Palle. Oskar Meding
wie immer mitgeführt.
Cosimo wurde zu Giovanni Tornabuoni gerufen, der sich früh schon in sein Arbeitskabinett begeben und einen langen Brief geschrieben hatte, den Cosimo zu Lorenzo überbringen sollte.
»Nun höre wohl zu,« sagte Tornabuoni zu dem jungen Mann, der ihn ehrerbietig begrüßte und sich neben seinen Schreibtisch gesetzt hatte, »und merke dir jedes Wort, das ich dir sagen werde, damit du alles genau an Lorenzo wiederholen kannst. Es werden der Worte nicht viele sein, und er wird mich auch ohne lange Reden verstehen. Du wirst ihm sagen, daß der Papst tief erbittert gegen ihn sei, aus vielen Gründen, die er selbst wohl kennt, und daß unsere Feinde, die zahlreich und mächtig sind, sich alle Mühe geben, die Verstimmung zu einem offenen Bruch mit dem heiligen Stuhle zu treiben. Nach meiner Meinung – und Acciaiuoli stimmt mir bei, wie Lorenzo wissen wird, – wäre eine solche Feindschaft eine ernste Gefahr, vielleicht ein schweres Unglück für uns alle; der Papst ist mächtig und wenn es einmal zum offenen Bruch gekommen ist, schwer versöhnlich. Zu ihm steht Neapel und viele Staaten unserer Nachbarschaft, die nur unmutig unsere Herrschaft ertragen, sie werden jede Gelegenheit benutzen, sich gegen uns zu erheben, Venedig ist eifersüchtig, und auf die Sforza ist kein Verlaß. Unsere einzige Hilfe ist der König von Frankreich, aber dem heuchlerischen Ludwig XI. ist wenig zu trauen, und wenn er wirklich fest zu uns stünde, so würde ich's beklagen, eine Hilfe von einem Fremden anzunehmen, die immer auf Kosten unsers italienischen Vaterlandes bezahlt werden müßte. Ich möchte nicht, daß ein solcher Vorwurf auf uns und auf Lorenzos Namen hafte. Graf Girolamo ist unser Freund gewesen, oder giebt sich wenigstens den Anschein es zu sein und würde auch weiter das gute Einvernehmen zu erhalten suchen; wenn wir ihm aber den so wichtigen Dienst verweigern, der ihm die ersehnte Erwerbung von Imola unmöglich macht, so wird er zu unseren Feinden übergehen und alles aufbieten, um des Papstes Zorn auf die Spitze zu treiben; das möchte ich um eine Summe Geldes, die nicht zu schwer ins Gewicht fällt, nicht herbeiführen. Wohl erkenne ich es an, daß es eine Gefahr für uns ist, wenn Girolamo in der Romagna und an den Grenzen sich fest setzt, aber diese Gefahr ist die geringere und wird immer nur so lange dauern, als das Leben des Papstes Sixtus. Nach dessen Tode wird sein Neffe Girolamo nichts mehr bedeuten, und wir werden leicht seine Macht brechen können, vielleicht und wahrscheinlich mit Hilfe des Nachfolgers auf den heiligen Stuhl. Deshalb ist es mein Wunsch und mein dringender Rat, daß Lorenzo mir auftragen möge, die von dem Papste geforderten dreißigtausend Goldgulden sogleich zu zahlen. Der Papst wird darin einen dankenswerten Dienst erblicken und der Graf Riario wird für die nächste Zeit wenigstens sich nicht zu unseren Feinden wenden. Dann bitte ich Lorenzo, daß er Francesco Salviati, der bald kommen wird, um sein Erzbistum in Pisa zu übernehmen, mit Freundlichkeit und Auszeichnung empfängt und die lange Verzögerung mit versöhnenden Worten entschuldigt. Der Papst wird auch darin ein Entgegenkommen erblicken und dasselbe hoch anerkennen und wir werden zwei schlimme Feinde wenigstens äußerlich zu unseren Freunden gemacht haben. Hast du wohl verstanden, was ich dir gesagt?«
»Vollkommen,« erwiderte Cosimo, »und ich werde es nicht vergessen.«
Er wiederholte genau die Worte seines Oheims und dieser nickte zufrieden mit dem Kopf.
»Ich sehe,« sagte er, »daß du deinen Weg machen wirst, da du eine ernste Botschaft scharf zu fassen und festzuhalten vermagst, obgleich dein Herz, wie ich´s nach deinem Geständnis von gestern abend vermute, wohl mit anderen Dingen beschäftigt sein mag. Das ist die erste und wichtigste Regel für alle politischen und kaufmännischen Geschäfte, auf denen die Stellung der Medici und unser aller, die wir ihnen zugehören, beruht, daß nichts das Herz und den Sinn von dem Ernst des Lebens abzuwenden vermag, und daß die Liebe selbst sich nur wie Blumenranken um den unerschütterlichen Felsen des Willens und der männlichen Kraft windet. Geh nun und nimm Abschied von der Markgräfin und der schönen Giovanna,« fügte er lächelnd hinzu, »wir werden uns dann zu einem schnellen Frühmahl noch einmal vereinigen, und du sollst sogleich abreisen, um womöglich noch bis zur Nacht Viterbo zu erreichen, damit diese peinliche Sache so schnell als möglich zum guten und erwünschten Abschluß geführt wird.«
Cosimo stürmte die Treppe hinauf und wurde sogleich bei den Damen eingeführt.
