Palle. Oskar Meding

Palle - Oskar Meding


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Augenblick gekommen sein wird. Neapel und Mailand sind weniger gefährlich – der König Ferrante fühlt sich nicht sicher auf seinem Thron, er fürchtet die Anjous, die der König Ludwig von Frankreich in seiner Hand hält, um mit ihnen zu drohen und zu schrecken und hat mich nötig, und die Mailänder sind stets bereit, für die Aussicht auf das Lombardische Königreich auf meine Seite zu treten. Sie werden sich beugen, diese steifnackigen Florentiner, wenn es nur erst gelingt, die Macht der hochmütigen Medici zu brechen, die stets den Widerstand schüren und mit ihrer kalten Klugheit und dem Einfluß ihres Geldes überall ihre Hand im Spiel haben, wo es gilt, gegen mich Feinde zu erwecken. O, – wie ich ihn hasse, diesen doppelzüngigen Lorenzo, dessen Worte von Ehrfurcht überfließen und dessen Handlungen stets die Auflehnung gegen mein Gebot unterstützen! Soll ich, berufen der ganzen christlichen Welt zu gebieten, zurückweichen vor diesem einen Mann, der es gewagt hat, den von mir eingesetzten Erzbischof von seinem Stuhl in Pisa zurückzuweisen, und den ich doch schonen muß, so lange er in Florenz gebietet? Nein, – nein, haben meine Vorgänger auf Sankt Peters apostolischem Stuhl doch die deutschen Kaiser gebeugt, – ich werde nicht zurückweichen vor einem trotzigen Emporkömmling, der auf den Schultern der Volksmassen emporgehoben ist und das Volk Italiens aufreizt zum Ungehorsam gegen seinen wahren, einzigen Oberherrn! Auch seine Zeit wird kommen – es ist schwer, Geduld zu üben – und doch ist die Geduld nötig, um den Schlag vorzubereiten, damit er nicht abgleitet, sondern zermalmend trifft.«

      Seine schmächtige Gestalt richtete sich hoch auf, er erhob die Hand, als ob er den Bannstrahl zu schleudern bereit sei, und ein fast dämonisches Feuer flammte aus seinen Augen. Er war, wie er so dastand, nicht der hohe Priester der Religion der Liebe, welche Frieden und Erlösung der ringenden und leidenden Menschheit entgegenträgt, sondern der oberste Feldherr der streitbaren Kirche, die alle Könige und Völker der Erde unter die Herrschaft ihres Geistes und Willens zu beugen sich waffnet.

      Der dienstthuende Kammerprälat trat ein und meldete, das Knie beugend, den Grafen Girolamo Riario.

      Des Papstes erhobener Arm sank herab, seine Miene nahm ihre gewöhnliche, ernst freundliche Ruhe wieder an, und er befahl, den Gemeldeten einzuführen. Graf Girolamo knieete vor seinem Oheim nieder, der Papst machte segnend das Zeichen des Kreuzes über des Grafen Haupt und reichte ihm dann die Hand zum Kuß. Aus seinen Blicken leuchtete ein mildes, herzliches Wohlwollen, das sein sonst so ernstes und strenges Gesicht verschönte.

      »Steh auf,« sagte er, »es macht mir stets Freude, dich zu sehen – bin ich doch bei dir der treuen und aufrichtigen Ergebenheit gewiß, die sich sonst bei so wenigen findet. Es ist hart und traurig, die Menschen durch die Furcht zu beherrschen, wenn man so gern Liebe geben und Liebe finden möchte! Wer mag es mir verdenken, wenn ich vor allen diejenigen erhöhe und zu Trägern meines Willens mache, die mir durch ihr Blut verwandt sind und bei denen ich Dankbarkeit und Liebe zu finden gewiß bin?«

      »Der Liebe und Dankbarkeit sind Eure Heiligkeit wahrlich bei mir gewiß,« sagte Girolamo aufstehend, nachdem er noch einmal des Papstes Hand ehrfurchtsvoll an seine Lippen gedrückt, – »ich habe keinen andern Wunsch und Gedanken, als meinem gnädigsten Oheim den Verlust meines Bruders zu ersetzen, den der Tod in der Blüte seines Lebens dahingerafft, und mein ganzes Denken und Sinnen gehört der großen Aufgabe Eurer Heiligkeit, die Herrschaft des apostolischen Stuhls über Italien und über die ganze christliche Welt wieder fest zu begründen, allen offenen und heimlichen Feinden zum Trotz.«

      »Ich weiß das wohl,« erwiderte der Papst, indem er mit dem Ausdruck warmer Herzlichkeit in dem sonst so strengen Gesicht, seinem Neffen auf die Schulter klopfte – »und diese Aufgabe zu erfüllen oder ihrer Erfüllung nahe zu führen, ist das Ziel meines Lebens, ist die heilige Pflicht des Amtes, das Gottes Erbarmung in meine Hände legte – aber du hast recht – es stehen der heiligen Sache der Kirche viele Feinde entgegen – und die offenen sind nicht die schlimmsten.«

