Dr. Daniel Staffel 5 – Arztroman. Marie Francoise
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»Ich wußte es«, knurrte Dr. Daniel, als er sah, daß Gunilla Heidenrath erneut an Unterleibsblutungen litt, und diesmal hatte er weit mehr Mühe, die Blutung zum Stillstand zu bringen.
»Wenn Herr Heidenrath seine Frau wieder vorzeitig aus der Klinik holen will, dann werfen Sie ihn umgehend hinaus!« erklärte Dr. Daniel wütend, als es ihm endlich gelungen war, die Blutung zum Stillstand zu bringen.
»Sie wissen genau, daß ich das nicht so einfach darf, Herr Doktor«, entgegnete Schwester Bianca beinahe schüchtern. So wie im Augenblick hatte sie den sanftmütigen Dr. Daniel noch nie erlebt.
Jetzt seufzte er. »Ich weiß. Es war auch nur…« Ärgerlich winkte er ab. »Daß Frau Heidenrath wieder hier liegt, ist allein seine Schuld. Hätte er sie noch zwei Tage länger in der Klinik bleiben lassen, wäre es sicher nicht passiert, aber ich fürchte, es würde nicht einmal etwas nützen, ihm das jetzt zu sagen. Er ist und bleibt ein extrem rücksichtsloser Mensch.«
»Frau Heidenrath hatte übrigens nur Barbara, Kristin und Helene dabei«, erklärte Bianca in der Hoffnung, Dr. Daniel von seinem Unmut auf Helmut Heidenrath ein wenig abzulenken.
Er runzelte auch tatsächlich die Stirn. »Das heißt, daß Gitti und Nina allein zu Hause sind.« Dr. Daniel fuhr sich mit einer Hand durch das dichte blonde Haar. »Darum werde ich mich wohl kümmern müssen. Die Mädels sind zwar schon vierzehn und zwölf Jahre alt, trotzdem kann man sie nicht einfach sich selbst überlassen.« Er schwieg einen Moment. »Frau Heidenrath kommt wieder auf Intensiv, und diesmal wird sie dort so lange bleiben, bis sie wirklich außer Gefahr ist. Und von der Intensivstation wird Herr Heidenrath sie mir nicht wegholen, dafür sorge ich.«
Dann verließ er mit langen Schritten den Raum und steuerte auf die Eingangshalle zu.
»Wie geht’s Gunilla?«
Dr. Daniel sah sich um und erkannte, daß der Mann, der gleichzeitig mit ihm in der Klinik eingetroffen war, noch hier wartete.
»Den Umständen entsprechend«, antwortete er ausweichend. »Mehr darf ich Ihnen leider nicht sagen – es sei denn, Sie wären mit Frau Heidenrath verwandt.«
Betrübt schüttelte Franz den Kopf. »Nein, das bin ich leider nicht.« Er blickte zu Boden. »Ich wollte sie einmal heiraten, aber…« Hilflos zuckte er die Schultern, dann sah er Dr. Daniel wieder an. »Sie ist nicht glücklich mit Helmut geworden, oder?«
Dr. Daniel konnte unschwer erkennen, wie groß Franz’ Liebe zu Gunilla noch immer war, und es war ihm klar, daß sie es mit diesem Mann sicher weit besser getroffen hätte.
»Auch darüber darf ich nichts sagen«, wich Dr. Daniel aus.
Franz nickte. »Ich verstehe, Herr Doktor.« Er zögerte. »Nur eines noch: Sie wird doch wieder… gesund?«
Dr. Daniel nickte. »Ja, das wird sie bestimmt. Machen Sie sich dar-über keine Sorgen.«
»Danke, Herr Doktor«, murmelte Franz, dann verließ er die Klinik und machte sich mit langsamen Schritten auf den Heimweg. Die Begegnung mit Gunilla hatte ihn zutiefst erschüttert, und wieder einmal wünschte er, er hätte damals, als er sie verloren hatte, etwas dagegen tun können. Aber sie war von ihrer Liebe zu Helmut ja so hingerissen und verblendet gewesen…
*
»Wo ist eure Mutter?« herrschte Helmut Heidenrath seine beiden älteren Töchter an.
Ängstlich wich die zwölfjährige Nina vor ihm zurück.
»Antwortet gefälligst, ihr dämlichen Gören!« fuhr Helmut auf.
Wie beschützend stellte sich Gitti vor ihre Schwester, dabei zitterte sie selbst vor lauter Angst.
»Mami ist einkaufen gegangen«, erklärte sie mit bebender Stimme. »Vor über zwei Stunden schon und…«
Die Türklingel unterbrach sie.
»Wenn sie das ist, dann soll sie was erleben«, knurrte Helmut wütend, während er die Tür aufriß, doch davor stand nicht Gunilla, sondern Dr. Daniel.
