Dr. Norden Bestseller Paket 1 – Arztroman. Patricia Vandenberg
ja noch etwas bevor. Er stöhnte in sich hinein. Aber schließlich waren das beides Patienten, die ihm zu einem guten Start verholfen hatten, Patienten mit vielen Verbindungen, wenngleich recht schwierige.
Und er mußte dazu weit in die Stadt hineinfahren. Wendel wohnte in Bogenhausen und Sibylle Jensen in Schwabing.
Er dachte daran, daß es noch gar nicht so lange her war, daß er mehrmals in der Woche in Schwabing gewesen war, in diesen Künstlerlokalen, in denen er so gern seine Studien gemacht und auch alte Studienfreunde getroffen hatte. Man lebte sich auseinander. Das war der Lauf der Zeit. Und Tennis hatte er auch schon lange nicht mehr gespielt. Auf der Insel hätte er alles beisammen und vor allem Fee.
Hoffentlich ist sie gut angekommen, ging es ihm durch den Sinn.
*
Fee war längst daheim. Katja hatte schon sehnsüchtig auf sie gewartet. Oder besser auf die Platte von David, mit der sie sich gleich in ihr Zimmer zurückzog.
»Was ein Glück, daß du sie bekommen hast, Fee«, sagte Anne Fischer.
Sie duzten sich seit kurzer Zeit. Es war ganz von selbst gekommen, als sie einmal abends beisammen saßen. Gemocht hatten sie sich von Anfang an, und Fee ahnte auch, daß ihr Vater Anne sehr zugetan war.
Sie wäre die richtige Gefährtin für ihn, hatte sie gedacht und gemeint, daß er mehr Mut bekommen würde, wenn er merkte, daß sie sich gut mit Anne verstand.
Aber er wie auch Anne Fischer trugen wohl zu schwer an ihrem Schicksal und trauerten noch zu tief um die Menschen, die sie verloren hatten, um solche Gedanken ins Auge zu fassen.
»Wo ist Paps?« fragte Fee, die vergeblich nach ihrem Vater Ausschau gehalten hatte.
»Bei einem neuen Patienten. Heute morgen erst gekommen und sehr schwierig. Ihm sind zuviel einfache Leute hier.«
»Das alte Lied«, sagte Fee, »er kann ja wieder abreisen. Ist es dieser Amerikaner?«
»Deutschamerikaner«, erwiderte Anne. »Ein Rauhbein, wie es im Buche steht.«
William Docker hieß er. Fee wußte es aus der Anmeldung. Und sie hörte seine dröhnende Stimme aus einem der hübschen Häuser, die verstreut auf der Insel lagen und so den Eindruck einer Wohnsiedlung machten und nicht den eines Sanatoriums.
»Die Idee ist gut, lieber Doktor«, sagte William Docker, »prächtig sogar. Das ist ein Paradies. Aber wie wollen Sie auf Ihre Kosten kommen, wenn Sie so viele arme Leute aufnehmen? Mann, Sie könnten doch das große Geld machen, wenn Sie die Reklametrommel rühren würden. Lassen Sie sich das von einem sagen, der ganz klein angefangen hat.«
»Darauf sind Sie also stolz, Mr. Docker, aber heute blicken Sie über die, die nicht so viel Glück hatten, hinweg oder sogar auf sie herab.«
»Jeder bekommt seine Chance«, sagte William Docker schon etwas leiser. »Alle verstehen sie nicht zu nützen.«
»Und jeder hat nicht so ein dickes Fell wie Sie«, sagte Johannes Cornelius.
Fee lachte leise in sich hinein. Er
gibt’s ihm, dachte sie. Er gibt es ihm ordentlich.
»Sind Sie glücklich?« hörte sie ihren Vater fragen. »Warum können Sie denn nachts nicht schlafen? Werden Sie von Ihren Geldsäcken erdrückt?«
Dr. Cornelius wußte genau, wie er den Leuten begegnen mußte. Den einen, und meistens waren das die wenig vom Glück begünstigten, ganz vorsichtig und sehr behutsam. Mit Samthandschuhen mußte man sie manchmal anfassen, um ihnen ihre Hemmungen zu nehmen, und anderen konnte man mit dem Holzhammer kommen.
So, wie William Docker, der einigermaßen fassungslos war, wie Dr. Cornelius mit ihm redete. Aber seltsamerweise wagte er keinen Widerspruch mehr.
