SHEPHERD ONE (Die Ritter des Vatikan 2). Rick Jones

SHEPHERD ONE (Die Ritter des Vatikan 2) - Rick Jones


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nickte. »Ja, Sir, das kann ich mir vorstellen. Unsere Grenzen sind nicht hermetisch abgeriegelt, also ist theoretisch möglich, dass sich eine Bombe in die Vereinigten Staaten schleusen ließ.«

      Der Präsident bewahrte einen ruhigen Ton. »Vielleicht sogar mehr als eine?«

      Der Minister nickte erneut. »Diese Möglichkeit besteht ebenfalls, Mr. President.«

      Burroughs drückte seine Finger gegeneinander und tippte sich damit unters Kinn. Er grübelte. »Ich kontaktiere den russischen Präsidenten und mache ihn indirekt für das, was geschehen ist, verantwortlich. Natürlich wird Putin alles abstreiten und mir die Worte im Mund umdrehen wollen, aber sie dürfen davon ausgehen, dass er sich, sobald unser Telefonat beendet ist, mit seinen Informanten in Verbindung setzt, um herauszufinden, ob es stimmt, was ich ihm gesagt habe. Ich verlange, dass unsere Nachrichtendienste im vollen Umfang einsatzbereit sind. Es muss alles abgefangen werden, was die Russen bezüglich Pertschenko über den Äther jagen. Ich will wissen, wie viele Waffen der Kerl an Rebellengruppen verkauft hat … und eines sei unmissverständlich klargestellt – das betrifft ausdrücklich Sie, Doug, und jegliche Geheimermittler unsererseits in Russland –, nämlich dass die Special Activities Division Pertschenko aufspüren und beseitigen soll, sobald wir die genaue Zahl der Kampfmittel kennen, die verkauft sowie in US-Staatsgebiet in Umlauf gebracht wurden. Ferner müssen Sie alle begreifen, dass wir momentan mit den Rücken an der Wand stehen und nicht weiter zurückkönnen. Deshalb bitte ich Sie als meine besten Leute, Ihr Allerbestes zu geben. Habe ich mich klar genug ausgedrückt?«

      Daraufhin murmelten die Anwesenden im Einklang ihre Zustimmung.

      »Dann machen wir uns an die Arbeit«, schloss der Präsident. »Ich muss herausfinden, wo diese Waffen sind, falls welche im Land kursieren.«

      Washington, D.C. | 06:30 Uhr

      Burroughs hielt sein Wort, indem er den russischen Präsidenten anrief, ihm drohte und Fristen setzte, wobei ihm genau bewusst war, dass es sich um wirkungslose Druckmittel handelte, denen sein russischer Gegenspieler als Politmacho selbstverständlich Kontra geben würde. Was er dadurch jedoch im russischen Staatsapparat lostreten wollte, waren Ermittlungen in ihren eigenen Reihen, die der US-Spionagedienst dann genau und geschickt überwachen sollte.

      Die Instanzen im Osten steckten nach dem Gespräch der beiden Oberhäupter prompt die Köpfe zusammen und machten Pertschenko zur Chefsache. Plötzlich wurde sein Privatleben durchleuchtet, etwa Aktivitäten im Zusammenhang mit bestehenden Bankkonten seit seinem Ausscheiden aus dem Direktorat S und im Weiteren seine Unternehmungen auf dem Schwarzmarkt. Vor allem aber wollten die Russen erfahren, wo der Mann steckte, was darauf schließen ließ, dass er ausradiert werden sollte, bevor die amerikanischen Behörden dazu kamen, ihn selbst zu finden.

      So oder so, Yorgi Pertschenko wurde bald zur Zielscheibe.

      Und dies freute Präsident Burroughs über alle Maßen.

      Er hatte erreicht, worauf er aus gewesen war.

      Kapitel 7

      Los Angeles, Kalifornien | 09:30 Uhr

      Al-Khatib Hakam zählte neunzehn Lenze, als er an der Universität Columbia seinen Abschluss mit Auszeichnung machte. Mit seinen eins siebzig war er gertenschlank, hatte ein knabenhaftes Gesicht und im Gegensatz dazu den Verstand eines Akademikers. In seiner zurückhaltenden Art blieb er in der Regel Herr seiner Gefühle und redete wenig, hätte aber in Hinblick auf seine Haltung und sein Selbstbewusstsein beim Gehen doppelt so kräftig gebaut sein können wie in Wirklichkeit.

      Zudem war er als amerikanischer Staatsbürger geboren und stammte aus Dearborn in Michigan.

      Und gehörte al-Qaida an.

      In dieser Stadt war er nicht unter nennenswerten Repressalien aufgewachsen, da überwiegend Menschen arabischer Herkunft in der Gemeinde gelebt hatten. An der Universität Columbia aufgenommen zu werden hatte sich indes selbst für ein emanzipiertes Wunderkind als schwierig erwiesen, dessen Leben im Alter von siebzehn auf dramatische Weise verändert worden war.

