Palle. Oskar Meding

Palle - Oskar Meding


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      Der Papst senkte sinnend das Haupt und stand eine Zeitlang in tiefem Nachdenken da.

      »Bei Gott,« sagte er dann, »das Werk könnte gelingen, wenn es klug und entschlossen angefaßt wird. – Laß die Männer kommen, die mir so unerwartet ihre Hilfe gegen meinen schlimmsten Feind entgegenbringen.«

      Er stieg auf die Estrade und setzte sich auf seinen Armsessel, während Graf Girolamo schnell hinauseilte und nach wenigen Augenblicken mit den Angemeldeten zurückkehrte.

      Alle drei knieeten auf die Stufe der Estrade nieder und küßten das Kreuz auf dem weißseidenen Schuh des Papstes. Dieser beugte sich zu dem Erzbischof hinab und gab ihm den Bruderkuß, dann sagte er mit der feierlichen, milden Würde, die ihm eigentümlich war, zu Francesco Pazzi:

      »Ich habe mit Freude gehört, mein Sohn, welchen Beweis treuer Ergebenheit du mir zu geben bereit bist, – eine solche, mir wohlgefällige That verdient Lohn und Dank. Ich übertrage dir und deinem Hause das Schatzmeisteramt des apostolischen Stuhls, das ich denen abgenommen habe, die sich meines Vertrauens nicht würdig gezeigt haben. Du wirst die Bestallung darüber ohne Verzug erhalten.«

      »Der Dank meines Hauses, heiligster Vater,« erwiderte Francesco in stolzer Freude aufblickend, »wird unauslöschlich sein und wir werden allezeit beweisen, daß wir so hoher Gnade uns würdig zu machen bestrebt sind. Wir würden, hätten wir die Macht dazu, wie es unserem Hause und unseren Freunden gebührt, niemals geduldet haben, daß unsere Vaterstadt Eurer Heiligkeit durch unberechtigten Widerspruch so viel Kummer gemacht hätte, wie es zu unserem Schmerze geschehen ist.«

      »Mein väterliches Herz,« sagte der Papst, »ist freilich schmerzlich bewegt gewesen über das Benehmen der florentinischen Republik gegenüber dem vom apostolischen Stuhl eingesetzten erzbischöflichen Oberhirten von Pisa – aber ich weiß wohl,« fügte er mit drohendem Blick hinzu, »daß daran nur der eine Mann Schuld ist, der in Florenz sich die unumschränkte Herrschaft anmaßt – und ich beklage es, daß sich unter Euren Mitbürgern kein Mann findet, der es wagt, so ungerechtem Übermut ein Ende zu machen.«

      »Dieser Mann ist gefunden, heiligster Vater,« sagte der Erzbischof, »Ihr seht ihn vor Euch und seine Verwandten und Freunde, wie die meinigen werden ihm zur Seite stehen.«

      »Ebenso wie ich,« rief Graf Girolamo, »als treuer Freund und Nachbar der Republik, mit der ich in Frieden und Eintracht leben will, was nicht möglich ist, solange die Medici, auf die Hefe des Volkes gestützt, ihre Vaterstadt in Ketten halten.«

      Der Papst neigte zustimmend das Haupt. »Das wird ein Gott wohlgefälliges Werk sein, meiner Zustimmung und meines Segens gewiß – aber wie soll es ausgeführt werden?«

      Er winkte mit der Hand, die Drei erhoben sich von den Knieen, und der Erzbischof entwickelte mit klaren Worten den verabredeten Plan.

      »Ich freue mich Eures Entschlusses,« sagte Sixtus, als der Erzbischof gesprochen, »wenn alle edlen und treuen Bürger Eurer Stadt zusammenstehen, wie Ihr sagt, könnt Ihr das Werk wohl vollbringen und die unrechtmäßig angemaßte Macht brechen. Eines aber verlange ich: es darf bei dieser Niederwerfung der ungerechten Herrschaft kein Blut fließen, die gute Sache darf durch kein Verbrechen befleckt werden.«

      Francesco und der Erzbischof verneigten sich schweigend, Montesecco aber sagte ernst: »Es wird schwer sein, heiliger Vater, eine solche Umwälzung aller Verhältnisse durchzuführen, ohne daß das Leben der Medici und vielleicht noch mancher ihrer Freunde in Gefahr kommt.«

      »Das darf nicht sein,« fiel Sixtus streng ein, »mein heiliges Amt verbietet mir, den Tod eines Menschen zu veranlassen oder nur zu dulden. Schlecht und ungerecht hat sich Lorenzo gegen mich und die Kirche betragen, dafür soll er seiner Würde entkleidet und vor Gericht gestellt werden – aber seinen Tod will ich nicht.«

