Palle. Oskar Meding
weichen bis zum Knie heraufreichenden Reitstiefel und dem Gürtel mit dem Wehrgehänge, zeigten die Arme und Schultern, von denen das weite pelzverbrämte Obergewand zurückgeworfen war, weibliche Formen und ließen keinen Zweifel, daß eine junge und schöne Frau sich unter dem männlichen Gewände verbarg. Ihr reiches lockiges Haar fiel nach Männerart geschnitten, über den Nacken herab; ihr seines gebräuntes Gesicht mit den dunklen Augen hatte in diesem Augenblick, in welchem sie wie träumend in den weichen Kissen des Divans ruhte, einen weichen, schmerzlich wehmütigen Ausdruck, den man kaum bei einem Knaben hätte finden können.
Ringsumher lagen Waffen und Kleidungsstücke und auf dem Tisch in der Mitte des Zimmers unter der herabhängenden Lampe standen auf Platten von bemalten und gebranntem Thon, welche etwas später durch den großen Raffael Santi so weltberühmt werden sollten, Früchte, Käse und Brod, sowie eine dickbäuchige, strohbeflochtene, langhalsige Flasche und ein hellglänzender zinnerner Becher.
Montesecco blieb einen Augenblick auf der Schwelle stehen und seine finsteren Züge erhellten sich beim Anblick dieses buntfarbigen freundlichen Bildes.
Die junge Frau fuhr beim dem Geräusch der geöffneten Thür aus ihren träumenden Sinnen auf; mit einem Freudenruf eilte sie dem Eintretenden entgegen, umschlang ihn mit ihren Armen und rief:
»Du bist lange ausgeblieben, mein Battista und wenn ich mich auch so tapfer als ich vermag an das Feld- und Lagerleben zu gewöhnen versuche, das uns ja öfter schon getrennt hat, so fühle ich mich doch immer so ängstlich allein und verlassen, wenn du nicht bei mir bist.«
Montesecco küßte zärtlich ihre Lippen und strich mit der Hand über ihr lockiges Haar.
»Du bist thöricht, meine Claudina« sagte er, »was sollte dir hier geschehen in dem sicheren Hause? Bist du doch schon im Feldlager allein geblieben, wenn ich auf gefährlichen Märschen die Vorposten geführt habe.«
»O es ist nicht Furcht, mein Battista« rief Claudina mit blitzenden Augen, »die Furcht kenne ich nicht und du weißt, daß ich dich stets gebeten habe, mich mit dir zu nehmen, wenn du der Gefahr entgegengingst und mir befahlst, bei den Troß zu bleiben; aber ich fühle mich so verlassen, so unendlich einsam ohne dich! Bist du denn nicht mein Alles in dieser Welt, bin ich ohne dich nicht so hilflos allein, in meiner falschen Gestalt, zurückscheuend vor den Blicken der Menschen – allein« sagte sie finster, »mit meinen Gedanken – mit meinem Gewissen –«
Er drückte sie mit zärtlicher Innigkeit an sich.
»Mit deinem Gewissen?, meine Claudina –« sagte er. »Warum? – Haben wir nicht vor dem Altar während der heiligen Messe uns das Gelöbnis der Treue gegeben und wenn es auch niemand gehört hat, so hat es Gott gehört und vor Gott und der heiligen Kirche bist du mein Weib, ob Menschen davon wissen oder nicht. – Du weißt auch, daß ich dich nie verlassen werde und wenn ich nach einigen Jahren mit meinem Degen mir erworben habe, was ich zu einem freundlichen und sorglosen Leben für dich und mich bedarf, dann werden wir unsern Bund verkünden und auch vor den Menschen bekennen und uns eine stille freundliche Heimat gründen, in der du, wieder in deiner wahren Gestalt, den wilden Montesecco in einen friedlichen Landmann wirst verwandelt sehen.