      Weniger als eine Woche nach seinem Geburtstag, als er an der südöstlichen Ecke der 42. Straße in New York stand, wo sie sich mit der Madison Avenue kreuzte, erfuhr al-Khatib Hakam eine religiöse Wiedererweckung. Er beobachtete, wie sich ein Straßenverkäufer auf der anderen Seite, ebenfalls Araber, eine kurze Pause bei seiner Tätigkeit gönnte, um Gott zu huldigen. Er kniete auf einem Gebetsteppich nieder und streckte andächtig seine Hände vor sich aus. Seine Augen blieben geschlossen, und er bewegte stumm den Mund, während er sich abwechselnd nach vorn beugte und wieder aufrichtete.

      In einer Stadt, wo es vor Menschen wimmelte, sodass kaum ein Zoll Platz auf dem Gehsteig blieb, sah al-Khatib Hakam mit an, wie drei stämmige Männer den betenden Araber umstellten, stichelten und sich mokierten, bevor ihn einer am Kragen seines Hemds hochzog. Aus der Ferne hörte der Junge rüde Beschimpfungen, die auf die Religion des Mannes und seine Dreistigkeit abzielten, wenige Meilen von Ground Zero entfernt zu seinem Gott zu sprechen. Von »Respektlosigkeit« war die Rede, woraufhin gleich eine rassistische Verunglimpfung und eine Tirade von Kraftausdrücken folgten.

      Als sei das nicht schlimm genug gewesen, schien sich sonst niemand daran zu stoßen. Schnittig gekleidete Passanten aus allen gesellschaftlichen Schichten ignorierten den Vorfall gänzlich, als ob es der Norm entsprechen würde, sich Begebenheiten gegenüber blind zu stellen, die sie nicht betrafen.

      Just hier geschah es, dass sich eine Tür vor al-Khatib Hakam auftat, wohinter faszinierende Weisheiten offenbar wurden, die ihm Erkenntnis schenkten: Obgleich er gebürtiger Amerikaner war, konnte er durch das Stigma seines Volkes bedingt nie ein echter Amerikaner sein.

      Als der arabische Junge dann eine Hand hob und sie von allen Seiten betrachtete, bemerkte er, dass die Innenfläche heller war als der Rest seiner Haut – weiß so oder so, aber anders. Er nahm sie wieder herunter, da waren die Männer verschwunden. Der Verkäufer jedoch kniete weiter dort und weinte, indem er sich den Teppich ins Gesicht drückte wie ein wehleidiges Kind. In diesem Moment, da die Zeit stillzustehen schien, dämmerte Hakam etwas.

      Monate vergingen, ohne dass er diesen Akt der Diskriminierung vergessen konnte, während langsam ein Docht in ihm herunterbrannte und die Flamme auf jene Zeitbombe zuwanderte, zu der er geworden war. Er sehnte sich nach mehr, als ihm die akademische Welt zu bieten hatte – etwas, das ihn vollkommen machen, ihm Verantwortung und den letzten Schliff geben würde.

      Was er fand, war der Glaube.

      In New York City gab es viele Moscheen. Seine wahre Berufung entdeckte Hakam allerdings im islamischen Fundamentalismus und der begleitenden Sprache. Die Worte des Imam klangen nach und beflügelten. Sie trieben den jungen Mann in eine Besessenheit, die ihn nicht losließ, denn er wollte unbedingt erfahren, welches Los Allah für ihn vorgesehen habe. Und wie viele andere seiner Art wurde er zum Gotteskrieger gesalbt, eine durch nichts zu übertreffende Ehre. So erfuhr al-Khatib Hakam seine Vollendung.

      Sein Mantra: Allahu akbar. Gott ist groß.

      In den darauffolgenden Jahren bewies der junge Mann Talent im Erlernen von Fremdsprachen und erbrachte überragende Leistungen im Fach Internationale Beziehungen. Zu dem Zeitpunkt, als er die Universität verließ, beherrschte er neun Sprachen fließend. Mit einundzwanzig hielt er einen hohen Posten bei ISIS, und seine Intelligenz zahlte sich an der amerikanischen Front aus.

      Nun sollte sein Schicksal als Krieger seinen Lauf nehmen.

      Während er sich über die Kante der randvollen Badewanne beugte, rasierte sich Hakam sorgfältig Brust, Arme und Gesicht, um sich fürs Paradies vorzubereiten und zu säubern. Nachdem er sich die Wangen mit einem Tuch abgetupft hatte, besprengte er sie mit Rosenwasser und hielt die Augen geschlossen, während er still betete und sich den Oberkörper in sanften Kreisbewegungen mit dem Duftöl einrieb.

      Sechs Monate zuvor hatte er sich mit Yorgi Pertschenko in einem Land getroffen, wo es dauerhaft kalt war, trüb und deprimierend. Dass ein Russe und ein Araber einander gegenübersaßen, erschien angesichts des Afghanistankriegs unwirklich, doch Ersterem war eine Summe von


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