      »Das habe ich wieder erfahren, heiligster Vater,« sagte Girolamo, »und darum müssen die versteckten Feinde zuerst vernichtet werden, Lorenzo de' Medici vor allen andern, der unter der Maske heuchlerischer Ergebenheit seine Tücke verbirgt.«

      »Lorenzo de' Medici,« fragte Sixtus, – »was ist es mit ihm? Hat er seinen Trotz nicht gebeugt und den Erzbischof von Pisa zu seinem Amte zugelassen – nachdem er mir gezeigt, daß er mächtig genug sei, einen von mir ernannten Fürsten der Kirche von seinem erzbischöflichen Stuhl auszuschließen,« fügte er mit bitterem Lachen hinzu. »Doch das wird anders werden, – wenn du erst den eisernen Gürtel um die hochmütige Republik gezogen hast, wenn Imola –«

      »Imola!« fiel Girolamo ein, – »das weiß er wohl, der verschlagene Lorenzo, der den Fürstenhut zurückweist, um desto unbeschränkter das verblendete Volk zu beherrschen – und darum verweigert er die Kaufsumme von dreißigtausend Goldgulden, deren Anschaffung Eure Heiligkeit ihm befohlen haben.«

      »Er verweigert sie,« rief Sixtus mit hell auflodernder Zornesröte in seinem bleichen Gesicht, – »er wagt es, meinem Befehl den Gehorsam zu versagen?«

      »Verschlagen und heuchlerisch wie immer, spielt er verstecktes Spiel, heiligster Vater, und erklärt, daß es ihm unmöglich sei, die Summe zu schaffen.«

      »Er lügt,« rief Sixtus, »ein Wort von ihm genügt, um größere Summen zu schaffen! Das ist offene Auflehnung, das ist Hochverrat an mir und der Kirche, das ist ein tückischer Dolchstoß, der meinen wohlangelegten Plan zerstört, – es hat mir schon geschienen, als ob die Sforza den Verkauf von Imola bereuen, und wenn die Zahlung nicht geleistet werden kann, möchten sie daraus einen Vorwand nehmen, das Geschäft aufzuheben, –

      »Die Kaufsumme wird gezahlt werden, heiligster Vater,« sagte Girolamo, – »und meine Fahne wird in wenig Zeit auf den Zinnen von Imola wehen zur Ehre und zum Dienst Eurer Heiligkeit.«

      »Und wie das?« fragte Sixtus mit ungläubiger Miene, – »wo soll ich das Geld auftreiben, wenn ich bei meinem Schatzmeister keinen Kredit habe?«

      »Das Haus Pazzi hat die Zahlung übernommen,« erwiderte Girolamo, – »ich habe gestern mit Francesco de' Pazzi abgeschlossen.«

      »Die Pazzi?« fragte Sixtus erstaunt, – »sie sind so stark – und sie wagen es, dem Medici zu trotzen?«

      »Sie wagen es in treuer Ergebenheit für Eure Heiligkeit und im Vertrauen auf den Schutz und Beistand des obersten Herrn Italiens.«

      »So giebt es doch noch treue Diener der Kirche und ihres Oberhirten – und ich habe sie zurückgestellt hinter die hinterlistigen Feinde. Die neue Auflehnung dieses Lorenzo soll ihre Strafe und das Verdienst der Pazzi seinen Lohn finden. Den Medici soll das Schatzmeisteramt abgenommen werden, und ich verleihe es den Pazzi, – führe Francesco zu mir, daß ich ihm die Würde übertrage, deren jene sich unwürdig zeigten.«

      »Francesco de' Pazzi ist im Vorsaal zu Eurer Heiligkeit Befehlen bereit,« sagte Girolamo schnell, »ich wußte wohl, daß die Gerechtigkeit meines gnädigsten Oheims und Beschützers einen treuen und wichtigen Dienst nicht unbelohnt lassen würde. Aber heiligster Vater, das allein genügt nicht, – die tückischen Feinde sind der Langmut unwürdig, – sie müssen vernichtet, für immer vernichtet werden!«

      »Vernichtet, mein Sohn?« seufzte Sixtus, – »das geht nicht so schnell und so leicht, diese trotzige, florentinische Republik ist zu mächtig noch –.«

      »Nicht die Republik, heiligster Vater, – sie wird sich gehorsam beugen, – aber diejenigen müssen und sollen vernichtet werden, welche die Macht der Republik zu trotzigem Widerstand gegen Eure Heiligkeit benutzen. Die Männer, die zu solchem Werk den Willen und den Mut haben, erbitten nur den Befehl und den Segen des heiligsten Vaters.«

      »Und diese Männer,« fragte Sixtus mit flammenden Blicken, – »wo sind sie?«

      »Francesco de' Pazzi, – der Erzbischof von Pisa – und mein Kriegshauptmann Giovan Battista de Montesecco, der Eurer Heiligkeit wohl bekannt ist. Die Pazzi und die


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