Während Fee weiterging zum Wirtschaftstrakt, um Henriette Seidel zu begrüßen und ihr zu sagen, daß es ihrem tief verehrten Dr. Norden gutginge, denn das wollte die alte Frau Seidel, die Daniel so viel zu verdanken hatte, immer wissen, sagte William Docker zu Dr. Cornelius:
»Wer ist schon glücklich? Alles ist relativ im Leben. Und bezahlen muß man auch für alles. Manchmal frage ich mich, wofür ich geschuftet habe.«
»Haben Sie keine Kinder?« fragte Dr. Cornelius.
Das flächige Gesicht verdüsterte sich. »Fragen Sie mich nicht«, brummte er. »Ausfragen lasse ich mich nicht.«
»Nun, dann werden Sie wohl auch weiterhin schlecht schlafen«, erklärte Dr. Cornelius gelassen.
»Wieso? Wozu bin ich hier?«
»Um von Ihren Beschwerden geheilt zu werden, aber das kann nur geschehen, wenn die Ursachen beseitigt werden.«
»Ursachen«, höhnte der andere. »Suchen Sie die Ursache meiner Schlaflosigkeit etwa darin, daß mein einziger Sohn seinem treusorgenden Vater die kalte Schulter gezeigt hat und so ein leichtes Mädchen heiratete? Daß sie ihm mehr bedeutete als alles, was ich ihm geboten habe?«
»Vielleicht ist das die Ursache Ihrer Schlaflosigkeit. Aber nun weiß ich ja schon etwas über Sie, und wir werden uns noch öfter unterhalten.«
»Hiergeblieben«, kommandierte William Docker, als sich Dr. Cornelius zum Gehen wandte. »Sie haben komische Methoden. Sie fragen einen ja nur aus.«
»Wir haben hier eben unsere speziellen Methoden«, erwiderte Dr. Cornelius lächelnd. »Sie brauchen nicht zu antworten, wenn Sie nicht wollen, aber wenn Sie Genesung suchen, ist es besser, wenn wir uns ab und zu über Ihre Probleme unterhalten.«
»Ich habe keine Probleme. Der Bengel kann doch machen, was er will. Ich habe Luftveränderung gebraucht, und da bin ich hergekommen, weil ich früher in der Gegend gelebt habe. Ich bin wirklich hart im Nehmen, Doktor, aber zerbrechen Sie sich den Kopf nicht über imaginäre Probleme, sondern über meine Schlaflosigkeit.«
Den werden wir auch noch zähmen, dachte Dr. Cornelius. Hier gelebt hat er also, und sein Sohn ist ihm durchgebrannt wegen einer Frau. Ein leichtes Mädchen hatte Docker sie genannt.
Eine Idee kam ihm, eine ganz seltsame Idee, wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Merkwürdig war es ihm ja gleich vorgekommen, daß schon nach so kurzer Zeit ein Mann aus Texas zu ihnen kam. Vielleicht war es nicht die Insel allein, vielleicht zog ihn noch etwas anderes her.
Ich werde schon dahinterkommen, dachte er, und da kam Fee schon auf ihn zugelaufen und fiel ihm um den Hals.
»Hat das Rauhbein dir tüchtig zugesetzt, Paps?« fragte Fee. »Soll ich es mal mit weiblichem Charme versuchen?«
»Ach was, Kleine, der hält schon was aus. Rauhe Schale, weicher Kern, sagt man doch. Ich glaube, das trifft auch auf ihn zu.«
»Du hast es ihm aber auch ganz schön gegeben«, lächelte sie. »Ich habe nämlich ein bißchen gelauscht.«
»Und ich habe eigentlich gedacht, daß du wegen einer Panne erst morgen kommst«, sagte er neckend.
»Mein Wagen ist erst überholt worden«, sagte Fee irritiert.
»Na, passieren kann doch immer mal was mit solcher Sardinenbüchse, noch dazu, wenn man in netter Gesellschaft ist.«
»Mein lieber Paps, ich bin mir meiner Pflichten durchaus bewußt«, sagte Fee verweisend.
»Auch jener Pflichten, die einer leidenden Frau harren?« fragte er nachdenklich. »Ich könnte mir vorstellen, daß Dan sich bald nicht mehr mit diesen kurzen Besuchen zufriedengibt.«
»Er hat doch auch seine Pflichten. Willst du mich loswerden, Paps?«
»Nein, aber als guter Vater, der ich hoffentlich für dich bin, möchte ich nicht, daß du Rücksicht auf mich nimmst, mein Kind.«
»Ich mag das nicht, heute kennenlernen und nach vier Wochen heiraten«, sagte Fee eigensinnig.
»Nun übertreib nicht. Ihr kennt euch doch schon ein halbes Leben.«
»Aber die meiste