Dr. Norden Bestseller Paket 1 – Arztroman. Patricia Vandenberg

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seine Mutter egoistisch fand und ihre Fürsorge lästig. All dies war menschlich, vielleicht auch ein Generationsproblem. Doch es brauchte solche Probleme nicht zu geben, wenn man ehrlich zueinander war.

      Unwillkürlich wanderten seine Gedanken nun wieder zu Astrid Kürten. War es wirklich erst der dritte Tag, daß er ihren Vater ins Krankenhaus gebracht hatte? Soviel war seither schon wieder geschehen, doch so war es nun einmal in der Praxis eines Arztes. So vielerlei Schicksale Tag für Tag, so viele Konflikte, die nicht spurlos an ihm vorübergehen konnten. Es war ja keine Ware, mit der er sich beschäftigte, es waren Menschen, für deren Leben er Verantwortung übernahm, wenn sie zu ihm kamen.

      Wie Fee sich über seinen morgendlichen Anruf gefreut hatte! Ein Lächeln glitt über sein Gesicht. Er könnte doch ruhig etwas aufmerksamer sein, ging es ihm durch den Sinn, öfter einmal anrufen, und ihr auch ab und zu Blumen schicken. Und da hielt er auch schon vor einem Blumengeschäft, aber erst, als er ausgestiegen war, bemerkte er, daß er sich direkt neben dem Hotel befand, das Karl Kürten gehörte.

      Welche Blumen schickte man der geliebten Frau? Rote Rosen? Das war so gang und gäbe. Daniel wollte sich nicht daran halten. Er bestellte ein Gesteck aus zartlila Orchideen. Rosen gab es auf der Insel unzählige, deswegen war sie auch Roseninsel genannt worden. Doch jetzt war es die Insel der Hoffnung, eine Oase des Friedens in einer erbarmungslosen, hektischen Zeit.

      »Grüß Gott, Fräulein Kürten«, hörte er eine Verkäuferin sagen, und da drehte er sich um und sah Astrid an der Tür stehen. Knabenhaft schlank in einem beigen Hosenanzug, der sie noch farbloser erschienen ließ, als sie war.

      Warum nur wählt sie nicht vorteilhaftere Kleidung? dachte er. War das auch eine Art von Protest oder Resignation?

      Sie war schrecklich verlegen, als er sie mit einer leichten Verbeugung begrüßte.

      »Ein Arrangement für eine Festtafel«, sagte sie stockend zu der Verkäuferin, die nach ihren Wünschen gefragt hatte. »Rosa Rosen und Veilchen. Geht das?«

      »Selbstverständlich«, wurde ihr geantwortet, und schon war sie wieder im Gehen begriffen.

      »Geht es wieder besser?« erkundigte sich Daniel bei ihr, als sie gemeinsam auf die Straße traten.

      »Ja, danke«, erwiderte sie scheu. »Auf Wiedersehen, Herr Doktor.«

      Aber dann drehte sie sich doch noch einmal um und lächelte flüchtig. »Besuchen Sie Papa ab und zu?« fragte sie.

      Er nickte und wunderte sich doch ein bißchen, daß sie noch einmal grüßend die Hand hob und ihm leicht zuwinkte. Er kannte Wolfgang Bender nicht und wußte nicht, daß er eben in der Tür des Hotels erschienen war. Und er konnte auch nicht ahnen, daß dieser jetzt dachte, daß diese Begegnung zwischen Daniel Norden und Astrid Kürten nicht eine rein zufällige gewesen war.

      Also hat Lilly doch nicht gelogen, ging es Wolfgang Bender durch den Sinn.

      Er hatte seinen Vorsatz, mit Astrid zu sprechen, noch nicht ausführen können. Sie war ihm geflissentlich aus dem Wege gegangen. Zweimal war sie im Hotel gewesen, um nach dem Rechten zu schauen, seit ihr Vater im Krankenhaus war, aber immer waren dann andere Angestellte um sie herum gewesen.

      Astrid ging mit entschlossener Miene an ihm vorbei. Flüchtig erwiderte sie seinen höflichen Gruß. Sie wußte selbst nicht, wie trotzig sie wirkte.

      Vor denAngestellten hatten sie nie jene Vertraulichkeit gezeigt, die ihre lange Freundschaft mit sich brachte.

      Ja, für sie war es eine schöne Freundschaft gewesen, die schon begonnen hatte, als sie noch in den Kinderschuhen steckte und Wolfgang als Volontär im Unternehmen ihres Vaters anfing. Durch sie hatte er auch Lilly kennengelernt. Lilly hatte ihre Chancen genutzt, während sie, Astrid, viel zu schüchtern gewesen war, Wolfgang ihre Gefühle nur anzudeuten.

      Ihr Mädchentraum war es gewesen, mit ihm Hand in Hand zu arbeiten, ihm zu beweisen, daß sie nicht nur die Tochter eines reichen Vaters sein wollte.

