Dr. Norden Bestseller Paket 1 – Arztroman. Patricia Vandenberg
Schulter. »Sie kann gehen. Katja kann gehen«, flüsterte sie.
Und noch ein Wunder geschah!
Lorna ging zu Katja und ergriff ihre Hand. »Er wird bestimmt wiederkommen«, sagte sie. »Und ich auch.«
»Was sollen wir uns noch wünschen, Fee?« fragte Daniel.
»Ich bin sehr unbescheiden. Ich wünsche mir sehr viel, aber vor allem, daß wir solche Augenblicke noch oft erleben, Daniel, mein Liebster!«
»Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei, aber die Liebe ist sicherlich die größte unter ihnen«, flüsterte Henriette Seidel.
»Frau Seidel«, rief Daniel freudig aus.
»Hier bin ich die Henriette, und wenn Sie mich in Zukunft sehen wollen, müssen Sie tatsächlich zu mir kommen, hierher«, erwiderte sie.
»Ja, Henriette bleibt bei uns«, lächelte Fee. »Sie ist uns unentbehrlich geworden.«
»So hat es Vater sich wohl in seinen kühnsten Träumen nicht vorgestellt«, sagte Daniel. »So viel Glück auf dieser Insel.«
- E N D E -
»So, jetzt tut es mal ein bißchen weh, Herr Gradel«, sagte Dr. Daniel Norden zu seinem Patienten. »Aber dann haben wir es geschafft.«
»Wenn ich mich schon so dämlich anstelle, gehört es mir nicht anders«, sagte der biedere grauhaarige Hausmeister, der mit dem Daumen in die Brotschneidemaschine gekommen war. »Meine gute Hilde fehlt mir halt an allen Ecken und Enden.«
Dr. Norden hatte den Schnitt, der tiefgegangen war, geklammert und einen Schutzverband darübergelegt.
»Nun wird Ihre Frau ja bald wieder zurückkommen«, sagte er aufmunternd, »gut erholt und frei von allen Beschwerden.«
»Es muß das reinste Paradies sein«, sagte Herr Gradel. »Klingt ja auch schon so. Insel der Hoffnung. Es war sehr nett von Ihnen, daß Sie meine Frau dorthin geschickt haben. Sie hat die Erholung nötig gebraucht. Und bis sie zurückkommt, wird der Daumen wohl auch wieder verheilt sein, sonst sagt sie wieder, daß man mich nicht allein lassen kann. Aber Sie können wirklich alles, Herr Doktor.«
»Alles auch nicht«, erwiderte Dr. Norden lächelnd. Sein interessantes Gesicht wirkte durch dieses Lächeln noch anziehender.
»Den Krankenschein bringe ich noch«, sagte Herr Gradel.
»Ach was, schon erledigt«, erwiderte Dr. Norden. »Sie sind ja auch immer für uns da.«
»Wenn nur alle hier im Haus so nett wären wie Sie«, sagte der Mann, »aber bei manchen meint man ja, es macht ihnen Spaß, einen zu schikanieren.«
Das wußte Dr. Daniel Norden auch. Unfreundliche Zeitgenossen gab es überall, und welcher Hausmeister konnte es schon allen recht machen? Dabei war Herr Gradel wirklich ein zuverlässiger und stets freundlicher Mann, der mit allem Bescheid wußte. Nur mit der Brotschneidemaschine konnte er anscheinend nicht umgehen. Aber vielleicht war er wieder einmal mit seinen Gedanken bei seiner Frau gewesen, die nun schon die vierte Woche auf der Insel der Hoffnung weilte, jenem Sanatorium, dessen Initiator Daniel Nordens Vater gewesen war und das von Dr. Johannes Cornelius geleitet wurde.
Einen solchen Erholungsaufenthalt hätte sich Hilde Gradel nie leisten können. Von der Krankenkasse wäre sie irgendwohin geschickt worden, wo sie sich wahrscheinlich todunglücklich gefühlt hätte, denn die Trennung von ihrem Mann, mit dem sie über dreißig Jahre verheiratet war, fiel ihr schwer. Aber auf der Insel der Hoffnung brauchte sie sich nicht fremd zu fühlen. Dort herrschte der gleiche Geist, mit dem Dr. Daniel Norden auch seine Stadtpraxis betrieb, mit großem menschlichem Verständnis für seine Patienten, gleich, ob arm oder reich, mit leidenschaftlicher Hingabe an seinen Beruf, wie es einst sein Vater auch gehalten hatte.