»Was wollen Sie denn hier?« fuhr Helmut den Arzt an.
»Ihre Frau liegt seit einer Stunde stationär in der Waldsee-Klinik«, antwortete Dr. Daniel, und niemand hätte erkennen können, welcher Sturm in ihm tobte. »Wie ich es Ihnen gestern schon prophezeit habe, hat sie wieder Unterleibsblutungen bekommen, und daß sie daran nicht gestorben ist, kommt beinahe einem Wunder gleich.«
»Sie ist eben ein wehleidiges Luder«, polterte Helmut los. »Wenn ich da an ihre Mutter denke – das war eine Frau! Zehn Kinder hat sie zur Welt gebracht, und kein Wort der Klage kam über ihre Lippen. Das hat mein Schwiegervater mir mal erzählt. Nur deshalb habe ich Gunilla überhaupt geheiratet. Ich dachte, sie würde nach ihrer Mutter kommen.« Ärgerlich winkte er ab. »Weit gefehlt!«
Dr. Daniel hatte nun wirklich Mühe, sich länger zu beherrschen.
»Ihre Frau, Herr Heidenrath, ist alles andere als wehleidig«, entgegnete er so ruhig, wie es ihm angesichts der Haltung dieses Mannes überhaupt noch möglich war. »Wäre sie das, dann hätte sie Ihnen bestimmt keine fünf Kinder zur Welt gebracht.«
Ungerührt zuckte Helmut die Schultern. »Na und? Was ist da schon dabei? Es waren ja sowieso bloß lauter Mädchen.«
»Glauben Sie denn, es würde einen Unterschied machen, ob eine Frau ein Mädchen oder einen Jungen austrägt?« Dr. Daniel schüttelte den Kopf. »Manchmal frage ich mich wirklich, was Sie früher während des Biologieunterrichts in der Schule getrieben haben. Die Wehen sind bei jedem Kind dieselben, und gerade Ihre Frau hatte außerordentlich schwere Geburten. Bei Gitti lag sie fast vierzehn Stunden in den Wehen, und bei Nina waren es immerhin noch zehn.«
Ein spöttisches Grinsen huschte über Helmuts Gesicht. »Sie nehmen am Schicksal meiner Frau ja regen Anteil.«
»Ja, Herr Heidenrath, die Sorgen meiner Patientinnen sind für gewöhnlich auch meine Sorgen«, entgegnete Dr. Daniel ernst.
»Bei Gunilla können Sie sich das sparen«, meinte Helmut. »Wir werden mit unserem Leben auch ohne Sie fertig.«
»Das scheint mir aber nicht so zu sein. Immerhin soll Ihre Frau weitere Kinder zur Welt bringen, und damit bin auch ich betroffen. Ich soll schließlich dafür sorgen, daß Mutter und Kind die Geburt wohlbehalten überstehen.«
Helmut stöhnte betont theatralisch auf. »Fangen Sie jetzt bloß nicht wieder mit dem Unsinn an, daß Gunilla beim nächsten Kind sterben könnte. Meine Güte, Herr Doktor, in welchem Jahrhundert leben Sie eigentlich. Heutzutage stirbt man nicht mehr bei der Geburt.«
»Himmel noch mal, wollen Sie es nicht begreifen, oder können Sie es nicht?« brauste Dr. Daniel ganz entgegen seiner sonstigen besonnenen Art auf. »Daß Ihre Frau Helenes Geburt überlebt hat, verdanken Sie doch auch nur der Tatsache, daß ich sie mittlerweile schon so gut kenne. Ich wußte also genau, daß es zu dieser Nachblutung kommen würde.«
»Na sehen Sie, und nächstes Mal wissen Sie es auch«, erklärte Helmut in einem Tonfall, als müsse er sich einem kleinen Kind verständlich machen.
Dr. Daniel war nun wirklich verärgert. Warum schaffte er es nicht, sich diesem Mann verständlich zu machen?
»Mit einer weiteren Schwangerschaft verurteilen Sie Ihre Frau zum sicheren Tod«, meinte Dr. Daniel. »Sie wird mir unter den Händen verbluten. Wollen Sie das wirklich riskieren, Herr Heidenrath? Ist Ihre Manie, unbedingt einen Sohn zu bekommen, schon so ausgeprägt, daß Sie dafür Ihre Frau opfern wol-
len?«
»So etwas muß ich mir nicht anhören!« fuhr Helmut ihn an. »Verschwinden Sie! Und lassen Sie sich eines gesagt sein: Ich will einen Sohn, und ich bin bereit, jeden Preis dafür zu zahlen.«
Dr. Daniel fröstelte unwillkürlich. Er konnte einfach nicht begreifen, wie ein Mensch nur so kaltblütig sein konnte.
»Und was tun Sie, wenn