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       Fantasiedarstellung der Propaganda – die Herrscher der Mittelmächte gemeinsam auf einem Bild: der deutsche Kaiser, der Herrscher des Osmanischen Reiches und der österreichische Kaiser, der bulgarische Zar, alle umrahmt von ihren Nachfolgern

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       Wilhelm II. und Franz Joseph I.: die Bündnispartner

      Am Tag nach der Kriegserklärung Österreich-Ungarns an Serbien gab Zar Nikolaus II. den Befehl zur Mobilisierung, zog diesen aber – nach einem Vermittlungstelegramm des deutschen Kaisers – wieder zurück. Weitere 24 Stunden später hatte das Zögern allerdings ein Ende: Nachdem die Militärs auf den Zaren Druck ausgeübt hatten, erfolgte am 30. Juli doch noch die russische Vollmobilmachung. Daraufhin erklärte der deutsche Kaiser am 1. August Russland den Krieg, zwei Tage später auch Frankreich. Am 4. August erfolgte bereits der Einmarsch der deutschen Truppen ins neutrale Belgien (aus militärischen Erwägungen, Stichwort: »Schlieffen-Plan«) – das war wiederum für Großbritannien der Grund, seinerseits dem Deutschen Reich den Krieg zu erklären.

      Blankoscheck und Säbelrasseln?

      Wie durch einen österreichisch-serbischen Konflikt ein Weltkrieg entfesselt werden konnte, welche Motive die einzelnen Staaten hatten, hat bereits Generationen von Historikern, Politikern und Publizisten beschäftigt. Auch wenn es heute schwerfällt, der Logik der damaligen Diplomatie zu folgen: Für Kaiser Franz Joseph stand die Glaubwürdigkeit seines Reiches auf dem Spiel. Das habsburgische 51-Millionen-Einwohner-Reich gehörte immer noch zu den europäischen Großmächten. Wenn es sich nicht einmal in der eigenen Region durchsetzen konnte, wie sollte es dann Respekt von den Großmächten erwarten dürfen? Österreich-Ungarn setzte im Juli 1914 den Krieg als Mittel der Politik ein, allerdings sollte es sich um einen zeitlich begrenzten lokalen Krieg handeln.

      Teile der österreichischen Diplomatie sahen den Anlassfall Sarajevo als ideale Chance, deutsche Unterstützung auf dem Balkan zu erhalten – denn bis dahin hatte das Deutsche Kaiserreich die österreichischen Balkanprobleme nie ernst genommen. Der britische Außenminister war wiederum davon überzeugt, dass sich Wien niemals so weit vorgewagt hätte, hätte es sich von den deutschen Erwartungen nicht gedrängt gefühlt. Mit dem berühmten »Blankoscheck« des deutschen Bündnispartners als Rückendeckung, riskierte die Donaumonarchie einen Krieg, der ihre Möglichkeiten weit überstieg.

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       Franz Conrad von Hötzendorf, Generalstabschef der k. u. k. Armee und prominenter Befürworter eines »Präventivkrieges« gegen Serbien

      Doch war es wirklich nur eine fatale Bündnisautomatik? Die Konflikte zwischen den Bündnisblöcken waren freilich schon seit Jahrzehnten angewachsen. Die Spannungen zwischen dem Deutschen Kaiserreich und Frankreich bestanden seit dem Deutsch-Französi- schen Krieg von 1870/71 und der Annexion von Elsass-Lothringen. Das deutsche Flottenbauprogramm hatte zu einem Wettrüsten mit Großbritannien geführt, das sich als traditionelle Seemacht vom Prestigeprojekt des deutschen Kaisers in die Enge getrieben sah. Die Annäherung des russischen Zarenreiches an Frankreich machte wiederum den deutschen Kaiser nervös, sah man sich doch nun von Feinden eingekreist. Die Franzosen halfen den Russen bei der Aufrüstung, und in Deutschland glaubte man, jetzt noch einem solchen Zweifrontenkrieg gewachsen zu sein, in ein paar Jahren vielleicht nicht mehr.

      Säbelrasseln war in der Politik an der Tagesordnung, und alle europäischen Staatsmänner haben 1914 bewusst mit dem Risiko eines großen Krieges, der von beiden Seiten als Verteidigungskrieg bezeichnet wurde, gespielt. Allerdings dachte dabei niemand an einen Weltkrieg, der vier Jahre dauern und zehn Millionen Tote kosten würde. Fatal war jedoch der bei allen Nationen vorherrschende Glaube an einen quasi schicksalshaften und »reinigenden« Krieg, der die festgefahrenen Fronten wieder neu ordnen würde.

