Wyatt Earp Paket 3 – Western. William Mark D.
Zeit gedacht. Wenn ich bloß wüßte, an wen er mich erinnert?«
»Eines ist sicher«, meinte Holliday, »er erinnert mich an keinen angenehmen Menschen.«
»Stimmt! Aber an wen erinnert er uns?«
Als sie nach einer halben Stunde das Boardinghouse verließen und hinunter zu ihren Pferden gingen, überlegte der Marshal noch immer, wo er den Mann gesehen haben könnte.
Mit gesenktem Kopf stand er neben seinem Falben, plötzlich die Brauen zusammenziehend.
Anderthalb Yard von ihm entfernt war ein Stiefelabdruck, in dessen Absatzmitte sich ein großer Nagel abgezeichnet hatte.
»Doc! Da, sehen Sie sich das an!«
Der Spieler blickte auf den Abdruck.
»Unser Mann aus Tucson«, stellte er sofort fest.
Beide blickten auf und sahen die Straße hinunter. Aber von dem Mann mit der Strohhalmzigarre war nichts mehr zu sehen.
Der Marshal preßte die Zähne aufeinander und zog sich in den Sattel.
Da schnipste der Gambler plötzlich mit den Fingern und rief:
»Frank McLowery! An den erinnerte er mich!«
»Richtig«, stimmte der Marshal sofort zu. »Dann stimmt es also doch, was uns der Alte in Vail gesagt hat: die McLowerys hatten einen Bruder. Der Bursche war Kirk McLowery!«
Wie aus dem Reich der Toten war plötzlich für die beiden Männer aus Dodge City einer der beiden größten Banditen wieder auferstanden, dem sie je begegnet waren: Der diabolische Verbrecher Frank Robert McLowery! Er war in seinem jüngeren Bruder Kirk in fast unheimlicher Ähnlichkeit wiederauferstanden. Das gleiche Glimmen, das in Franks Augen gestanden und ihn immer so gefährlich hatte erscheinen lassen, brannte auch in Kirks Augen.
»Hölle!« stieß der Marshal hervor, »das wird der härteste Brocken!«
Sofort jagten sie ohne ein Wort der Verständigung nach verschiedenen Seiten die Mainstreet hinunter. Aber der Desperado, der sie da so kaltnervig im Gasthaus besucht hatte, war nirgends mehr zu sehen.
Als sie oben bei der presbyterianischen Kirche wieder aufeinander trafen, schüttelte der Spieler den Kopf.
»Ich muß geschlafen haben, daß ich ihn nicht sofort erkannte!«
Der Marshal winkte ab. »Den gleichen Vorwurf müßte ich mir ja auch machen.«
Wyatt hatte beschlossen, den Sheriff aufzusuchen.
Der alte Ronald Humpy ging gerade der wichtigen Beschäftigung des Holzhackens nach, als die beiden seinen Hof durchs Bureau betraten.
Er war ein mittelgroßer Mann von untersetzter, kräftiger Gestalt und mit struppigem Haar, grünem Hemd und einer braunen Hose, die er mit den Trägern fest bis unter die Achsel gezogen hatte. Er dachte gar nicht daran, sich in seiner Arbeit stören zu lassen, als er die beiden plötzlich bemerkte.
Wyatt blieb vor ihm stehen, während sich der Spieler auf die Deichsel eines Wagens setzte.
»Wann werden Sie voraussichtlich mit dieser Beschäftigung fertig sein?« erkundigte sich der Marshal.
»Das kann ich Ihnen genau sagen«, antwortete der Sheriff, »nämlich, wenn ich den letzten Klotz zerschlagen habe.«
»Demnach könnten wir uns in einigen Tagen mal wieder hier erkundigen«, meinte der Georgier spöttisch.
»Das wäre nicht einmal das schlechteste«, knurrte der Sheriff.
»Ich habe nämlich wirklich keine Zeit.«
»Das glaube ich Ihnen gern«, versetzte der Marshal. »Wozu sollte sich auch ein Sheriff mit Banditen wie Kirk McLowery abgeben, wenn er so wichtige Dinge wie Holzhacken und dergleichen gibt. Dafür muß man natürlich Verständnis haben.«
»Sie können sich den Spott ruhig sparen«, fand Humpy. »Burschen wie Kirk McLowery wagen sich nicht nach Benson.«
»Und wenn sie doch einmal den Einfall hätten?« meinte der Marshal.
