Dr. Norden Bestseller Paket 1 – Arztroman. Patricia Vandenberg

Dr. Norden Bestseller Paket 1 – Arztroman - Patricia Vandenberg


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      »Jetzt sag nicht, daß er mich schon immer heimlich geliebt hat, seit ich aus den Windeln heraus war. Viele Frauentränen säumen seinen Weg«, spottete sie. »Und ich könnte mir vorstellen, daß sich schon wieder eine an seiner Schulter ausweint, die gar zu gern mehr als nur den Herrn Doktor in ihm sehen würde.«

      *

      Und so war es auch. Sibylle Jensen erschreckte Daniel wieder einmal mit einem Tränenstrom.

      Direktor Wendel hatte er hinter sich gebracht.

      Sibylle war eine exzentrische Malerin. Mit ihren Karikaturen hatte sie das große Geld gemacht, doch das private Glück war ihr versagt geblieben. Für Daniel war das kein Wunder, denn eine Frau, die so egoistisch war und die von allen verlangte, daß sie sich nach ihr richteten, konnte nicht glücklich machen und nicht glücklich sein. Dabei war sie in ihrer exotischen Schönheit, wenn auch nicht mehr die Jüngste, eine beeindruckende Erscheinung. Wenigstens solange sie nicht weinte.

      Daniel hatte sie durch Professor Manzold kennengelernt, mit dessen Bruder sie einige Zeit liiert gewesen war, der sich dann aber auch von ihr zurückgezogen hatte.

      »Dan, Sie sind meine Rettung«, rief sie aus, als er die phantastisch eingerichtete Wohnung betrat. Er war immer wieder fasziniert von diesen Räumen, die die unerschöpfliche Phantasie dieser Frau verrieten.

      Einen kranken Eindruck machte Sibylle nicht, aber sie hatte anscheinend wieder zuviel getrunken, und dann bekam sie jedes Mal das heulende Elend.

      Damit hatte Daniel eigentlich schon gerechnet, aber ihre schillernde Persönlichkeit faszinierte ihn ebenso wie ihre Räumlichkeiten, und deswegen fuhr er auch immer wieder zu ihr, wenn sie ihn rief.

      Bei einem guten Psychiater wäre sie wohl besser aufgehoben gewesen, aber das hätte er ihr nicht zu sagen gewagt. Sie wäre ihm wohl ins Gesicht gesprungen, denn sie selbst hielt sich für völlig normal.

      Zum Beichtvater fühlte sich Daniel nicht berufen, aber für Sibylle war er es. Er kannte alle Romanzen, all ihre Affären und auch die Enttäuschungen, die sie erlebt hatte, die sie erleben mußte, denn sie war eine überaus großzügige Frau. Reiche Männer hatten sie nie interessiert, immer wieder gabelte sie einen auf, den sie durchfütterte und einkleidete. Nicht etwa primitive Geister, o nein, damit gab sich Sibylle nicht ab.

      Es waren jene, die sich als verkannte Genies fühlten, oder andere, die genau wußten, wie man mit ihr reden mußte. Im Grunde ihrer Seele war sie naiv. Naiv wie ihre Bilder, die überall an den Wänden hingen und von denen sie sich so schwer trennen konnte.

      Diesmal war es ein junger Franzose, dem sie nachtrauerte.

      »Nicht mehr so jung, Dan«, sagte sie theatralisch, »nur zehn Jahre jünger als ich. Und er wollte nichts von mir, was sagen Sie dazu. Er wollte kein Geld und keine Geschenke. Er wollte mich heiraten!«

      »Und warum haben Sie ihn nicht geheiratet, Sibylle?« fragte Daniel sarkastisch.

      »Das fragen Sie mich? Mein Gott, ich bin keine alte Frau, das weiß ich gut, aber zehn Jahre sind doch ein gewaltiger Unterschied, und der Gedanke, daß er mich dann wegen einer Jüngeren verlassen würde, wäre mir unerträglich.«

      »Vielleicht hätte er Sie nicht verlassen«, sagte Daniel nüchtern. »Geht nicht jeder Mensch ein Risiko ein, wenn er sich an einen anderen bindet, gleich, ob er jünger und sie älter oder er älter und sie jünger ist? Es gibt doch keine Norm. Und wenn Sie Zweifel hegen, brauchen Sie sich nicht wieder selbst zu zerfleischen und Trost im Alkohol zu suchen. Wann werden Sie endlich vernünftig, Sibylle?«

      »Nie«, sagte sie und sank schluchzend an seine Schulter. »Warum können Sie mich nicht lieben, Dan? Sie wären der ideale Mann für mich.«

      »Meinen Sie?« fragte er. »Ich würde Sie schön auf Trab bringen. Dieser ganze Firlefanz, nächtelang in den Kneipen hocken, eine Kognakflasche nach der andern leeren, in diesen blödsinnigen Gewändern herumlaufen, fiele weg. Sie würden kochen und Kinder kriegen, morgens um sieben Uhr aufstehen müssen und so weiter, und so weiter.«

      »So bürgerlich sind Sie?« fragte sie staunend.

