Übersetztes, Neueres, Neuestes. Ferdinand Freiligrath
wurde. Die europäische Bewegung von 1848 begrüßte er mit zwei Gedichten: »Die Revolution« und »Februarklänge«, kehrte nach Deutschland zurück und ließ sich in Düsseldorf nieder. Ein Gedicht: »Die Toten-an die Lebenden«, zog ihm Verhaftung (29. Aug.) und Anklage auf Majestätsbeleidigung zu; doch ward er vom Geschworenengericht 3. Okt. freigesprochen (vgl. »Stenographischer Bericht des Prozesses gegen den Dichter F. F.«, Düsseld. 1848). In Holland, wo er sich niederzulassen gedachte, 1849 ausgewiesen, lebte er nun zu Bilk bei Düsseldorf, erhielt jedoch im Oktober 1850 die Weisung, Preußen zu verlassen. Nachdem er indes seine zehnjährige Untertanenschaft in Preußen nachgewiesen, wurde er im Mai 1851 als Ortsbürger in Düsseldorf aufgenommen. Wegen des zweiten Heftes seiner »Politischen und sozialen Gedichte« und wegen seiner Beteiligung an der demokratischen Zentralbehörde in Köln sollte er abermals verhaftet werden, er flüchtete daher wieder nach England und lebte seitdem in London, fern von den Umtrieben der Flüchtlingspropaganda, als Direktor einer schweizerischen Bankkommandite. Als das Bankhaus 1867 fallierte, kam der schon früher angeregte Gedanke, den Dichter durch eine Nationalsubskription seiner Muse zurückzugeben, zur Ausführung. Die Ergebnisse sicherten ihm ein sorgenfreies Leben, und er kehrte 1868 nach Deutschland zurück, um sich in Cannstatt bei Stuttgart niederzulassen. Freiligraths poetische Richtung zeigte sehr früh ein gewisses Überwiegen kräftiger und farbenlodernder Beschreibung. Er malte mit Vorliebe Bilder des Meeres, der Wüste, der Steppe, der tropischen Landschaft, Bilder des Kampfes und des Grauens, leidenschaftlich gespannte Situationen, ohne darum des zarten und innigen Gefühls ganz zu entbehren. Mit der völligen Neuheit des Inhalts verbanden Freiligraths »Gedichte« (Stuttg. 1838, 49. Aufl. 1896) Originalität der Form, selbst seine Wiederaufnahme des Alexandriners, den er jedoch mit kürzeren Versen vereinigte, war eigentümlich und geschickt. Die meiste Verwandtschaft zeigte F. mit Vietor Hugo, dessen »Oden« und »Dämmerungsgesänge« er daher auch mit Meisterschaft nachdichtete (in der Sauerländerschen Ausgabe von Victor Hugos Werken; vgl. Breitfeld, F. Freiligraths Übersetzungen aus V. Hugo, Plauen 1890). Dasselbe gilt von seinen Nachbildungen mehrerer englischer Lyriker, wie Th. Moore, Tannahill, Fel. Hemans, Burns etc. Einen weniger erfreulichen Eindruck machten seine späteren politischen und Zeitgedichte; die revolutionäre Überhitzung namentlich der älteren Gedichte dieser Art in den Sammlungen: »Ein Glaubensbekenntnis« (Mainz 1844, neue Ausg. 1863), »Ça ira« (Herisau 1846), »Politische und soziale Gedichte« (Düsseld. 1849–51, 2 Hefte) hatte vielfach etwas Gekünsteltes. Die spätern, in der zweiten englischen Verbannung geschriebenen Gedichte sowie die herrlichen patriotischen Dichtungen des Jahres 1870 (»Hurra Germania«, »Die Trompete von Gravelotte«) zeigten ihn hingegen im Vollbesitz seiner Kraft; der Dichter, der anfangs in romantische Ferne schweifte, war ein tieffühlender Interpret des nationalen Lebens der Zeit geworden. Gedichte aus seiner älteren, nicht politischen Zeit enthält die Sammlung »Zwischen den Garben« (Stuttg. 1849), die spätesten Dichtungen erschienen außer in den gesammelten Werken auch in den »Neuen Gedichten« (das. 1876, 3. Aufl. 1880). Außerdem gab er heraus: »Rolands Album« (Gedichte, Köln 1840); in Gemeinschaft mit I. Hub und Aug. Schnezler den 1. und 2. Jahrgang des »Rheinischen Odeon« (Koblenz 1836 u. 1839); mit Simrock und Matzerath das »Rheinische Jahrbuch für Kunst und Poesie« (Köln 1840 u. 1841); mit Levin-Schücking: »Das malerische und romantische Westfalen« (Barmen 1840–42; 3. Aufl., Paderb. 