Auf den Spuren der Josefine Mutzenbacher. Anna Ehrlich

Auf den Spuren der Josefine Mutzenbacher - Anna Ehrlich


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der die Heirat mit einer »Mutzenbacherin« schon 1198 für eine gute Tat erklärt hatte, wollten mehrere fromme Ratsbürger möglichst vielen Dirnen auch gegen den Willen der Frauenmeisterin zu einem ehrbaren Lebenswandel und zur Ehe verhelfen und gründeten dazu ein Büßerinnenhaus. Albrechts V. Großvater, der langlebige Herzog Albrecht III., gewährte am 24. Februar 1384 diesem »Seelhaus« – Stift für arme »freie« Frauen, die sich vom sündigen Unleben zur Buße und zu Gott wendeten – das Privileg der ewigen und gänzlichen Befreiung von »aller Steuer, Maut, Zoll und Lehen«. Er setzte sich selbst (und bald darauf den Bürgermeister von Wien und einen Offizialen) zum Vogt ein. Albrecht erlaubte den Büßerinnen in der Klause jede Beschäftigung außer »Gastgeben, Weinschank oder Kaufmannschaft«. Wollte ein Mann eine der Frauen zum Weib nehmen, dann sollte er es tun, unbeschadet seiner Ehre, seines Ansehens, seiner Rechte in der Zeche oder Zunft (außer er heiratete die Frau noch während ihres »freien« Lebens!). Wer diese Frau schmähte oder betrübte, konnte »an Leib und Gut« bestraft werden. Fiel aber eine der Bekehrten in ihr altes Leben zurück, sollte sie in der Donau ertränkt werden.

      Einmal zumindest ist das wirklich geschehen: Die Rechnung des Henkers hat sich bis heute erhalten. Ein andermal wurde die Sünderin – eine gewisse Martha Elbinn – bloß ausgewiesen, später suchte sie um das Recht zur Rückkehr an. Es muss sehr viele Eheschließungen mit Büßerinnen gegeben haben, denn 1429 fand es die Bäckerzunft notwendig, ihren Angehörigen solche Heiraten zu verbieten. Albrecht V. schritt sogleich gegen das Verbot ein. 1480 bestätigte Friedrich III. die Privilegien des Hauses.

      Anfänglich waren die Büßerinnen in der Kumpfgasse untergebracht, bis ihnen der Verweser Konrad Schneider 1384 ein Haus Heinrichs von Pottendorf in der Weihburggasse schenkte, das eine dem heiligen Hieronymus geweihte Kapelle bekam. Einen wichtigen Vermögensbestandteil der Stiftung bildete von 1387 bis 1511 die Badstube »Perliebin« am Rabensteig – eine besonders gute Einnahmequelle. Das störte die Tugend der Büßerinnen nicht. Um 1411 kauften sie von der Schreiberzeche ein Haus »im Gäßlein zwischen der Singerstraße und der Weihburg« als Wohnung für ihren Kaplan. 1440 vergrößerte sich der Gebäudekomplex um ein Haus in der Singerstraße, 1451 um ein Haus in der Weihburggasse und 1487 um ein weiteres Haus in der Singerstraße. Im 15. Jahrhundert wurde das Büßerinnenhaus umgebaut, es bekam 1455 ein neues Dormitorium. Weitere Bauarbeiten verwaltete 1467 der Apotheker Ulrich Vogler; die neue Anstaltskirche wurde 1476 geweiht. Das Stift wurde eine sehr wohlhabende Anstalt von großer Bedeutung und noch um 1500 wurden zusätzliche Zellen gebaut. Der Stadtbrand von 1525 und die Türkenbelagerung von 1529 leiteten den Niedergang ein.

       »Den Blutfluss wieder in Gang bringen« – Abtreibung und Vergütung

      Eine Schwangerschaft bedeutete für eine »Mutzenbacherin« das Aus, sie musste das Frauenhaus verlassen. Auch für jede ledige Frau stellte sie ein großes Problem dar, da sich die Kirche immer stärker in das Sexualleben der Gläubigen einmischte. Die gesellschaftliche Stellung unehelicher Kinder verschlechterte sich im Spätmittelalter dramatisch. Die eheliche Geburt wurde zur Vorbedingung für eine kirchliche Laufbahn, ja schließlich selbst für das Erlernen eines Handwerks. In günstigen Fällen wurden Betroffene durch den Papst oder Bischof vom Makel der unehelichen Geburt dispensiert, doch diese Gunst war nicht umsonst und blieb daher den Reichen vorbehalten. Arme Frauen gerieten mit ihren Kindern ins Elend. Abtreibungen waren die Folge.

      Verhalf einer Schwangeren die tägliche Schwerarbeit oder das Tragen schwerer Lasten nicht zum erwünschten Fruchtabgang, so bedeutete die sicherste und zugleich gefährlichste Methode das Entfernen der Frucht durch Haken oder Zangen. Obwohl diese Behandlung oft den Tod der Frau zur Folge hatte, griffen viele in ihrer Verzweiflung und Not zu diesem Mittel. Geheime Tränke gegen »alle Arten von Bauchschmerzen« waren kostspielig und, wenn wirkungsvoll, ebenfalls nicht ungefährlich. Aus einem Manuskript der Klosterbibliothek in Lorsch ist ein eher harmloser Trank bekannt, der aus weißem Pfeffer, Fenchel, Ingwer, Geranien, Petersilie, Kreuzkümmel, Selleriesamen, Anis, Kümmel und Schlafmohn gemischt wurde. Einige Pflanzen haben aber tatsächlich abortive Wirkung; vor allem die Engelwurz (Angelika), deren Wurzeln und Öl in hoher Dosierung zur Vergiftung von Mutter und Kind führen. Dies sagt man auch den Pflanzen Salbei, Arnika, Rosmarin und Rainfarn nach. Die Dosierung war keine einfache Angelegenheit: Ein Zuviel war für die Mutter tödlich, ein Zuwenig brachte keine Wirkung. Als abortives Mittel bekannt war auch das Mutterkorn, von dem wenige Gramm tödlich wirken.

