Hans Hyan-Krimis: Der Rächer, Das Rätsel von Ravensbrok & Mord im Bankhaus Lindström. Hans Hyan

Hans Hyan-Krimis: Der Rächer,  Das Rätsel von Ravensbrok & Mord im Bankhaus Lindström - Hans Hyan


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graue Iris etwas vom Schimmer des Topases hatte, richteten sich auf Heinz Marquardt, der unwillkürlich ein wenig von seiner Nachbarin fortrückte.

      »Die macht dir woll Laune, was?« fragte Aprikosenjuste lauernd, »natierlich! Da kann unsaeene nich mit, wenn det da drieben ooch man allens unecht un ufflackiert is! ...« setzte sie, deren weiblichem Scharfblick das Künstliche in der Rivalin nicht entging, rasch hinzu.

      Heinz Marquardt wollte etwas erwidern, da aber war die Schönheit schon am Tisch und fragte, mit ihrer kleinen, weißbehandschuhten Hand auf einen leeren Stuhl deutend:

      »Gestatten Sie?«

      Das einfache Wort klang Heinz Marquardt so sinnverwirrend, daß er über und über rot wurde.

      Aber Aprikosenjuste stand hastig und mit einem schrillen Lachen auf, nahm den mit hungrigen Augen lungernden Husarenwilhelm, der jetzt gar nicht mit ihr mitwollte, unter den Arm und zog ihn nach hinten.

      Marquardt, der seiner Verwirrung gar nicht Herr werden konnte, betrachtete jetzt den Begleiter der Dame.

      Einen jungen Mann von höchstens zwei-, dreiundzwanzig Jahren, mit leeren, nichtssagenden Zügen und breiten, weichen Händen, die besser nicht mit so wertvollen Ringen geschmückt gewesen wären. Er trug einen kostbaren Gehpelz und im Knopfloch des darunter hervorsehenden schwarzen Gehrockes eine Tuberose.

      Als er Marquardts Blick bemerkte, der ihn übrigens gar nicht sah, weil ihn selbst diese entzückende Frau zu sehr beschäftigte, nahm sein dummes Gesicht den Ausdruck der Kälte und des Hochmuts an, was bei seiner Begleiterin eine Heiterkeit hervorrief, die sie noch viel anziehender machte.

      »Warum lachen Sie?« fragte der junge Mann leise, gekränkt.

      »Sie stellen Ihre Fragen nicht richtig«, erwiderte die Dame ebenfalls im Flüsterton. »Sie müssen fragen: über wen lachen Sie?«

      »So ... na, und über wen, wenn man fragen darf?«

      »Sie dürfen!« Ihr Gesicht wurde immer heiterer, »Sie dürfen fragen, Herr Schindler! ... Ich lache über Sie!«

      Heinz Marquardt, dessen scharfem Gehör keine Silbe entging, wandte das Gesicht, um seine ebenfalls nicht zu unterdrückende Heiterkeit zu verbergen, und sah in den Saal hinein, da der Wirt, der inzwischen mit dem Kriminalbeamten gesprochen hatte, wieder auf den Tisch sprang.

      »Passen Sie auf,« meinte die Schöne, »das da interessiert mich viel mehr wie Ihr Geschwätz!«

      Und während dieser Worte, die, von ihrer süßen Stimme gesprochen, nicht einmal verletzend klangen, trafen ihre Augen Heinz Marquardt, der der Versuchung, sich ihr wieder zuzuwenden, nicht hatte widerstehen können, und der sich nun abermals ganz verwirrt abwandte.

      »Ick singe jetz': Det Fallbeil!« kündigte dar vabubanzte Theodor an.

      Und wiederum wurde es ganz still, selbst die Gegenwart dieser schönen und seltenen Erscheinung konnte die Aufmerksamkeit der Hörer nicht mehr ablenken.

      »Der Text un ooch de Musik sind beede von mir« sagte der Wirt. Dann sang er:

      »Friemorjens hält vor Pletzensee

       Een schwerbepackter Wagen,

       Un een Jerüst aus Balken wird

       Da schleinigst uffjeschlagen.

       Bum! bum! bum!

       Das sind die Hammerschläge.

       Knarr! knarr! knarr!

       Das ist die scharfe Säge! ...

      Un pletzlich kommt 'n Herr im Frack,

       Trägt een Etui aus Leder,

       Un freindlich jrinsend hängt er denn

       Det Fallbeil in die Feder! ...

       Flirr! flirr! flirr!

       Er läßt es runtersausen!

       Brrr! brrr! brrr!

       Det is een Ton zum Jrausen ...

       Un uff 'n Hof versammeln sich

       Der Staatsanwalt, die Richter.

       De Zeijen kommen janz in Schwarz.

       Der Kreis wird immer dichter.

       Bimm! bimm! bimm!

       Et schneet in feine Flöckchen ...

       Bimm! bimm! bimm!

       Det Armesinderjlöckchen! ...

       Da hinten jeht 'ne Tiere uff,

       Zwee halten eenen Dritten! ...

       Die Beene schleppen fermlich nach,

       Jetz' kommt der Pfaff jeschritten.

       Trapp! trapp! trapp!

       So hallt et uff de Steene!

       Klapp! klapp! klapp!

       Des sind den seine Beene!

       Nu liest der Staatsanwalt wat vor

       Mit salbungsvollem Maule.

       Der schwarze Rudolf is janz Ohr –

      Als Theodor mit einer sehr ausdrucksvollen Gebärde unter tosendem Beifall geendet hatte, sah Heinz Marquardt seine Nachbarin an, die unter der Schminke erblaßt war.

      »Das ist ja fürchterlich!« sagte sie leise und wandte sich dabei ganz unverkennbar an Heinz.

      »Ja, ich versteh' auch nicht, wie man eine Dame hierher führen kann!« sagte dieser.

      Sofort sagte der Jüngling mit der Tuberose spitzig:

      »Ob Sie das verstehen oder nicht, das ist doch ganz gleichgültig!«

      »Oh, bitte, doch wohl nicht so ganz!« entgegnete die Dame, »denn da ich den Herrn ansprach, ist es nur natürlich, daß er meine Frage beantwortet! ... Aber,« sie wandte sich wieder an Marquardt, »ich selbst war es, die hierhergeführt zu werden wünschte!« Sie lächelte. »Übrigens Ihnen scheint es hier auch nicht zu gefallen, und Sie sind doch auch hier!«

      Heinz zögerte einen Augenblick mit der Antwort, dann kam es über ihn, als könnte er dieser Frau wenigstens einen Teil seines Unglücks anvertrauen, und mit kurzen Worten sagte er ihr, was ihn hierher und überhaupt in die Schlupfwinkel des Elends und des Lasters hineintrieb.

      Sie schien ergriffen. Und leise, wohl mehr für sich selber, sagte sie:

      »Also gibt es wirklich noch solche Treue?«

      Und einen Moment nachsinnend setzte sie hinzu:

      »Vielleicht kann ich Ihnen helfen! Besuchen Sie mich einmal! Ich wohne in der Maaßenstraße 87, parterre ... hier meine Kartei«

      Und ihm das glänzende Kartonblatt, das sie einem goldeingelegten Perlmuttertäschchen entnahm, überreichend, befahl sie ihrem Begleiter, der mit einem bitterbösen Gesicht dabeistand:

      »Holen Sie Egon!«

      Der Kavalier saß hinten, mit dem Kriminalbeamten zur Seite, in der Nähe des Wirtes, der, sich für den Applaus bedankend, vom Tisch gestiegen war und eben die Geschichte seiner Narben zum besten gab.


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