»Dann soll es sie teuer zu stehen kommen. Mit dem alten Humpy ist nämlich nicht zu spaßen!«
»Den Eindruck habe ich allerdings auch«, giftete der Spieler. Da schlug der Sheriff die Axt in den Hauklotz, stemmte die Arme in die Hüften und blickte von einem zum anderen.
»Wollt ihr euch über mich lustig machen?«
»Nein, Sheriff«, entgegnete der Marshal, »wir hätten, im Gegenteil, eine sehr ernste Sache mit Ihnen zu besprechen.«
»So, wirklich? Na, wo soll sich denn Kirk McLowery herumtreiben? He? Ich will euch mal was sagen, Leute. Das ganze Gefasel von diesem Banditen höre ich schon seit Monaten. Und ich muß euch gestehen, daß es mir endlich zum Hals heraushängt. Wahrscheinlich gibt es diesen Kerl gar nicht, und hier machen sich alle verrückt, wenn sie nur seinen Namen hören.«
»Es gibt ihn, Sheriff!« erklärte der Marshal. »Vor einer halben Stunde war er oben in dem kleinen Boardinghouse am Eingang der Stadt.«
Humpy riß die buschigen Brauen hoch in die Stirn.
»Ihr habt ihn gesehen?« stotterte er mit beschlagener Stimme.
»Allerdings…« Und nun berichtete ihm der Marshal, was ihn von Tucson hier heraufgeführt hatte.
Humpy bekam seinen Mund nicht mehr zu. Endlich krächzte er:
»Und wie kommen Sie dazu, diesem Banditen zu folgen, Mister?«
Da schaltete sich Holliday ein.
»Er kommt so dazu, wie Sie davon abkommen! – Lassen Sie uns gehen, Marshal, dieser alte Herr ist amtsmüde, und sein Holz muß ja wirklich gehackt werden.« Er erhob sich von der Deichsel und ging mit Wyatt der Hoftür zu.
Da kam Leben in die massige Gestalt des Sheriffs. Er rannte mit flinken Schritten hinter Wyatt her und versperrte ihm den Weg.
»Sie sind ein Marshal? Aber das hätten Sie mir doch sagen müssen!«
Wyatt Earp blickte ihn aus ernsten Augen an.
»Nein, Mister, ich muß es nicht. Und es ist traurig daß Sie erst durch einen Marshal an Ihre Pflicht erinnert werden müssen. Vorwärts, machen Sie sich auf die Suche. Ich habe Ihnen ja eine genaue Beschreibung des Outlaws gegeben.«
»Die habe ich vergessen!« keuchte der Sheriff aufgeregt, während er sich durchs Haar fuhr und mit den Fingern einen Kamm zu ersetzen versuchte.
»Es ist ein großer Mann, nicht sehr breit in den Schultern, trotzdem kräftig wirkend, mit hellen Augen, dunklem Gesicht, schwarzem Haar, bartlos. Er sieht gut aus, trägt ein sauber wirkendes, ziemlich neues blaues Hemd und einen ebenfalls sauberen schwarzen Anzug mit schwarzer Samtschleife. Sein Hut ist flachkronig und schwarz. In den beiden Halftern trägt er zwei achtunddreißiger Colts mit schwarzen Griffen. Seine Hose läuft unten über die Stiefeletten aus. Und…«
»Das reicht!« rief der Sheriff. »Wenn ich ihn danach nicht finden würde, wäre ich ja ein Idiot. Sagen Sie, Marshal, Sie folgen ihm also seit Tucson und…«
Plötzlich tauchte hinten über dem Hoftor ein Mann auf.
»Earp!« brüllte er. Dann krachte ein Schuß.
Und schon war der Oberkörper des Schützen wieder verschwunden.
In das Echo des Schusses hinein brüllte einer der Revolver des Spielers. Das Schießphänomen aus Georgia hatte mit traumhafter Schnelligkeit reagiert. Aber seine Kugel konnte nur noch den Hut des Heckenschützen streifen.
Die Kugel hatte den linken Ärmel des Marshals berührt. Wyatt hatte augenblicklich einen Satz vorwärts gemacht, stürmte jetzt weiter auf das Tor zu, um es aufzureißen.
»Verschlossen!« brüllte Humpy. »Es ist verschlossen!«
Wyatt lief zurück.
Holliday