      »So bürgerlich bin ich. Das erwarte ich von meiner Frau. Außerdem weiß ich schon, wen ich heiraten werde.«

      Ihre kohlschwarzen Augen wurden kugelrund. »Sie wollen heiraten?« fragte sie, und die Tränen waren versiegt. »Wen?«

      »Das ist noch mein Geheimnis«, erwiderte er.

      »Mir können Sie es doch sagen«, meinte sie schmollend. »Bin ich nicht Ihre beste Freundin?«

      »Über Freundschaft kann man auch geteilter Meinung sein, Sibylle«, sagte er. »Sie sind eine verrückte Person, aber ich mag Sie, und deshalb wäre ich froh, wenn Ihr unstetes Leben endlich ein Ende hätte. Wenn Sie nicht mehr auf die krummen Touren hereinfallen würden, mit denen Ihre seltsamen Freunde Ihnen so lange das Geld aus der Tasche locken, bis Sie selbst keins mehr haben.«

      »Ich brauche einen Halt«, sagte sie plötzlich nachdenklich. »Ich bin wie ein schwankendes Rohr im Wind. Ich weiß es, Dan, aber ich bin zu feige, die Konsequenzen daraus zu ziehen. Geben Sie mir einen Rat, bitte. Einen ernsten Rat.«

      Sie brauchte ihn, das wurde ihm jäh bewußt. Und er wußte auch einen Ausweg.

      »Ich werde Sie zur Insel schicken«, sagte er.

      »Zu Ihrer Insel? Zur Insel der Hoffnung?« Sie lachte auf. »Mir klingt das so nostalgisch. So nach Großmütterchen, Großmütterchen. Kennen Sie dieses Lied noch? Ich mußte es meiner Großmutter immer vorsingen. Ja, warum sollte ich nicht hinfahren? Ich muß mir doch ansehen, wofür Sie Ihr sauer verdientes Geld verschwenden.«

      »Jedenfalls nicht so leichtfertig wie Sie, Sibylle«, sagte er. »Und Sie müssen auch zahlen.«

      Er wußte, wie man ihr kommen mußte.

      Sie legte den Kopf in den Nacken.

      »Ich habe mir noch nie etwas schenken lassen«, stieß sie hervor.

      »Das weiß ich«, sagte er, und nun war seine Stimme voller Wärme. »Sie haben sich immer nur ausnutzen lassen, und darum wird es Zeit, daß Sie einmal unter Menschen kommen, die Sie nicht ausnutzen werden. Ich hätte schon früher darauf kommen können.«

      Sie sah ihn mit einem seltsamen Blick an. Man konnte jetzt die Falten sehen, die sich schon in ihrem Gesicht eingegraben hatten, aber sie taten diesem ausdrucksvollen Gesicht keinen Abbruch. Im Gegenteil!

      »So mag ich Sie, Sibylle«, sagte Daniel, »und wenn Sie von der Insel zurückkommen und spotten über diesen törichten Doktor, dann kriegen Sie Ihr Geld zurück. Schlagen Sie ein!« Er hielt ihr seine Hand hin.

      Sie zögerte noch, aber dann schlug sie ein.

      »Es mag Ihnen nicht recht sein, Dan«, sagte sie leise, »aber Sie sind wirklich mein einziger Freund.«

      »Sie werden staunen, aber das betrachte ich als ein Kompliment«, erwiderte er.

      »Müssen Sie noch Besuche machen?« fragte Sibylle.

      »Nein, jetzt ist aber Schluß für heute.«

      »Gehen wir dann noch in unsere alte Kneipe, wo wir früher immer unsere Bohnensuppe gegessen haben? Sie soll noch genauso gut sein. Ich war schon lange nicht mehr dort.«

      Ob Fee das gefallen würde? dachte Daniel, aber dann sagte er: »Gut, gehen wir!«

      Warum auch nicht, ein bißchen Ablenkung würde ihm ganz guttun.

      Sibylle hatte ihren Moralischen überwunden, als sie den Keller betraten, in dem es heiter herging. Hier hatte sich noch eine Atmosphäre der Gemütlichkeit gehalten, die leider viel zu häufig von Diskotheken und Beatschuppen verdrängt wurde.

      Sibylle wurde gleich an einen Tisch gezogen, und auf Daniel schwankte ein hagerer blonder Mann zu. Daniel mußte gleich zweimal schauen, ob er sich auch nicht verguckte, obgleich man bei solcher Länge kaum übersehen werden konnte.

      »Mensch,


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