Wenn man Daniel Norden nur flüchtig kannte, traute man es ihm nicht zu, daß er ein so gemütvoller Arzt war. Er wirkte eher wie ein Sportsmann, und nach seiner äußeren Erscheinung hätte man ihn auch für einen Filmstar halten können. Das war wohl auch ein Grund dafür, daß viele Frauen zu ihm kamen. Was ihn daran ein wenig störte, war die Tatsache, daß jede meinte, er müsse Zeit für ein Plauderstündchen haben.
Helga Moll, seine Sprechstundenhilfe, von ihm Molly genannt, mußte da manchmal ganz energisch, wenn auch mit aller Diskretion, einschreiten. Sie machte das allerdings sehr geschickt. Auch jetzt wieder, als Frau Brehmer gar keine Anstalten machte zu gehen.
»Dringender Anruf, Herr Doktor«, schallte es aus der Sprechanlage. »Herzanfall.«
»Sie entschuldigen, gnädige Frau«, sagte Dr. Norden zu Frau Brehmer. »Sie haben es vernommen.«
Wohl oder übel mußte sie jetzt gehen. »Lassen Sie sich doch nicht so hetzen«, sagte sie mit einem süßlichen Lächeln. »Das haben Sie doch gar nicht nötig.«
»Wenn ein Menschenleben auf dem Spiel steht?« fragte er, obgleich er annahm, daß Molly einmal wieder zu einer energischen Maßnahme Zuflucht genommen hatte, um die anhängliche Frau Brehmer aus der Praxis zu vertreiben.
Dem war aber nicht so. Der Notruf war wirklich gekommen. Und zwar von der Frau des Hoteliers Kürten. Schon der zweite Herzanfall innerhalb von vier Wochen.
Es war gut, daß Frau Brehmer die letzte Patientin gewesen war. Sie richtete es immer so ein, weil sie dann hoffte, daß Dr. Norden länger Zeit für sie haben würde.
Dr. Norden dachte daran nicht mehr, als er auf schnellstem Wege zu dem Hause der Kürtens fuhr, das in einer stillen Straße der Villenkolonie lag.
Ein sehr blasses, zierliches junges Mädchen öffnete ihm.
»Dr. Norden?« fragte sie leicht überrascht, doch scheu und bebend. »Ich bin Astrid Kürten. Papa geht es gar nicht gut.«
Dr. Norden schenkte ihr keine weitere Beachtung. Er eilte schon die Treppe hinauf, an deren oberem Absatz Frau Kürten mit sorgenvoller Miene stand.
»Diesmal ist es noch schlimmer«, sagte sie leise. Davon konnte er sich gleich darauf überzeugen.
»Diesmal muß Ihr Mann in die Klinik«, sagte er, nachdem er dem Kranken eine Spritze gegeben hatte. »Die Verantwortung, ihn zu Hause zu lassen, kann ich nicht übernehmen.«
»Aber Sie kennen doch meinen Mann«, sagte Frau Kürten erregt.
»Er muß unter ein Sauerstoffzelt«, sagte Dr. Norden, und schon war er auf dem Wege zum Telefon. Hier war höchste Eile geboten, und doch ahnte er noch nicht, daß das blasse junge Mädchen, das zitternd an der Tür lehnte, ihn einmal noch bedeutend mehr beschäftigen würde als ihr Vater.
Er verständigte die Klinik und bestellte den Krankenwagen.
»Ich werde ihn persönlich zu Professor Manzold bringen«, sagte er zu Astrid Kürten. »Nun weinen Sie doch nicht gleich. Ihrem Vater kann doch geholfen werden.«
Es läutete an der Tür. Es war noch nicht der Krankenwagen. Es war ein junges Mädchen, sehr hübsch und quicklebendig. Das Gegenteil von Astrid Kürten.
»Was ist denn bei euch los?« fragte sie.
»Papa ist schwer krank«, erwiderte Astrid unglücklich.
»Dann rühre ich mich später. Ich wollte dir nur verkünden, daß ich mich mit Wolf verlobt habe, Astrid.«
Ziemlich taktlos, dachte Dr. Norden, und er sah, wie Astrid schwankte.
»Herr Kürten ist sehr krank«, sagte er zu dem Mädchen, der nun glühende Röte ins Gesicht schoß.
»Entschuldigung, das war dumm von mir«, sagte sie. »Tut mir leid, Astrid. Alles Gute für deinen Vater.«
Dann sah sie Dr. Norden mit einem leicht herausfordernden Blick an. »Sie sollten sich vielleicht auch mal um Astrid kümmern«, sagte sie.
»Ich bin nicht krank«, stieß Astrid hervor, doch dann kam der Krankenwagen.