      Der Geist von 1914

      Unmittelbar nach der Kriegserklärung Österreichs an Serbien erfasste beträchtliche Teile der Bevölkerung eine Kriegsbegeisterung und Euphorie, die als »Geist von 1914« zum Schlagwort wurde. Ein 16-jähriger Wiener Lehrling über Stimmen, die man bereits kurz nach dem Mord an Thronfolger Franz Ferdinand hören konnte: »Als der Mord in Sarajevo stattfand, war ich am WAC-Platz im Prater. Aber schon acht Tage später zog die Burgmusik unter Hoch- und ›Nieder mit Serbien!‹-Rufen unter den Klängen des Prinz-Eugen-Marsches in die Burg ein, alles war kriegsbegeistert.«6

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       Propaganda: Fröhliche Soldaten bei der Verlegung an die Front. Für viele ein schmerzlicher Abschied

      Der Krieg wurde als reinigendes Gewitter, als Erlösung betrachtet, als hätten die Menschen ihn geradezu herbeigesehnt. Jeder wollte beim großen »Befreiungsschlag« dabei sein, die Massenhysterie wirkte ansteckend. Die Zeitungen und Bildkarten, die in enormer Zahl kursierten, zeigten die Rekruten, wie sie freudestrahlend an Bahnhöfen standen. Man war stolz, wenn man tauglich war, Untauglichkeit galt als Schande.

      Dieses Bild stimmt nur zum Teil, dahinter steckte vor allem massive Propaganda. Denn es waren in erster Linie die traditionellen Eliten des alten Österreich, die einen Krieg als Mittel der Politik betrachteten. Massiv unterstützt wurden sie dabei vom bürgerlichakademischen Teil der Gesellschaft, der einen Aufbruch in eine neue, bessere Zeit ersehnte, aber auch von Journalisten und großen Teilen der österreichischen Kultur- und Wissenschaftsszene. Die meisten ließen sich von der Kriegsbegeisterung anstecken – letztlich instrumentalisieren – und stellten sich gern in den Dienst der Propaganda. Nur wenige Intellektuelle entzogen sich der Kriegspropaganda.

       »... und fuhr mit seltsam beklommenem und doch gehobenem Gefühl einer mir neuen unbekannten Zukunft entgegen.«7

       Generalstabsarzt August Richter über seinen Abschied

      Auch die Sozialisten, die immer gedroht hatten, sich dem Krieg zu verweigern, entzogen 1914 ihre Unterstützung nicht. Die Bauern aber stimmten in die Kriegsbegeisterung der Städter nicht ein. Wer sollte die Ernte einfahren, wer den Hof führen, wenn alle Männer eingezogen würden? Vielleicht gab es sogar eine schweigende Mehrheit gegen den Krieg, die sich aber nicht artikulieren konnte. Unter den Slawen Österreichs herrschte von Anfang an eine skeptische Stimmung.

      Rekrutierung und Abschied

      Der offiziellen Kriegserklärung an Serbien folgte eine rasche Einberufung aller tauglichen Rekruten. Die Masse der Einberufungen entfiel auf die Jahre 1914 und 1915, damit war das Potenzial aber auch weitgehend ausgeschöpft. Allgemein wurde erwartet, dass der Krieg nur wenige Monate dauern würde und die Soldaten spätestens Weihnachten wieder bei ihren Familien sein würden. Dass der Krieg länger dauern könnte, schien unvorstellbar. Das Motto lautete: »Zu Weihnachten wieder zuhause!«

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       Zauber der Montur: Soldaten als schneidige (Frauen-)Helden, Hinweise auf bevorstehende Beförderungen sollten motivieren

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       Stolze Rekruten flanieren mit »Tauglichkeits-Sträußerl« am Hut durch die Straßen

       »Ein inniger Kuss, ein Händedruck und noch ein paar Sekunden wortlose Sprache der Augen – dann setzte sich der Zug in Bewegung; ein Winken, noch ein Grüßen und verschwunden war das liebe, teure Antlitz.«8

       Generalstabsarzt August Richter über seinen Abschied an die Front


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