So erlebten wir den Ersten Weltkrieg. Martina Winkelhofer

So erlebten wir den Ersten Weltkrieg - Martina Winkelhofer


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1920 und 1930 zurückgezahlt werden sollten. Mit diesen acht Kriegsanleihen konnte der Staat rund 35,1 Milliarden Kronen einnehmen. Die Anleihen waren vor allem zu Beginn ein enormer Erfolg, schon die erste österreichische Kriegsanleihe erbrachte viermal so viel Geld wie die erfolgreichsten Anleihen in Friedenszeiten.

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       Österreich-Ungarn finanzierte den Krieg zu mehr als der Hälfte über Kriegsanleihen. Die Helden der Lüfte – ein beliebtes Propagandamotiv

      Die Aufteilung der Anleihezeichner ergibt ein aufschlussreiches Bild: Von allen Nationalitäten der Habsburgermonarchie kauften die Deutsch-Österreicher die meisten Anleihen, sie hatten auch das meiste Geld. Und bei dieser Gruppe war es das hohe Bürgertum, das – vereinfacht gesprochen – den Großteil des Geldes aufbrachte, das der Staat für die Kriegsführung benötigte. Das Bürgertum (und zwar das mittlere wie das sehr vermögende Großbürgertum) war im Besitz von 80 Prozent aller Kriegsanleihen, während die kleinen und ganz kleinen Zeichner nur 20 Prozent der gezeichneten Summe deckten. Diejenigen, die die Kriegsanleihen zeichneten, gehörten nach dem Krieg zu den größten ökonomischen Verlierern. Das Bürgertum, das sein gesamtes Vermögen in die vermeintlich sicheren Schatzpapiere gesteckt hatte (schließlich glaubten alle an einen sicheren Sieg), verlor nach Kriegsende, neben allen persönlichen Tragödien, die es zu bewältigen galt, auch sein gesamtes oft über Generationen angehäuftes Vermögen.

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       Über 35 Milliarden Kronen wurden durch Kriegsanleihen aufgebracht

      Den Krieg über Steuereinnahmen zu finanzieren, kam von Anfang an nicht in Frage. Das alt-österreichische Steuersystem basierte vorwiegend auf Verbrauchersteuern, nicht auf Vermögens- oder Einkommensteuern. Die großen Einnahmen wurden nicht bei den Vermögenden eingehoben, sondern fast ausschließlich über Massensteuern. Jedes Genussmittel war extrem hoch besteuert (deshalb führte etwa auch jede Erhöhung des Zuckerpreises stets zu Ausschreitungen), die Steuerlast war extrem ungleich verteilt. Geringverdiener zahlten indirekt einen höheren Steuersatz als Vermögende. Diese indirekten und extrem hohen Steuern konnten kaum mehr erhöht werden. Und Kriegssteuern einzuführen, war unpopulär und hätte die offizielle Propaganda konterkariert, schließlich rechnete man fest mit einem Sieg. Die Kosten hätten dann natürlich die Kriegsverlierer in Form von Reparationszahlungen zu tragen gehabt.

      Also blieb nur mehr die Kriegsinflation: Zu zwei Fünfteln wurden die Kriegskosten in Österreich-Ungarn über die Geldschöpfung finanziert. Die Regierung machte von Anfang an von der Möglichkeit der Verschuldung bei der Notenbank ausgiebig Gebrauch, und zwar viel stärker als andere Staaten. Bereits in den ersten Kriegsmonaten hatte sich die Geldmenge verdoppelt, dafür stiegen im ersten Kriegsjahr die Lebenshaltungskosten um 70 Prozent. Schließlich war das Geldvolumen in den vier Jahren zwischen Kriegsbeginn und Kriegsende von 3,4 Milliarden auf 42,6 Milliarden Kronen gestiegen.

       »Konnt’ ich auch nicht Waffen tragen, half ich doch die Feinde schlagen« – Kinderanleihen

       Kriegsanleihen waren eigentlich für Kinder unerreichbar, schließlich mussten mindestens 100 Kronen erlegt werden. Aber 1915, in der dritten Runde der Kriegsanleihen, fand man einen Weg, wie man sogar aus den Kindern Geld pressen konnte: Manche Banken boten Kindern und ihren Eltern an, den fehlenden Betrag auf diese 100 Kronen über ein Darlehen zu finanzieren. Die Kinder konnten dieses Darlehen dann in den kommenden 15 bis 30 Jahren zurückzahlen. In Wien und Niederösterreich zeichneten über 80 000 Kinder diese Kinderkriegsanleihe, für viele war es die erste Finanztransaktion ihres Lebens. Sie banden damit ihre zukünftigen finanziellen Ressourcen an den Habsburgerstaat. Unter dem fragwürdigen Motto »Konnt’ ich auch nicht Waffen tragen, half ich doch die Feinde schlagen« boten diese Anleihen so auch Kindern eine Möglichkeit, sich am viel propagierten »Dienst am Vaterland« zu beteiligen.

