Wyatt Earp Staffel 2 – Western. William Mark D.
neben dem Körper des Arztes rissen die Bleigeschosse tiefe Löcher in die hölzerne Hauswand.
Der Arzt sah auf die Einschüsse. Dann blickte er sich um. »Sie sind ein tüchtiger Mann, Milt Rice!«
Damit war er im Haus verschwunden.
»Wyatt Earp!« stieß der Bandit fast lautlos durch die Zähne. »Wyatt Earp kommt! Hat er gesagt, dieser verdammte Knochenflicker!« Langsam wandte er sich um und ging zur Holvestreet hinüber. Das Eckhaus zur Frontstreet gehörte dem Bürgermeister Clint Hoover.
»Major!« brüllte der Bandit heiser.
Wie auf Kommando erschien der Bürgermeister mit wachsbleichem Gesicht in der Tür. Er sah den Bandenführer sieben Yards vor sich auf der Straße stehen. Drüben auf dem Vorbau stand Salt Cunnings. Und oben am Fenster verharrte seit fast vierundzwanzig Stunden der kalkgesichtige Mann mit der Weste und den dünnen schwarzen Handschuhen.
Clint Hoovers Hände waren schweißnaß. Er wußte, daß ihm die nächste Sekunde den Tod bringen konnte.
Schließlich hatte Rice gestern laut erklärt, daß er alle Ämter der Stadt übernehmen wolle. Da würde er auch einen seiner Leute auf den Bürgermeistersessel setzen. Den Arzt, ja, den brauchten sie, den Knochenflicker, das wollte gekonnt sein.
Clinton Hoover schluckte. Der Schweiß rann in winzigen Bächen von seiner Stirn.
Der Bandit stand vor ihm und sah ihn aus harten Augen an. »Wo ist er?« fragte er bedrohlich leise.
Der Major schluckte wieder und sagte etwas, das man aber nicht verstehen konnte, weil es einfach etwas zu leise gesprochen war.
Der gereizte Bandit sprühte ihn haßerfüllt an: »Wirst du jetzt endlich sprechen, du fette Stadtwanze, he! Oder soll ich dich mit dem Colt in zwei Hälften auseinandersägen?«
»Ich weiß nicht…, wen Sie suchen, Mister Rice!« stieß der Major stotternd und mit belegter Stimme hervor.
»Er ist hier. Seit der Nacht ist er hier! Wir wissen es. Einer meiner Leute hat ihn gesehen.«
Der Bürgermeister nickte. »Das wird richtig sein, Mister Rice. Ich weiß aber nicht, wen sie meinen.«
Da trat der Bandit auf den Stepwalk und kam auf den Bürgermeister zu. Er hatte beide Fäuste geballt und in seinen Augen stand der kalte Zorn.
Ehe er den Major erreichte, stürmte ein schwarzhaariges Mädchen an diesem vorbei und warf sich Rice entgegen.
Verdutzt blickte der Bandit in das hübsche, vor Zorn und Angst gerötete Gesicht, das dicht vor ihm war.
»Bitte, Mister Rice, lassen Sie ihn Ruhe. Er weiß es wirklich nicht!«
Das Erstaunen schwand aus den Augen des Busheader. Er stieß das Mädchen brutal zur Seite. Eisig blickte er den Major an. »Wo ist er?«
»Er weiß es nicht!« schrie das Mädchen und sprang wieder auf. »Er weiß es nicht, Sie Unmensch! Sie elender Teufel! Aber eines wissen wir alle: Wyatt Earp wird kommen und mit Ihnen abrechnen!«
Die Worte waren über die Straße gehallt, und die Menschen hinter den Gardinen hatten sie deutlich gehört.
Ganz langsam wandte sich der Bandit zur Seite und blickte Jenny Hoover, die Tochter des Majors, aus engen Augen an.
Das hübsche Mädchengesicht wurde plötzlich blaß.
Der Bandit starrte sekundenlang in Jennys flackernde Augen. Seine Hand hatte sich um den Coltgriff gekrampft.
Da trat drüben Doc Gilbert aus seinem Haus.
