Palle. Oskar Meding

Palle - Oskar Meding


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so gar fremd sein möchte, da es mir oft schon auf die Lippen getreten ist und Ihr es in meinen Augen lange schon hättet lesen können. Da Ihr es aber nicht verstanden habt, oder nicht habt verstehen wollen, so muß ich es wohl dennoch aussprechen und muß Euch sagen, daß –«

      »Halt,« fiel Giovanna ein, »halt, Signor Francesco, sagt mir nichts, das ich nicht verstehen kann und vielleicht nicht verstehen darf; habe ich die Sprache der Blume nicht verstanden, so werde ich auch kaum die Worte verstehen, und es würde mir peinvoll und schmerzlich sein, wenn Euer Geheimnis, das Ihr ja mit einer Blume vergleicht, bei mir keine Stätte fände, um sich blühend und duftend zu entfalten.«

      »Und warum nicht,« sagte Francesco erbleichend, »warum nicht? – Für das Geheimnis, das ich in mir trage, ist das Herz einer edlen Jungfrau die beste Stätte, wie ein sonniges Gartenbeet für eine edle Blüte.«

      Jetzt sah sie ihn groß mit wehmütigem Ernst an.

      »Ein menschliches Herz, Signor Francesco, ist nur ein kleines Beet und hat nicht Raum für bunten Blumenflor, es vermag eine Blüte nur zu hegen und hat, wenn diese sich erschlossen, keinen Platz für eine zweite.«

      »O,« erwiderte Francesco finster, »ich sehe es wohl, edle Marchesina, daß Ihr es meisterhaft versteht, Geheimnisse zu erfassen und sie auch in Worte zu kleiden. Wenn ich Euch nun aber sage, daß auch auf dem schönsten, sonnigsten Beet ein Unkraut erwachsen kann, ein Unkraut der Täuschung und Verirrung, und daß ein sorgsamer Gärtner wünschen und trachten muß, solches Unkraut, das des Gartens nicht würdig ist, auszureißen um einem edlen Keim Raum und Licht zur Entfaltung seiner Blüten zu geben, müßtet Ihr nicht solcher Sorge dankbar sein?«

      Ihre eben noch so sanften und wehmütigen Augen flammten zornig auf.

      »Ihr habt mich irrig gerühmt, Signor Francesco, daß ich die Geheimnisse zu erfassen verstünde, Eure Worte verstehe ich nicht, habt Ihr nicht eben das Herz einer edlen Jungfrau mit einem Gartenbeet verglichen, und nun sprecht Ihr von einem Unkraut auf solchem Beet. Wenn ich Euern Vergleich auf mich beziehe, so muß ich Euch sagen, daß in meinem Garten kein Unkraut keimen kann, und was darin sprießt, das ist fest gewurzelt, es wird zu immer schönerer Blüte emporwachsen und keines unbefugten Gärtners Hand wird es berühren.«

      Das Lied war beendet.

      Giovanna stand, während des allgemeinen Beifallklatschens schnell auf und trat zu dem Kardinal Orsini, der eben den Sängern einige liebenswürdige Worte gesagt hatte.

      »Nun, meine schöne Giovanna,« sagte der Prälat mit einem seinen Lächeln, »Ihr scheint zum großen Schaden unserer Künstler kein Ohr für die Musik haben zu sollen.«

      »Und warum nicht, Eminenz?«

      »Gestern, während des schönen Liedes,« sagte der Kardinal, »waret Ihr in einer leisen, aber sehr eifrigen Unterhaltung vertieft, und heute schien mir dasselbe der Fall zu sein – dasselbe wohl nicht, denn gestern konnte ich wohl merken, daß das Gespräch harmonisch zusammenklang mit den Tönen der Musik, heute aber kam es mir vor, als könne ich in Euern schönen Augen lesen, daß ein Mißklang Euch berührte.«

      Giovanna errötete.

      »Ein Mißklang, Eminenz?« fragte sie, »aber,« fuhr sie dann mit glücklichem Lächeln fort, »das eine weiß ich, daß es eine Harmonie giebt, die alle Mißtöne überwindet.«

      »Und ich weiß eines,« sagte der Kardinal galant, »das alle Harmonie auf Erden in sich vereinigt, das ist eine so schöne und geistvolle Dame wie Ihr, die trotz ihrer Jugend die Sanftmut der Taube und die Klugheit der Schlange in sich vereinigt.«

      Francesco war noch einen Augenblick auf seinem Platz sitzen geblieben und starrte dem jungen Mädchen, das ihn so plötzlich verlassen und deren Worte er so genau verstanden, mit schmerzlich düsterem Blick nach.

