Der Vogt von Sylt. Theodor Mügge

Der Vogt von Sylt - Theodor Mügge


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      »Die sogenannte Inkorporation von 1721,« sprach Jens lachend, »war nichts als ein verunglückter Staatsstreich, mit dem man uns die männliche Erbfolge nehmen und das Königsgesetz aufzwingen wollte. Aber unsere Rechte und Freiheiten stehen darum nicht minder fest, wir können und wollen niemals Dänen werden, Volksrecht geht über Fürstenrecht und Volkswille dauert länger als Königswille.«

      »Herr Lornsen,« sagte der Staatsrat aufstehend, »Sie muten mir wirklich mehr zu, als ich ertragen kann. Wahrhaftig, es ist komisch genug, daß ich auf dieser kleinen Scholle im Meere ganz ernsthaft bleiben und Dänemarks Rechte auf Schleswig vertreten soll. – Sei im Besitz und du bist im Recht! ruft Ihr deutscher Dichter Schiller aus, dessen revolutionäres Treiben Ihnen gewiß mehr zusagt wie Goethe. Nun wohl, wir sind im Besitz, folglich im Recht und werden es festhalten. – Wie aber die Zeit hingegangen ist! In so angenehmer Unterhaltung fliegen die Stunden wie Minuten. – Hören Sie das Brausen draußen? Es wird wieder windig.«

      »Es ist die Flut,« sagte Lornsen, nach der alten Wanduhr blickend, »Sie bringt den Wind mit, aber er wird uns günstig sein.«

      »Und wie ist es mit unserer Abfahrt?« fragte der Baron.

      »In einer halben Stunde werden wir die Hallig verlassen können.«

      »Nun, das ist erfreulich zu hören,« rief der alte Herr, »hoffentlich ist das Wetter gut.«

      Lornsen öffnete die Thür der Stube. Die Läden vor den Fenstern waren dicht geschlossen, jetzt aber drang durch das trübe Licht der Lampe der glänzende Schein des Mondes herein, und draußen lag die sternenvolle Nacht so klar und wolkenlos, als sei es unmöglich, daß sie jemals getrübt werden könnte.

      Der Mond überglänzte das Meer, das in leuchtenden Wellen aufrollte, die wie Berge geschmolzenen Metalls sich hoben und senkten. Die Hallig war zum Teil von der Flut überdeckt, ihr weißer Schaum spritzte über das Gras, und mitten zwischen diesen silbernen zahllosen Gipfeln und schattigen Schluchten voll Finsternis und geheimnisvollem Grauen lag das beglänzte Haus, wie auf den Wogen schwimmend, die es zu tragen schienen.

      »Wenn ich das sehe,« rief der Baron, »kann ich mir erst recht denken, wie wohl zuweilen die Springfluten bis über die Warften hinauf in die Häuser und über diese fortstürzen und alles begraben können.«

      »Im Jahre 1634,« sagte Lornsen, »kamen in einer Nacht, am 11. Oktober, 15000 Friesen ums Leben. Wer übrig blieb, dem raubten die dänischen Vögte das Eigentum, um die Steuern und Abgaben damit zu decken. So ist es fortgegangen hier jahrhundertelang und noch in diesem Jahr haben wir Schreckliches erlebt. Wenn Sturm sich mit der Springflut verbindet, steigt sie zwanzig und dreißig Fuß hoch und nichts kann ihr widerstehen. – Und was haben diese armen genügsamen Menschen an Freuden für so viel Gefahr und Leid? Sie haben nichts als ihr Haus und das kleine fahle Grasfeld. Keinen Baum, keinen Strauch, kein schattiges Plätzchen. Nicht einmal der Anblick eines blauen schönen Meeres wird ihnen zu teil. Es rollt seine trüben Wogen wild an ihnen hin und überzieht die Hallig, die es zerreißt, mit seinem schwarzen Schlamm. Diese schmutzigen Wellen meiden auch die Fische; selten ist der Fischfang ergiebig, ekle Rochen und Seehunde sind die alleinigen Bewohner, und wenn die Finger des fleißigen Mädchens von der Arbeit ausruhen, wenn am Sonntag die Freude kommen soll, um das harte Leben zu versüßen, giebt kein Tanz, kein Spiel, kein Besuch ihr Genuß. Sie sitzt auf der Bank am Hause und denkt an ihren Liebsten, der auf fernen Meeren schwimmt, und an die Zeit, wann er wiederkehrt und mit ihr vereint hier wohnen wird.«

      »Und ist dieser Gedanke nicht ein süßer Trost?« erwiderte Lina leise, die neben ihm stand. »Ist Vereinigung mit dem geliebten Manne nicht das Höchste, was ein Mädchen denken und vom Schicksal fordern kann?«

      Lornsen blickte sie bewegt an, »In Liebe vereint,« sagte er, »ja gewiß, darin liegt alles, was ein Mensch zu begehren hat. Aber die sich trennen müssen, um einsam ihren Weg zu gehen. Was ist deren Hoffnung?«

      »Zu wagen und zu gewinnen,« gab sie zur Antwort. »Wagt der junge Schiffer nichts, wenn er über die Meere zieht, um endlich Braut und Hallig zu erwerben? Das Mädchen hofft auf ihn, auf seine Liebe. Sie weiß, daß er kommen wird, sie wartet gläubig und treu auf die ersehnte Stunde.«

      »Herr Lornsen,« rief der Baron, der am Hause hingegangen war und nun zurückkehrte, »die Schlupp liegt bereit, und wie ich höre, soll es hohe Zeit sein; wenn wir mit der Flut Husum erreichen wollen. – Nimm Abschied, Lina, und laß uns eilen.«

      Der Abschied war kurz. Der alte Herr konnte nur mit Mühe den armen Halligleuten ein Geschenk aufdringen. Einige Minuten später flog das kleine Schiff aus dem Gerinn ins Meer. Gute Wünsche schallten ihm nach, bald war es mitten in Welle und Wind, der seine Segel schwellte.

      Nach einigen Stunden, als der Morgen eben zu dämmern begann, fiel der Anker dicht an der Ufertreppe im Hafen.

      »Herr Lornsen,« sagte der Staatsrat, »ich weiß, daß ich Ihnen den größten Dank schulde, und ich will darauf sinnen, wie ich mir Genugthuung verschaffen kann. Vorderhand vergessen Sie nicht, daß sie Freunde in Kopenhagen haben, denen es wohlthun wird, wenn sie irgend etwas thun können, was Ihnen angenehm ist.«

      »Vergessen Sie uns nicht,« fügte das Fräulein hinzu. – Lornsen hob sie auf das Bollwerk. Ein leiser Druck der Hand, dann gingen sie beide um den kleinen Platz; die Schiffsleute trugen das Gepäck nach.

      »Morgen wird alles vergessen sein!« rief Lornsen, mit der Hand über die Stirn streichend. »Morgen bin ich in Sylt, der Traum ist aus!«

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