»Wenn Sie sie niederschießen, Rice, wird das sehr vorteilhaft für Ihren Verbleib in der Stadt sein. Die Bürger werden es zu schätzen wissen, einen Sheriff zu haben, der so mutig war, eine wehrlose Frau niederzuschießen!«
Rice wandte sich auf dem Absatz um. »Du hast ein loses Maul, Doc! Reiß es nicht zu weit auf! Ich könnte es dir stopfen!«
»Das wirst du bleiben lassen«, ersetzte Gilbert unbeirrt. »Du weißt, daß du mich brauchst. Wenn Wyatt Earp dir ein Loch in die Figur schießt, wirst du nach mir schreien.«
Der Bandenchief war plötzlich aschgrau im Gesicht. Seine beiden Revolver lagen in seinen Händen. »Doc!« bellte er heiser. »Sag diesen Namen nicht noch einmal! By, Jove, ich harke dich auseinander!« Damit ließ er die Colts zurück in die Halfter fliegen, wandte sich ab, überquerte die Straße und verschwand drüben im Hotel.
Der Arzt wischte über den Seehundschnauzbart und blickte den Major an. Dann ging auch er in sein Haus zurück.
*
Der Himmel hatte sich dräuend zugezogen, als um zwölf Uhr die Overland in die Fronstreet einrollte.
Sie kam von Osten.
Und war leer.
Auch am nächsten Tag war sie leer.
Und dann brach der 18. Mai an.
Dodge City würde diesen Tag nie vergessen.
Noch heute ist das, was sich damals in der Stadt ereignete, in den alten Annalen verzeichnet.
Die beiden Männer, die aus der Overland-Kutsche stiegen, halfen einander beim Tragen eines schweren Koffers, der dem älteren bebrillten Mann zu gehören schien.
Die Augen Brisbanes hingen an dem jüngeren Mann.
Es war ein hochgewachsener Mensch, breitschultrig und schmalhüftig. Er trug einen schwarzen ungeknifften Hut mit breitem Rand, eine schwarze Jacke und eine schwarze Hose.
Der ältere Mann trug einen grauen Anzug.
Auch Milt Rice blickte auf die beiden, die zum Hotel London hinüberschritten.
Der Doc stand vor seiner Tür.
Rice rief ihn an. »Wer ist das?«
Der Arzt warf einen Blick zu den beiden Ankömmlingen hinüber. »Beerdigungsunternehmer, sieht man doch«, gab er spöttisch zurück. Er ahnte sicher selbst nicht, wie zweideutig diese seine Antwort war.
Ein paar Banditen lachten.
Die beiden Ankömmlinge hatten das Hotel fast erreicht.
Der ältere Mann ging voran und öffnete die Tür.
Da zerschnitt die belfernde Stimme des texanischen Schießers die Luft: »Earp!«
Was dann geschah sollten die Menschen in der Frontstreet nie vergessen.
Der hochgewachsene Fremde wirbelte herum. Er ließ sich fallen, und in seinen beiden Händen blitzten die Revolver auf.
Cass Brisbane sackte hinter dem Fenstersims zusammen.
Salt Cunnings, der den Colt in der Hand hatte, brüllte auf, weil eine Kugel in seinem rechten Unterarm saß.
Hans Butler, der drüben unter dem Vorbau hockte, krümmte sich zusammen, und Vinc Brown rutschte zur Seite.
Innerhalb von fünf Sekunden hatte ein Spuk die Straße verändert und leergefegt.
Milt Rice stand steif und breitbeinig auf dem Vorbau und blickte wie erstarrt zu dem schwarzgekleideten Fremden hinüber, der jetzt wie ein Phantom hinter einer Vorbautreppe verschwand.
Die Lippen des Bandenchiefs öffneten sich und formten nur die Worte: »Wyatt Earp!«
Salt Cunnings hechtete heran, riß seinen wie versteinert dastehenden Freund zu Boden und zerrte ihn in Deckung hinter eine umgestürzte Bank.
»Was war denn das?« stammelte Salt mit bleichem Gesicht.
Auch Rice war bleich geworden. Erst jetzt schien er den Schock überwunden zu haben. Er nahm seinen Colt aus dem Halfter und gab drei schnelle Schüsse auf die Treppenkante ab. Während er die Trommel sofort wieder nachlud, sagte er rauh: »Das ist Wyatt Earp, Brother! Der Tanz hat begonnen.«
Die Menschen, die diesen rasenden