1889); mit Ed. Duller: »1842, Gedicht zum Besten des Kölner Doms« (Darmst. 1842) und »Karl Immermann, Blätter der Erinnerung an ihn« (Stuttg. 1842); »Dichtung und Dichter, eine Anthologie« (Dessau 1854) und die englische Anthologie »The rose, thistle and shamrock« (6. Aufl., Stuttg. 1887). Als Übersetzer ließ er den »Englischen Gedichten aus neuerer Zeit« (Zür. 1846) die Übertragung von Shakespeares »Venus und Adonis« (Düsseld. 1849) und Longfellows »Hiawatha« (Stuttg. 1857) folgen. Aus seinem Nachlaß erschienen noch zwei Jugendarbeiten: die Übersetzung von Byrons »Mazeppa« und die Erzählung »Der Eggesterstein« (Stuttg. 1883). Freiligraths »Gesammelte Dichtungen« (Stuttg. 1870, 6 Bde.; 6. Aufl. 1898) fanden eine glänzende Ausnahme. Seit 1875 gab er für den Hallbergerschen Verlag zu Stuttgart ein illustriertes Unterhaltungsblatt in englischer Sprache u. d. T.: »Illustrated Magazine« heraus. – Freiligraths Gattin Ida (gest. 6. Febr. 1899 in London) zeichnete sich ebenfalls als geschmackvolle Übersetzerin englischer Dichtungen aus; seine älteste Tochter, Käthe, übertrug Gedichte ihres Vaters vortrefflich ins Englische und veröffentlichte 1901 in der »Deutschen Revue« interessante Erinnerungen »Aus dem Nachlaß meiner Mutter«. Vgl. Schmidt-Weißenfels, F., eine Biographie (Stuttg. 1876); Buchner, Ferdinand F., ein Dichterleben in Briefen (Lahr 1881, 2 Bde.); Gisberte Freiligrath, Erinnerungen an Ferd. F. (Minden 1889); I. Rodenberg, Erinnerungen aus der Jugendzeit (Berl. 1899, 2 Bde.); Kurt Richter, F. F. als Übersetzer (das. 1899).
Übersetztes. Neueres und Neuestes.
Robert Buchanan
In der Synagoge am großen Salzsee.
Eine Mormonenpredigt.
Der Prophet.
Schwestern und Brüder, folgend der Pflicht,
Heil'ge mit Herzen himmlisch-einig,
Kinder, wandelnd und jauchzend im Licht, –
Dies ist 'ne nette Versammlung, mein' ich.
Wo ist das Antlitz, das Kummer trübt?
Jehovah ist mit uns; er führt uns selber;
Eine Ernte gab's, wie es wenige gibt,
Und die Seuche verließ unsre Rinder und Kälber.
O, heiliges Leben auf lachender Au,
Die mit Milch und Honig erquickt die Scharen!
Weibliche Flüsterstimmen
Bruder Schuttleworths siebzehnte Frau, ...
Die mit den komisch frisierten Haaren!
Der Prophet
Aus Ägypten flohn wir hieher;
Felsig die Wüste, durch die wir fuhren:
Das Volk schaute trüb, und murrte sehr;
Das Gebein der Märtyrer füllt' unsre Spuren.
Über Berg und Tal sind wir langsam gereist,
Jeden Morgen schlugen die Herzen schneller.
Unser Fleisch war schwach, doch stark unser Geist,
Und wir führten, Gottlob, einen Reisekeller.
Auf der Höh' dort endlich machten wir Schicht,
Grad' als die Sonn' im Westen gesunken.
Weibliche Flüsterstimmen
Ist des Richters letzte ein Scheusal nicht? ...
Kein Zweifel, daß Bruder Abram getrunken!
Der Prophet
Jene Nacht, meine Lämmer, hab' ich im Traum
Das Entströmen vieler Quellen gesehen;
Der Morgen brach an, es dämmerte kaum,
Da stiegen herab wir von jenen Höhen;
Trafen das Wasser am richtigen Ort,
Frisch und gut, nur ein wenig grandig!
Lagerten uns in der Ebne, und dort
Gegend und Plan Neu-Jerusalems fand ich.
"Pfadfinder der Seligen," rief ich laut,
"Grabt, und der Herr wird euch segnen erklecklich!"
Weibliche Flüsterstimmen.
Brigham besiegelt mit noch einer Braut ...
Ah! wie er verfällt! Er altert schrecklich!
Der Prophet.
Oft, o Geliebte, solchergestalt