Dr. Norden Bestseller Paket 1 – Arztroman. Patricia Vandenberg
schade.
Man konnte wohl sagen, daß Wolfgang Bender keinerlei Sympathie für Dr. Norden hegte. Er fand ihn arrogant, und kalte Wut stieg in ihm empor, als er sah, daß Daniel Astrid zum Abschied die Hand küßte. Das allerdings tat Daniel nur, weil er den zornfunkelnden Blick wahrgenommen hatte, denn im allgemeinen war er nicht für solche Gesten.
Als Daniel in die Praxis zurückkehrte, traf er vor dem Lift wieder mit Lilly zusammen. Sie warf ihm einen herausfordernden Blick zu.
»Von ärztlicher Schweigepflicht halten Sie wohl nicht viel?« fragte sie schnippisch.
»Ich wüßte nicht, daß ich sie jemals verletzt hätte«, erwiderte er.
»So? Ich möchte betonen, daß ich aus Besorgnis um Astrid mit Ihnen gesprochen habe, nicht, damit unsere Freundschaft zerstört wird.«
»Sie sprechen in Rätseln, Fräulein Friedinger«, sagte Daniel abweisend. »Aber vielleicht sollte ich Ihnen einen Rat geben. Freundschaft wird zu oft mißbraucht. Ich würde mich hüten, einen empfindsamen Menschen zu verletzen.«
*
Der Nachmittag ging ohne besondere Vorkommnisse vorbei, dennoch wurde die eigentliche Sprechzeit weit überschritten.
Gegen halb sieben Uhr rief Isabel an, die sich bei Daniel für die Blumen bedanken wollte.
»Woher weißt du denn, daß ich Geburtstag hatte?« fragte sie.
»Molly hat es mir erzählt«, erwiderte Daniel. »Sabine ist so spät nach Hause gekommen.«
»Soll das ein Vorwurf sein, Daniel?« fragte sie.
»Nicht die Spur. Du warst wieder mal unterwegs. Wir haben uns lange nicht gesehen.«
»Jetzt sag nur nicht, daß du Sehnsucht nach mir hast«, tönte ihre Stimme durch den Draht. »Wir können heute abend eine Nachfeier veranstalten, wenn du Zeit hast.«
»Gut«, sagte Daniel, »wie alt bist du eigentlich geworden?«
»Sei nicht so indiskret. Jetzt geht es mit Endspurt auf die Dreißig zu.«
»Ein interessantes Alter für eine Frau«, scherzte er. »Wo treffen wir uns?«
»Du kannst mich ja abholen, Daniel. Ich freue mich.«
Lenchen war natürlich unzufrieden, daß er schon wieder ausging.
»Nur keine Panik, Lenchen«, sagte er lächelnd, »wenn ich erst verheiratet bin, bleibe ich jeden Abend zu Hause.«
»Na, hoffentlich dauert das nicht mehr lange«, sagte sie.
Daniel zog seinen Trachtenanzug an, damit Isabel nicht etwa auf den Gedanken kommen könnte, mit ihm in eine Bar zu gehen, aber als er dann bei ihr läutete, eröffnete sie ihm gleich, daß sie nicht daran dachte, auszugehen.
»Heute bist du mein Gast, Daniel«, sagte sie ungezwungen.
Sie war schmaler geworden und sah angegriffen aus. Er wollte es ihr nicht sagen, aber sie spürte, wie er sie forschend musterte.
»Es wird Zeit, daß ich Urlaub mache«, sagte sie. »Hoffentlich hast du nichts dagegen, daß ich ihn auf der Insel verbringen will.«
»Sie sind ziemlich ausgebucht«, sagte er.
»Ja, ich weiß. Ich habe vorhin mit Fee telefoniert. Für mich haben sie noch Platz.«
»Wann fährst du?« fragte er hastig.
»Schon am Samstag. Es freut mich aber, daß Fee mir keine Absage erteilt hat.«
Herrliche Blumen standen überall im Zimmer. »Es freut mich auch, daß du mir gratuliert hast, Daniel«, sagte Isabel.
»Du hast mir nie gesagt, wann du Geburtstag hast«, sagte er.
»Du hast mich nicht gefragt. Was möchtest du als Aperitif?«
»Gar keinen. Ein Bier wär mir recht«, erwiderte er.
