Das lustige Komödienbüchlein. Franz Pocci
Gut und grad recht! Mein Herr bleibt den ganzen Tag aus bei der großen Künstlerfestivität, die's dem Landschaftsmaler Eichbaum geben, weil er einen Orden kriegt hat. Nun werd' ich als Künstler auftreten und meinen Prinzipal den berühmten Purträtmaler Schmierpinsel vorstellen; laß mir aber gleich vorher Etwas auf die Hand geben, denn das ist die Hauptsach dabei. Also Kurag' Casperl! Herein, herein!
(Eine ältliche aufgeputzte Madame tritt ein.)
Habe ich das Vergnügen, den berühmten Herrn Schmierpinsel zu treffen?
Casperl. (in affectirtem Hochdeutsch.) Ja und vielmehr sehr ja allerdings! Ich bin nicht so fast Schmierpinsel als berühmt und deßhalben zu einem so außerordentlichen Renomage gelungen, daß ich alle diejenigen für ungeheuer dumm zu halten Gelegenheit gefunden habe, die sich nicht von mir haben ab- und anschmieren lassen.
Madame. (Für sich) Welch' sprudelnde Genialität! eigenthümlich und originell! (zu Casperl) wie sehr bin ich erfreut, den größten Künstler seines Zeitalters kennen zu lernen!
Casperl. Dünstler hin, Dünstler her! Mein Beströben geht vorzüglich da hinaus oder vielmehr da hinein, wo das Bedürfniß zur Menschheit spricht und der Verstand still zu stöh'n anfangen möchte! Ich bin nehmlich ein Genie! – Aber, was steht Ihnen zu Diensten, Madame!
Madame. Ich wünsche mein Porträt von Ihrer Meisterhand ausgeführt.
Casperl. Ich bedauere Sie nicht ausführen zu können, denn ich muß zu Haus bleiben; allein –
Madame. Sie scherzen!
Casperl. Ich schwärze nicht; denn man braucht auch andere Farben zum Malen als schwarz, insoferne der Purträtgegenstand nicht ein afrikanischer Mohr ist.
Madame. (Für sich) Wie liebenswürdig humoristisch! – (zu Casperl) Wann könnte ich die erste Sitzung haben?
Casperl. Die erste Schwitzung können's gleich jetzt anfangen. Platzen Sie sich nur gefälligst auf diesen Stuhlsessel.
Madame. In welcher Stellung werden sie mich auffassen?
Casperl. Erstens in keiner Stellung, weil sie nicht stehen, sondern sitzen, und zweitens weder auffassen noch viel weniger anfassen.
Madame. Ich meine: welche Position Sie wählen?
Casperl. Nix Oposition, da wird nix draus!
Madame. Versteh'n Sie mich denn nicht, als Mann vom Fach? – Von welcher Seite werden Sie mich malen?
Casperl. Jedenfalls von vorn.
Madame. (Für sich) Sonderbar! Jeder Künstler muß doch seinen Sparn haben!
Casperl. Was? zum Narren haben? das verbitt' ich mir.
Madame. Verzeih'n Sie, Herr Schmierpinsel; Sie haben mich mißverstanden.
Casperl. Wenn Sie eine Miß sind, so müssen Sie jedenfalls eine Engländerin sein und die können recht blechen, was mir sehr angenehm ist – – Oha! jetzt hätt' ich mich beinah verschnappt!
Madame. Wie meinen Sie das?
Casperl. Nemlich so oder so: Vor ich zu malen anfang, werd' ich Sie um einen baaren Vorschuß für Farben, Leinwand und Terpentinöl ersuchen; sonst fang' ich gar nicht an.
Madame. Zweifeln Sie an meiner Noblesse?
Casperl. Nobleß hin, Nobleß her! das ist einmal bei mir der Brauch, wenn sich Jemand will malen lassen.
Madame. Es kömmt mir darauf nicht an. Wie viel wünschen Sie?