      Daß Astrid Kürten tüchtig war, bezweifelte jetzt niemand mehr. Seltsamerweise war sie gar nicht unsicher, wenn es um geschäftliche Entscheidungen ging. Sehr sachlich sprach sie mit der Beschließerin, bemängelte einige Nachlässigkeiten der Zimmermädchen, erkundigte sich bei einigen Gästen, die abreisen wollten, ob sie zufrieden gewesen seien. Dann sah sie die Post durch, die an ihren Vater persönlich gerichtet war, erledigte einige Telefonanrufe und inspizierte dann die Küche. Sie tat alles das, was ihr Vater sonst auch persönlich tat.

      Endlich fand Wolfgang Bender einen Augenblick, der günstig schien, sie allein zu sprechen.

      »Darf ich etwas klarstellen, Astrid?« fragte er ohne Umschweife.

      »Ich wüßte nicht, was es klarzustellen gäbe«, erwiderte sie kühl. »Ich fahre jetzt in die Klinik. Sorgen Sie dafür, daß für die Verlobungsfeier alles in Ordnung geht.«

      Er sah sie verstört an, denn augenblicklich dachte er nicht daran, daß der kleine Speisesaal für den heutigen Abend für ein Verlobungsessen reserviert worden war.

      »Die Blumen habe ich bestellt«, fuhr Astrid fort.

      »Die Zahl der Gäste hat sich auf achtundzwanzig erhöht. Sonst noch Fragen?« Es klang ein bißchen herablassend, und es verschaffte ihr eine gewisse Genugtuung, daß sie seine gewohnte Selbstsicherheit ins Wanken gebracht hatte.

      »Ich wollte wegen Lilly mit Ihnen sprechen«, stieß er hervor.

      »Das erübrigt sich. Meinen Glückwunsch zur Verlobung«, sagte Astrid. Dann eilte sie auch schon hinaus, ohne sich darüber klar zu sein, daß sie gerade mit dieser Reaktion mehr verraten hatte, als sie wollte.

      Wolfgang stand momentan zur Bildsäule erstarrt, und dann wurde es ihm schwindelig, als er sah, daß Lilly über die Straße kam und direkt auf Astrid zuging.

      »Ich habe bei euch angerufen«, sagte Lilly unverfroren. »Deine Mutter sagte mir, daß du hier bist. Ich dachte, wir könnten gemeinsam essen.«

      Das hatten sie früher auch manchmal getan, und sicher hatte Lilly dies mit gleicher Selbstverständlichkeit wie jetzt vorgeschlagen, aber da war Astrid ja auch noch völlig arglos gewesen und hatte es schon gar nicht als Aufdringlichkeit empfunden.

      »Ich fahre zu Papa«, sagte sie abweisend.

      »Warum bist du böse mit mir?« fragte Lilly.

      »Ich bin nicht böse«, erwiderte Astrid, »ich habe nur über einiges nachgedacht.«

      »Wenn es wegen Wolf ist, können wir doch reden, Astrid«, sagte Lilly. »Ich wußte nicht, daß du soviel für ihn übrig hast.«

      »Woher willst du es jetzt wissen?« fragte Astrid spöttisch. »Ich habe nichts für ihn übrig, wenn es dich beruhigt.«

      »Wenn unsere Freundschaft dadurch leidet, möchte ich diese Verlobung lieber ungeschehen machen«, sagte Lilly scheinheilig.

      »Freundschaft?« sagte Astrid betont. »Ich war ziemlich naiv.«

      Dann setzte sie sich ans Steuer ihres Wagens und fuhr davon. Lilly wartete noch ein paar Sekunden, dann betrat sie die Hotelhalle.

      »Ich habe keine Zeit«, sagte Wolfgang sofort barsch, bevor sie noch den Mund auftun konnte. »Herr Kürten schätzt es nicht, wenn wir Privatbesuche während der Arbeitszeit empfangen. Ich mache dabei keine Ausnahme. Ich bin auch nur Angestellter.«

      »Hat Astrid dich darauf hingewiesen?« fragte Lilly anzüglich.

      »Es wäre ihr gutes Recht. Bitte, geh jetzt. Ich habe keine Zeit.«

      »Ich habe die Absicht, hier zu essen«, sagte Lilly ironisch. »Das kannst du mir doch nicht verwehren.«

      »Bitte«, sagte er, »und guten Appetit.«

      Nun konnte Lilly auch darüber nachdenken, daß sie wohl doch unüberlegt gehandelt hatte. Was war nur plötzlich in Astrid gefahren? Was für einen herrischen Ton schlug sie an? Ob sie jetzt gar ihren Vater beeinflussen würde, Wolf zu entlassen? Der Appetit war Lilly vergangen, außerdem


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