»O, mein Battista« sagte sie, »es ist nicht das. Dir vertraue ich und wenn ich vor Gott dein Weib bin, so kümmern mich die Menschen nicht, aber daß ich meine Eltern verlassen habe und dir gefolgt bin, daß vielleicht der Fluch des Vaters und der Mutter auf meinem Haupte ruht und auch auf dich des Himmels Zorn herab ziehen möchte, das läßt mir keine Ruhe, dieser Gedanke verfolgt mich in der Einsamkeit wie ein finsterer Schatten, der nur vor dem lichten Strahl deiner lieben treuen Augen weicht.«
»Haben deine Eltern nicht unserer Liebe hart und unerbittlich ihre Zustimmung versagt?« fragte Montesecco finster, »Und hat nicht Gott diese Liebe in unser Herz gelegt? Hatten sie ein Recht, Gottes Fügung sich entgegenzustellen?– Habe ichs nicht gut und treu mit dir gemeint und ihnen versprochen, dich hoch zu halten vor aller Welt und Alles aufzubieten, dir eine Heimat zu schaffen, sobald ich es kann? – Trage ich nicht einen ehrenvollen Namen, an dem kein Makel haftet, bin ich nicht ein frommer und gläubiger Christ, wenn auch das Soldatenhandwerk mein Beruf ist? Bei Gott! auch mir ist es schmerzlich, daß du von den Deinen dich hast wenden müssen, um mir mein Glück zu bringen, aber um so höher halte ich Dich in meinem Herzen, um so heiliger ist mir das Gelöbniß der Treue und wohl wird noch die Zeit kommen, in der Gott mein Gebet erhört und auch dir und mir den Segen deiner Eltern gewähren wird und würden sie in ihrem ungerechten Zorn einen Fluch gesprochen haben, glaube mir, solchen Fluch hört der Gott der Liebe und des Segens nicht! Laß uns in Demut tragen was wir nun nicht mehr ändern können, – laß uns mit frischem Soldatenmut der Zukunft vertrauen und um so fester in Liebe und Treue zu einander halten.«
»O, mein Battista« rief Claudina, »wenn ich deine Stimme höre und deine Augen sehe, wenn ich an deinem Herzen ruhe, dann vergesse ich alles, was ich vielleicht niemals hätte vergessen sollen! Es mußte wohl so sein, ich liebe dich ja so sehr und ohne dich wäre ich gestorben, verwelkt wie eine Blume ohne Sonnenlicht. Aber doch sehne ich mich manchmal so unendlich, meinen Vater und meine Mutter wiederzusehen, die ich um dich verlassen und meine kleine Schwester Fioretta, die eben der Kindheit entwachsen war, als ich sie verließ und die so innig liebevoll an mir hing. Ich weiß nicht, ob die Eltern noch leben, sie waren schwach und kränklich – wenn sie gestorben wären während dieser Jahre, gestorben mit Zorn gegen mich im Herzen. –«
»Sei ruhig, meine Geliebte« unterbrach sie Montesecco, indem er ihre thränenfeuchten Augen küßte, »ich hoffe, dir bald Kunde bringen zu können über die deinen und vielleicht wird sich auch Gelegenheit bieten, dich mit ihnen zu versöhnen. Der Graf Girolamo Riario, der Neffe Seiner Heiligkeit des Papstes, hat mir die Führung seiner Truppen übergeben, die er bei Imola zusammenzieht und bald werden wir dorthin aufbrechen. Dann kommen wir deiner Heimat nahe, dort wird es mir leicht sein, Kundschaft einzuziehen über das Ergehen deiner Eltern und ich verspreche dir, alles was möglich ist zu thun, um sie zu versöhnen; auch der erlauchte Graf, mein Dienstherr, der so hoch in Gnaden steht bei Seiner Heiligkeit und alles bei ihm vermag, wird, wenn ich ihn darum bitte, mir sein Fürwort nicht versagen, das wohl auch deines Vaters starren Sinn zu erweichen vermag.
Claudina, lächelte glücklich, während noch Thränen aus ihren Augen perlten.
»O, wie bist du gut! mein Battista« rief sie, »Ja ich will hoffen, will an dich glauben und an Gottes Gnade – zurückdrängen will ich meine Sorgen in die Tiefe meines Herzens, das ja Dir nur allein gehört, ich will wieder dein fröhlicher Beppo sein und dir dein schweres Kriegshandwerk erleichtern und nur ganz leise für mich beten, daß bald die Zeit kommen möge, in der du das Schwert weglegst, um friedlich und still an der Seite deiner Claudina die Zeit zu erwarten, in welcher unser Haar sich silbern färbt und wir uns ruhig lächelnd an die Tage der Unruhen und Kämpfe erinnern.«
Sie war wie verwandelt. Der schwermütige Ausdruck ihres Gesichts war verschwunden, ihre eben noch thränenden Augen blitzten in frischer Lebenslust und jetzt glich sie wirklich einem fröhlichen, keck in das Leben hineinblickenden Knaben.
Sie füllte den Becher mit dem goldgelben Wein aus der Strohflasche, berührte ihn mit den Lippen und reichte ihn Montesecco, der ihn mit kräftigem Zug leerte, um aus dem duftigen Rebensaft Vergessenheit aller Sorgen zu trinken. Dann nahm sie eine zierliche neapolitanische Mandolina mit vier Saiten zur Hand und begleitete mit geschicktem Spiel ein lustig übermütiges Soldatenlied, während Montesecco, der sich mit dem frisch gefülltem Becher in der Hand auf das Ruhebett niedergelassen hatte, mit dem Kopf den Takt nickend, ihrer frischen und vollen Stimme lauschte und leise vor sich hin das Ritornell mitsang.
III.
Im Palast der Mediceischen Bank war schon am frühen Morgen des nächsten Tages bei den Stallungen alles geschäftig, Cosimos Abreise nach Florenz vorzubereiten. Starke Packpferde wurden mit dem Gepäck beladen, die zur Begleitung bestimmten Diener striegelten und fütterten die Reitpferde und putzten