      KÄMPFE

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      Strafexpedition gegen Serbien – die Balkanfront

      Serbien war für Österreich-Ungarn der Hauptschuldige am Kriegsausbruch, und der Volkszorn verlangte einen raschen Sieg über das Balkan-Königreich. So stand die sogenannte Strafexpedition gegen Serbien zu Beginn des Krieges im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses.

      Die Offensive verlief allerdings von Anfang an nicht wie geplant – von einem schnellen Sieg über Serbien konnte keine Rede sein. Knapp vor der Offensive musste die Heeresleitung große Truppenteile an die Russlandfront abgeben, und als die k. u. k. Armeen schließlich am 12. August 1914 angriffen, standen den 250 000 Soldaten fast gleich viele Serben und Montenegriner gegenüber.

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       Neuer Bündnispartner Bulgarien

       Am 6. September 1915 trat Bulgarien den Mittelmächten bei. Zar Ferdinand von Bulgarien hatte enge Beziehungen zu Österreich-Ungarn. Der Spross aus dem Adelsgeschlecht Sachsen-Coburg und Gotha wurde in Wien geboren und machte in der k. u. k. Armee Karriere. 1887 wurde er zum Fürst von Bulgarien ernannt, 1908 nahm er den Titel »Zar von Bulgarien« an.

      Die serbischen Soldaten waren zähe Krieger, trainiert und erfahren. Aus den letzten beiden Balkankriegen waren sie als Sieger hervorgegangen. Die k. u. k. Armee hatte hunderte Kilometer Front zu decken, und auch serbische Freischärler machten den k. u. k. Truppen zu schaffen. Hinzu kamen noch operative Schwächen und Probleme mit dem Nachschub. 1914 nahmen die Österreicher kurz einmal Belgrad ein, mussten sich aber gleich wieder zurückziehen.

      Front und Hinterland vermischten sich zu Beginn des Ersten Weltkrieges immer mehr. In Orten, in denen es zu Aktionen gegen die k. u. k. Armee kam, wurden unter der Zivilbevölkerung gezielt Geiseln ausgehoben und hingerichtet, die Häuser ihrer Familien wurden angezündet. In manchen Regionen kam es zu regelrechten Massakern an der Zivilbevölkerung: In Šabac etwa wurden am 17. August 1914 80 Zivilisten auf dem Kirchhof hingerichtet. Sie standen unter dem Verdacht, an Angriffen auf k. u. k. Truppen beteiligt gewesen zu sein – eine ordentliche Untersuchung oder ein Gerichtsverfahren gab es nicht.

      1915 war es schließlich für Monate ruhig an der Balkanfront. Die Wende zugunsten Österreich-Ungarns brachte erst ein kombinierter Angriff österreichischer, deutscher und bulgarischer Truppen im Herbst 1915 – Serbien war geschlagen. Das Land wurde zwischen Österreich und Bulgarien aufgeteilt und unter Militärverwaltung gestellt. 170 000 Serben fielen in Gefangenschaft, die serbische Armee zog sich an die albanische Adriaküste zurück und wurde dort von den Schiffen der Entente evakuiert.

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       Kriegsschauplatz Balkan: Das unwegsame Gelände bereitete Schwierigkeiten

       Krieg gegen die Zivilbevölkerung

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       Das Leid der Zivilbevölkerung auf dem Balkan wurde von offizieller Seite negiert

       Im »Feindesland«, aber auch in den eigenen Provinzen, wollte die Armee Härte demonstrieren: So war das Armeeoberkommando befugt, in grenznahen Gebieten der Monarchie bei Verdacht Geiseln auszuheben und unter Berufung auf das »Kriegsnotwehrrecht« standrechtliche Erschießungen vorzunehmen. Zu diesen Gebieten gehörten unter anderem Mähren, die Bukowina, Galizien, Kroatien, Bosnien-Herzegowina und Dalmatien.

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       Fotokarte aus 1914/15: »Ulanen-Patrouille


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