(zieht die Börse hervor.)
Casperl. (Für sich) Zwölf Paar Bratwurst machen 48 Kreuzer, 8 Maß Bier – 45 Kreuzer, 6 Batzenweckeln 24 Kreuzer, 2 Pfund Käs 32 Kreuzer – und noch was dazu – (laut) no geben S' mir halt fünf Gulden.
Madame. (Für sich) Ein sonderbarer Mensch! Mit Künstler- Naturen muß man Nachsicht haben. (Zu Casperl) Hier haben Sie zwei Ducaten!
Casperl (macht einen Freudensprung.) Juhe! – (besinnt sich) Verzeih'n S' Madame; es kommt mir manchmal so ein lustiger Humor an.
Madame. Sie sind eben ganz Naturkind, Künstler in ursprünglicher Originalität.
Casperl. Meine Uhr hat keinen Sprung; denn ich bin Nichtbusitzer einer Uhr. – doch, wenn'S gefällig ist, so wollen wir anfangen.
Madame (setzt sich.) Vermutlich werden Sie mich zuvor skizziren?
Casperl. Wie? sprizziren? Wir malen nicht mit Spritzen, sondern mit Bemseln. (hochmüthig) Nur gemeine Zimmeranstreicher budienen sich bisweilen der Spritze zum Marmoriren.
Madame. Machen Sie einstweilen den Contur?
Casperl. Das begreift sich, daß ich Sie nicht ohne Montur purträtire.
Madame. Wie finden Sie mein Profil?
Casperl. O, sehr viel!
Madame. Man hat mir schon öfters das Compliment gemacht, ich hätte ganz griechische Züge.
Casperl. O ja! wenn die Falten, die Sie im Gesicht haben, griechisch sind, so hab' ich nix dagegen.
Madame (gereizt.) Ihr Künstlerhumor fängt an, etwas insolent zu werden!
Casperl. Insolvent bin ich immer; denn ich hab nie ein Geld.
(Er hat mittlerweile einen abscheulichen Kopf mit Eselsohren auf die Leinwand gezeichnet.)
Madame (aufstehend.) Laßen Sie mich doch einmal den Entwurf sehen.
(Besieht das Bild).
Schändlich! schändlich! – das ist empörend! Wie konnten Sie es wagen – –?
Casperl. Halten Sie's Maul, Madame! Mein Vorschuß hab' ich und jetzt können's abmarschiren!
Madame. Ihr Benehmen ist unerhört! (gibt ihm eine Ohrfeige.)
Casperl. Für die Abschlagszahlung dank ich!
(Er nimmt das Bild und schlägt es ihr über den Kopf.)
Madame. Hülfe, Hülfe!
(Nach einem Handgemeng stößt sie der Casperl hinaus.)
Casperl. So, die hat ihr Purträt und ich meine Ducaten. Jetzt nur gleich in mein eigentliches Attulier – nemlich in das Wirthshaus! Unterdessen kommt wohl mein Herr nach Haus und wird seinen Künstlerfestrausch ausschlafen. Juhe! Prrrrrr! (ab.)
Maler Schmierpinsel tritt ein.
Schmierpinsel. (sinkt auf eint« Stuhl hin.) Der Gram tödtet mich noch! Ich möchte vor Neid bersten! diesen Eichbaum so zu erheben! Ein Landschaftsmaler, der nur Ochsen und Schafe als Staffage malt, während ich die menschliche Individualität wiedergebe! O es ist schändlich! Eichbaum mit dem Verdienstorden des »goldnen Pinsels« geschmückt und ich noch nicht! Vergebens also habe ich die Frau Ministerin mit ihren vier häßlichen Fratzen gemalt! vergebens den alten Präsidenten mit seiner Burgundernase um einen Spottpreis! Alles umsonst! und dieser Eichbaum ist durchgedrungen! Ha! vermuthlich weil seine Schwester