      Bei all den Risken war es besser, sich im Vorhinein vor einer Schwangerschaft zu schützen. Gewisse Stellungen beim Geschlechtsverkehr, Oralverkehr oder Coitus interruptus wurden zu allen Zeiten empfohlen (und von der Kirche heftigst verurteilt). So sollte die Frau im Moment der Ejakulation ihren Körper »zurückziehen«, damit der Samen nicht eindringen konnte, dann sollte sie sich mit angezogenen Knien hinsetzen und siebenmal kräftig niesen, um ihn auszuscheiden oder auf- und abspringen. Gleichzeitiger Orgasmus förderte die Empfängnis und war zu vermeiden. Überliefert ist die Verwendung empfängnisverhütender »Tampons«: Blätter einer Trauerweide wurden mit Wolle, die in den Saft der Weide getaucht worden war, zusammengeknetet und eingeführt. Ähnlich verfuhr man mit Alaun und dem Granatapfel. Es gab auch Frauen, die den Muttermund mit gehacktem Gras oder anderen Substanzen verstopften.

       Von »der Zier des Bettes« und der Spielsucht der Wiener

      Im 15. Jahrhundert machte sich in Wien ein gewisser Wohlstand bemerkbar. Die Straßen wurden häufiger gesäubert, zunehmend leiteten Schornsteine statt einfacher Maueröffnungen den Rauch der Häuser ab und verminderten die Gefahr von Stadtbränden. Enea Silvio Piccolomini, der spätere Papst Pius II., war beeindruckt: »Die Bürgerhäuser sind hoch und geräumig, wohl geziert, gut und fest gebaut; mit einem angenehmen Hofraum, mit mächtigen Zimmern, die sie Stuben nennen und heizen, denn der Winter ist sehr rau. Überall sind Fenster von GlasWo du zu einem Bürger gehest, meinst du in eines Fürsten Haus zu treten.« Wie die Häuser eingerichtet waren, wissen wir aus dem Möbelinventar des Hauses Rauhensteingasse 8 aus dem Jahre 1486, gegen deren »Luxus« sich die Prediger wandten. So Georg Trudel von Greiger in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts: »… vorerst versündigt sich der Mensch mit dem schönen Spannbettdas andere, womit er sich versündigt, ist, dass die Polster und Kissen und Decklaken seiden, schön und wohl geziert sein müssen, und Bett und Kammer geziert sein müssen mit Umhängen und Gemälden. … Zum sechsten versündigt sich der Mensch, wenn er sein Spannbett oder seinen Himmel darüber malen lässt mit schamlosen Bildern, woraus große Sünde und Ärgernis kommtMan findet etliche unverschämte Personen, die sich solche schamlose Malereien malen lassen … Und andere unschuldige Personen, die es sehen, mögen dadurch zu Sünden kommen. Wenn der Mensch an seinem Umhang oder bei seinem Bett Malereien haben will, so lasse er sich die bittere Marter unseres Herren malen und das Kreuz Christi und das letzte Gericht, das ihn reizt und übt zu Reue und Klage über seine Sünde.«

      Wie leicht müssen die Menschen damals zu »Sünden gekommen« sein! Dem Wiener war sein Wohlleben immer schon wichtig, so erzählt Piccolomini: »Das Volk ist dem Bauch ergeben, gefräßig, und gibt an den Sonntagen den Verdienst der ganzen Woche aus. Zerlumpt und derb ist der Pöbel, sehr groß die Zahl der Prostituierten.« Offensichtlich war der Bedarf an ihnen beträchtlich, obwohl auch »anständige« Frauen ein weites Herz gehabt haben: »Selten begnügen sich die Frauen mit einem Mann allein. Die Adeligen gehen in die Häuser der Bürger zu geheimen Gesprächen mit deren Ehefrauen. Die Ehemänner bringen Wein und verlassen das Haus, ziehen sich vor den Adeligen zurück. Viele Mädchen wählen ihre Ehemänner ohne Zustimmung der Väter. Die Witwen verheiraten sich nach eigener Lust noch in der TrauerzeitMan sagt auch, es gebe viele Frauen, die ihre unerträglich gewordenen Ehemänner mittels Gift entfernen. Verheiratete Frauen geben sich in den Palästen den Adeligen hin. Ziehen ihre Ehemänner sie deshalb zur Rechenschaft, werden sie von den Adeligen getötet.« Damit spielte Piccolomini auf einen ganz konkreten Fall an:

      Im Jahre 1441 gehörte ein Haus (heute Nummer 2) in der Weihburggasse dem Bürger Michel Lienfelder, der eine schöne Frau besaß. Auf diese Frau hatte es Georg


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