Die Marchesa saß, mit einer feinen Stickerei beschäftigt, neben dem flackernden Kaminfeuer von wohlriechendem Sandelholz. Giovanna versuchte die Begleitung eines Liedes auf einer prächtig geschnitzten und reich vergoldeten Harfe. Sie trug ein weißes Gewand; ihr reiches, goldrotes Haar fiel, nur in einen griechischen Knoten zusammengefaßt, über ihren Nacken herab, und die weiten Ärmel waren beim Spiel von ihren schönen Armen herabgefallen.
Als sie bei Cosimos Eintreten hoch errötend mit glücklich strahlenden Blicken die Augen aufschlug und dann schnell wieder senkte, hatte man kaum ein schöneres Bild ersinnen können – für Cosimo wenigstens war es das schönste auf Erden, und er hatte Mühe, mit ernster Miene zu der Marchesa heranzutreten und ihr zu sagen, daß er käme, um sich von ihr vor einer Reise nach Florenz, die er im Auftrage seines Oheims antreten müsse, zu verabschieden.
»Ihr wollt fort,« rief Giovanna schmerzlich – »so schnell – heute noch?«
»Ich muß es,« erwiderte Cosimo, alle seine Willenskraft aufbietend, um eine ruhige gleichgültige Miene zu bewahren, »es ist eine kurze Reise in unaufschieblichen Geschäften, und bald werde ich wieder hier sein.«
»Bald wieder hier sein,« sagte Giovanna seufzend, »o Florenz ist so weit, wir haben länger als eine Woche gebraucht, um hierher zu kommen.«
Sie sank auf ihren Sessel vor der Harfe zurück, die gefalteten Hände ruhten in ihrem Schoß. Sie senkte die Augen, und Cosimo sah, wie eine Thräne aus ihren Wimpern perlte.
Cosimos aufwallendes Gefühl überwältigte sie.
»O,« rief er, »der Abschied von hier thut mir weh, ich werde eilen, so viel ich's vermag, um schnell zurückzukehren. Muß ich's denn nicht,« sagte er, alles um sich her vergessend und zu Giovanna hineilend, »zieht mich nicht hierher alles zurück, was mein Herz an das Leben fesselt?« Sie schlug die feuchten Augen zu ihm auf, ihr Blick öffnete ihm eine Welt von Glück, er streckte seine Arme nach ihr aus, aber plötzlich sich besinnend wendete er sich schnell von ihr ab, trat vor die Markgräfin und sagte mit tief bewegter Stimme:
»Verzeiht, erlauchte Marchesa, was in meinem Herzen lebt und was ich glaubte verbergen zu können, das wallt auf mit unwiderstehlicher Macht in dieser Stunde des Abschieds. Die Thräne in Giovannas Augen macht es mir unmöglich zu schweigen und Euch, erlauchte Madonna, muß ich's zuerst bekennen, daß mein Herz für ewig Eurer edlen Tochter gehört – o ich bitte Euch, habt Mitleid mit meiner Liebe und gewährt mir' Euern gnädigen Schutz!«
Er eilte wieder zu Giovanna, beugte das Knie vor ihr und küßte ehrerbietig und zärtlich ihre Hand.
Sie neigte sich zu ihm und blickte mit glücklichem Lächeln in sein Gesicht.
»O seht, erlauchte Marchesa,« sagte er, »Eure Tochter nimmt meine Liebe an, wenn ihr mir Euer Fürwort gewährt bei Euerm edlen Gemahl, so werdet Ihr auch ihr Glück begründen, und ich schwöre es Euch, ein treueres Herz kann sie auf Erden nicht finden!«
Die Markgräfin blickte lächelnd zu den beiden hin. »Kinder, Kinder,« sagte sie mit drohend erhobenem Finger, »Ihr seid wohl unbedacht und vorschnell, doch das ist ja wohl die Jugend immer – wo die Liebe im Herzen stammt, da ist der kalte Verstand und die abwägende Geduld machtlos und da muß ich denn wohl verzeihen und da ihr Vertrauen zu mir habt und mit Eurer Liebe kein verborgenes Spiel treibt, so kann ich Euch meinen Schutz und mein Fürwort nicht versagen. Ich will mit Giovanni Tornabuoni sprechen.«
»O er weiß es, was ich im Herzen trage,« rief Cosimo jubelnd, indem er aufsprang und, vor der Markgräfin knieend, deren Hand an seine Lippen drückte – »er weiß es und hat mir meine Hoffnung nicht genommen.«
»Nun,« sagte die Markgräfin, »auch ich will sie Euch nicht nehmen, aber ich kann Euch nichts versprechen und Euch mehr als die Hoffnung nicht geben, jedoch hoffen