      »Eurer Heiligkeit Wille ist uns Gesetz,« sagte Graf Girolamo, »es wird alles geschehen, was möglich ist, um ihn zu erfüllen – aber nicht ohne Kampf werden die Medici überwunden werden können, und sollte dabei jemand das Leben verlieren, so werden Eure Heiligkeit dem verzeihen, der in eigener Notwehr gezwungen würde sich zu verteidigen.«

      Sixtus erhob sich von seinem Sessel. Seine Augen blitzten, drohend streckte er die Hand aus und rief mit gewaltig durch das Gemach klingender Stimme: »Du trägst den Haß und die Wildheit des Raubtiers in deiner Brust, ich aber bin Richter ohne Haß und habe mit der Gerechtigkeit auch die Langmut Gottes zu üben. Wage es nicht, mein Gebot zu verachten, oder mein Zorn wird über dich kommen!«

      Girolamo neigte zitternd das Haupt, der Erzbischof sagte schnell:

      »Eure Heiligkeit hat recht, die Gerechtigkeit darf die Langmut nicht ausschließen, dem gerechten Urteil darf die Missethat des Lorenzo de' Medici nicht entzogen werden, denn er allein ist Schuld an der Auflehnung der Florentiner. Sobald er dort nicht mehr herrscht, so wird die Republik sich in schuldigem Gehorsam dem Oberherrn der christlichen Welt beugen, und von den Alpen bis zu den Küsten Siziliens wird Italien dem Gesetz des heiligen Vaters gehorchen.«

      »Du sprichst die Wahrheit, mein Bruder,« erwiderte Sixtus, sich wieder auf seinen Stuhl niedersetzend, – »und darum darf so schwere Schuld dem Gericht nicht entzogen werden.«

      »So überlaß es denn uns, heiliger Vater,« sagte der Erzbischof demütig, »diese Barke zu lenken, und seid gewiß, daß wir sie sicher zum Ziele führen werden.«

      »Es sei so,« erwiderte der Papst – »aber habt die Ehre des heiligen apostolischen Stuhles in Acht – und du, Girolamo, auch die deinige, auf der ich nicht will, daß ein Flecken haften soll.«

      Er machte das Zeichen des Kreuzes mit der ausgestreckten Hand, vor dem alle die Kniee beugten. Der Erzbischof, Francesco Pazzi und Montesecco verließen rückwärts schreitend das Gemach. Girolamo blieb auf des Papstes Befehl.

      »Nun,« sagte Sixtus mit freundlicher Herzlichkeit, »du kennst meinen Willen, ich vertraue dir, daß du danach handeln wirst – jetzt laß uns der Sorgen vergessen, die mir die bösen Menschen bereiten, welche in hochmütiger Auflehnung sich von meiner väterlichen Hand nicht leiten lassen wollen und mich zur Strenge zwingen, wo ich Milde und Frieden walten lassen möchte. Geh und befiehl dem Kämmerer, den von mir Erwarteten einzuführen. Ich sehne mich danach, Freude zu verbreiten, wo ich der Liebe und des Dankes sicher bin.«

      Girolamo brachte dem dienstthuenden Kämmerer im Vorzimmer des Papstes Befehl, und unmittelbar trat zur sichtlichen Überraschung des Grafen ein junger Mensch von kaum siebzehn Jahren in dem schwarzen Anzug der Weltgeistlichen ein. Seine schlanke Gestalt war knabenhaft zart, seine Haltung schüchtern und unsicher; sein bleiches Gesicht mit den seinen Zügen und den dunkeln großen Augen, von schwarzem lockigen Haar umrahmt, rötete sich freudig beim Anblick des Papstes, der freundlich das Haupt neigte, dann eilte er zu der Estrade hin, beugte das Knie und küßte das Kreuz auf des Papstes Schuh. Sixtus segnete den Knieenden – dann neigte er sich zu ihm herab, küßte ihn auf die Stirn und blickte in sein feines jugendlich zartes Gesicht.

      »Wie er deiner Schwester ähnlich sieht, Girolamo,« sagte er – »ganz der sanfte Blick ihrer Augen, das weiche Lächeln ihres Mundes. Sie ist dahingeschieden nach ihrem Gemahl, dem guten Sansoni, und nun ist mir die Sorge geblieben für dies Kind, das sonst allein in der Welt stehen würde. Nun, ich werde für dich sorgen, mein kleiner Rafaello,« sagte er, nochmals mit seinen Lippen des Knaben Stirn berührend, »ich habe eine Überraschung für dich.«

      Das Gesicht des Papstes, der kurz vorher noch mit flammend drohenden Blicken seinem Zorn zerschmetternde Worte gegeben, war vollständig verändert. Seine Augen blickten weich und sanft mit inniger Herzlichkeit zu dem Knaben herab, und seine magere dürre Hand streichelte liebkosend dessen glänzendes Haar, das mit seinen vollen Locken die kleine geistliche Tonsur bedeckte.

      »Ich habe,« sagte er, »eine Überraschung für dich, mein Kind, die


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