellschaft für ein uneheliches


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