»Dann können wir ja gleich essen«, sagte Isabel. »Roastbeef, Spargelsalat und Käseplatte. Mehr habe ich nicht zu bieten.«
Daniel lächelte. »Es genügt vollauf. Sag mal, Isabel, du kriegst doch nicht etwa Torschlußpanik, weil du nächstes Jahr dreißig wirst?«
»Ach was, es sind nicht die Jahre«, erwiderte sie. »Mir ist manchmal alles über. Was würdest du sagen, wenn ich den Wunsch hätte, ein Kind zu adoptieren?«
»Nichts«, platzte er heraus.
»Wieso nichts?« fragte Isabel.
»Weil das wahrscheinlich schon von der gesetzlichen Seite her unmöglich ist. Du solltest es wissen, Isabel.«
»Auch wenn es sich um ein kleines
vietnamesisches Waisenkind handelt, das niemanden hat?«
»Nun mal mit der Ruhe«, sagte Daniel. »Du machst dir anscheinend gar keine Vorstellung über die Schwierigkeiten. Du hast im Augenblick nur Mitgefühl.«
»Erbarmen«, sagte sie. »Mir ist es ganz elend, seit ich diese Würmchen gesehen habe.«
»Wo?«
»In London. Es hatten sich Ehepaare gemeldet, die zur Adoption bereit waren, und als die Kinder dann ankamen, haben sie kapituliert. Ich sollte einen Artikel darüber schreiben, Daniel. Ich konnte es nicht. Mir war noch nie so elend.«
Und sie hatte sich wahrscheinlich den Kopf darüber zergrübelt. Das war eine andere Isabel als jene, die er kannte. Es war nicht mehr die ehrgeizige, emanzipierte, sondern nur eine mitleidvolle und mitleidende.
»Jetzt setz dich erst mal hin«, sagte er. »Darüber muß man sich aussprechen. Du bist schließlich eine berufstätige, alleinstehende Frau. Du bist doch gar nicht in der Situation, dich nur einem Kinde zu widmen. Du bräuchtest jemanden, der sich um das Kind kümmert, wenn du abwesend bist, oder du müßtest es in ein Heim geben. Allein das würde eine Adoption schon illusorisch machen. Dann kommen auch noch andere Schwierigkeiten hinzu, die du bedenken solltest. Das Kind behält auf jeden Fall seine Staatsangehörigkeit.«
»Das ist doch lächerlich«, begehrte Isabel auf.
»Es ist aber so. Ich kann mir schon vorstellen, daß adoptivbereite Eltern kapitulieren, wenn sie in die Mühle der Gesetze geraten sind. Und du machst dich jetzt erst mal frei von Emotionen, Isabel. Ich finde es wunderbar, daß du sie hast, aber man muß auch auf dem Boden der Tatsachen bleiben. Wenn du jetzt den Wunsch nach einem Kind verspürst, solltest du heiraten. Oder auch nicht, wenn du den Mann findest, den du dir als Vater deines Kindes wünschst.«
»Und wenn er unerreichbar für mich ist?« fragte sie heiser.
Habe ich etwa falsche Hoffnungen in ihr geweckt, weil ich ein paar Blumen zum Geburtstag schickte? fragte er sich beklommen. Habe ich sie in solchen Hoffnungen bestärkt, weil ich so rasch bereit war, den Abend mit ihr zu verbringen? Wieviel Fehler konnte ein Mensch eigentlich unüberlegt machen?
»Bilde dir nur nichts ein«, stieß Isabel hervor. »Du bist nicht der Mann.«
Nun hätte er eigentlich erleichtert sein können, aber er war es nicht. Bei
Isabel wußte man nie so recht, woran man war.
»Entschuldige, daß ich davon angefangen habe«, fuhr sie fort, »aber sie hatten mich wegen der Reportage so bekniet, und ich hatte ja auch die Absicht, sie zu schreiben. Es rührt die Menschheit, wenn man so was richtig verpackt. Es wird gelesen und wieder vergessen. Mich hat es richtig gepackt, und wenn man so etwas schreibt, muß man ja auch eine Lösung finden für solche Probleme. Ich hasse diese Geschichten mit dem Fragezeichen, bei denen jedem selbst überlassen bleibt, eine Lösung zu finden.«
»Du schreibst die Story also nicht?« fragte Daniel.
»Nein, ich schreibe sie nicht. Ich habe es satt, als die Sensationsreporterin betrachtet zu werden, die heiße Eisen anfaßt. Deswegen möchte ich jetzt auch Abstand gewinnen, Dan.«
Sie