      Dann aber stand er schnell auf, mischte sich unter die Gesellschaft und zeigte eine so sprudelnde Heiterkeit, wie man sie selten an ihm gewohnt war, ebenso blieb er während des Abendmahls, bei welchem er den Platz neben Giovanna, der ihm vielleicht gebührt hätte, ganz absichtslos und zufällig aufgab, indem er sich mit einem der Künstler in ein lebhaftes Gespräch so lange vertiefte, bis die Gesellschaft sich zu Tisch gesetzt.

      Giovanna war heiter und ruhig, nur wenn sie zuweilen bemerkte, daß Francescos Blicke, während aus seinen Lippen kecke Scherze hervorsprudelten, finster und fast feindlich drohend auf ihr ruhten, röteten sich ihre Wangen, aber sie schlug die Augen vor seinem Blick nicht nieder, und ihre Lippen kräuselten sich in stolzem, kaltem Lächeln.

      IV.

      Das Wohnzimmer des Papstes Sixtus des Vierten in der unmittelbaren Nähe des alten Bibliotheksaales, im Vatikanischen Palast, war im Vergleich zu der blendenden Pracht, welche den Hof des Oberhirten der christlichen Welt umgab, ein einfacher Raum, der in seiner ganzen Ausstattung an den gelehrten General des Franziskanerordens Francesco d'Albescolo della Rovere erinnerte, der unter dem Namen des römischen Märtyrerbischofs Sixtus den apostolischen Stuhl bestiegen hatte.

      Auf großen Tischen lagen aufgeschlagene Foliantenbände und aufgerollte Handschriften, an den Wänden hingen neben einigen alten Bildern sorgsam gezeichnete Karten von dem damals in so viele kleine und kleinste Staaten geteilten Italien, neben den Tischen standen kleine Stühle, welche der Papst bei seinem eingehenden Studium aller staatsrechtlichen und theologischen Fragen seiner Zeit benutzte, über die er sich stets selbst bis auf das Kleinste unterrichtete. Neben dem großen Fenster befand sich auf einer Estrade von zwei Stufen der große Armsessel, auf dem der Papst bei Erteilung von Privataudienzen Platz nahm, und seitwärts daneben stand auf einer Staffelei ein fast vollendetes Bild, das den Papst selbst darstellte, wie er auf seinem Stuhl sitzend die Hand gegen einen vor ihm knieenden Prälaten ausstreckt, während hinter ihm einige Herren und Kardinäle stehen.

      Sixtus der Vierte war damals vierundsechzig Jahre alt, seine Gestalt war hager, seine Haltung gebückt, und sein blasses Gesicht mit den etwas eckigen welken Zügen ließ ihn bei dem ersten Anblick als einen gebrechlichen Greis erscheinen, und das graue, wie ein Kranz um seinen kahlen Kopf stehende Haar, sowie der kurz gekräuselte, graue Vollbart erinnerten daran, daß er vordem die Mönchstracht des Franziskaner Ordens getragen. Aber in seinen dunklen Augen, welche etwas tief unter der hoch gewölbten Stirn hervorblickten, blitzte ein so feiner, scharf durchdringender Geist, eine so jugendliche Willenskraft, ein so stolzer Mut und sein Mund war eines so lebendig wechselnden Ausdrucks fähig von dem milden freundlichen Lächeln bis zur unerbittlich harten Drohung, daß der Papst sich um Jahrzehnte zu verjüngern schien, wenn er stolz aufgerichtet von der Höhe seiner alles überragenden Stellung Worte der Gnade oder der Verurteilung zu den erfurchtsvoll Lauschenden sprach.

      Sixtus war allein in seinem Zimmer und stand sinnend mit ernster, fast finsterer Miene vor der an der Wand hängenden Karte von Italien, auf welcher die einzelnen Staaten mit bunten Farben begrenzt waren und große rote Punkte die einzelnen Städte bezeichneten.

      »Es ist traurig« sagte er, – »traurig und beschämend, daß dieses schöne Italien, das allen Völkern voransteht an Kraft und Bildung des Geistes, dessen Waffen einst die Welt beherrschten, heute durch diese verhängnisvolle Zersplitterung seine besten Kräfte im Kampf gegeneinander aufreibt. Wohl ist die Weltherrschaft wieder aufgerichtet durch den apostolischen Stuhl, – aber überall in Frankreich, in Spanien und in Deutschland regt sich der Geist der Auflehnung, und wie soll ich dieses Geistes Herr werden, wenn ich hier im eigenen Lande offenen und versteckten Widerspruch finde? Nicht mit dem Wort allein mehr ist die Welt zu beherrschen, die ganze Waffenmacht Italiens müßte die Grundlage des apostolischen Herrscherwortes sein um die Kaiser und die Könige wieder zu ihrer Pflicht zurückzuführen. Ich muß bitten und bieten, um oft nur den Schein der Oberherrschaft zu erhalten, und überall steht mir vor allen andern dies hochmütig, trotzige Florenz entgegen, das seine Macht immer weiter ausdehnt, durch das Geld und die Waffen, das Mailand


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