Palle. Oskar Meding

Palle - Oskar Meding


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      Der junge Mann errötete flüchtig bei dem Scherz des Grafen.

      »Ich habe nur einen kurzen Weg zu machen,« erwiderte er, »so daß es kaum lohnt, ein Pferd zu besteigen.«

      »So so,« sagte Graf Girolamo, »dann geht Ihr wohl zu Euerm teuren Vetter Tornabuoni, bei dem man ja so vortreffliche Musik macht, daß ganz Rom davon spricht und ich habe ja auch gehört, daß in seinem Hause ein Magnet vorhanden ist, der Wohl auf einen jungen Mann wie Ihr seine Anziehungskraft üben kann. – Nicht wahr, die Marchesa Malaspina von Fosdinuovo ist dort zum Besuch mit ihrer Tochter Giovanna, die ja eine wahre Wunderblume der Schönheit sein soll?«

      »Ich bin in der That auf dem Wege zu Tornabuoni,« erwiderte Francesco Pazzi schnell, ohne auf die letzte Bemerkung des Grafen zu antworten, »aber,« fügte er mit drohend aufblitzenden Augen hinzu, »was die Vetterschaft mit demselben betrifft, so ist diese Wohl recht weitläufig, und ich bin nicht gewohnt, wie dies andere wohl thun mögen, einer einfachen Verschwägerung besonderen Wert beizulegen, um mich der Verwandtschaft mit den Medici rühmen zu können.«

      »Nun Ihr habt das auch wahrlich nicht nötig,« sagte Girolamo, »mich dünkt, die Pazzi wären schon ein altes und berühmtes Geschlecht gewesen, ehe die Medici aus dem Staube hervorstiegen. Doch es trifft sich glücklich, daß ich Euch gerade hier begegne, ich hatte gewünscht Euch zu sprechen.«

      »Ich stehe zu Euerm Befehl, erlauchter Graf,« erwiderte Francesco eifrig, »unser Haus ist ja nur wenige Schritte von hier, wenn Ihr es mit Eurem Besuche beehren wollt, sonst bin ich bereit, Euch nach Euerm Palast zu begleiten.«

      »Nein, nein,« rief Girolamo, »ich will Euch nicht von dem Wege zur schönen Giovanna ablenken, aber wenn die Gesellschaft dort auseinander geht, so werdet Ihr mich durch Euren Besuch erfreuen, Ihr findet mich zu Hause, und wenn es auch spät würde, ich werde Euch erwarten.«

      »Eure Exzellenz sind sehr gnädig,« rief Francesco, »ich werde nicht verfehlen, mich zu Euerm Befehl zu stellen.«

      »Auf Wiedersehen also –« sagte Girolamo, ihm nochmals die Hand reichend und ritt schnell davon, während Francesco, von seinen Fackelträgern begleitet, dem Mediceischen Bankpalast zuschritt, den jener soeben verlassen hatte.

      Tornabuoni war nachdenklich in sein Kabinett zurückgekehrt.

      »Es ist ein gewagtes Spiel,« sagte er, während er die Korrespondenzen in seinen Schreibtisch verschloß, »der Papst ist schon ungehalten über den Widerstand, den er gegen alle seine Wünsche in Florenz findet und wir können uns weder auf Venedig noch auf Mailand fest verlassen, da beide trotz aller Freundschaftsversicherungen das Wachsen der florentinischen Macht mit neidischen Augen ansehen. Freilich sehe ich es wohl ebenso klar wie Lorenzo, daß man uns mit einem festen Gürtel umgeben will, der in einem Augenblick auf einen Wink von Rom aus zusammengeschnürt werden kann und daß Imola, an dessen stärkerer Befestigung schon die Sforza gearbeitet haben, ein mächtiges Glied in dieser Gürtelkette bildet; aber gewagt bleibt es immerhin, den Papst geradezu herauszufordern, wie es durch die Verweigerung dieser dreißigtausend Goldgulden geschieht, da er sehr gut weiß, daß wir sie schaffen könnten und wohl auch einiges Recht hat, diesen Dienst von uns zu verlangen, da er ja den Medici das Schatzmeisteramt des apostolischen Stuhls verliehen hat, das immerhin große Vorteile in allen Geschäften bringt. Und wird der Kauf von Imola dadurch verhindert werden können? – Werden die Sforza den Kaufpreis nicht dennoch stunden und wird dann nicht Girolamo in seiner Erbitterung ein um so gefährlicherer Nachbar für die florentinische Republik werden? Ich fürchte, ich fürchte, Lorenzo überschätzt in jugendlichem Feuer seine Macht und es wäre wohl besser, vorsichtig zu sein und zu versuchen, ob wir nicht die Freundschaft, die der Papst uns doch früher entgegenbrachte, wiedergewinnen könnten, um dann in klugem, planmäßigem Vorgehen die florentinische Unabhängigkeit auf dauernden Grundlagen zu sichern, statt sie in einem gewagten Kampf aufs Spiel zu setzen. Ich werde morgen noch einmal den Grafen um eine Bedenkfrist bitten und zugleich einen Boten nach Florenz senden, um Lorenzo zu warnen, wie es mir, dem älteren Verwandten, wohl ansteht.«

      Er schien mit diesem Entschluß, der einen Mittelweg bilden sollte, welcher seiner ruhigen nachdenklichen Natur entsprach, seine Sorgen beendet zu haben, wie es überhaupt seine Gewohnheit war, die Geschäfte an jedem Tage zu einem gewissen Abschluß zu führen und die weitere Entwickelung derselben dem nächsten Morgen zu überlassen.

      Seine Züge nahmen seine gewohnte Heiterkeit wieder an. Er verschloß seinen Schreibtisch und die Schränke und stieg die Treppe hinauf, um den Abend, wie immer, im Kreise seiner Familie und seiner Freunde zuzubringen.

      Die Wohngemächer lagen in dem sogenannten Mezzania, einer kleineren Zwischenetage zwischen dem Parterre und dem ersten Stockwerk, in welchem sich die großen Festsäle und Prunkgemächer befanden; aber auch die einfache Familienwohnung zeigte einen, selbst in dem damaligen glänzenden Rom außergewöhnlichen, ebenso gediegenen als geschmackvollen Luxus. Die Korridore waren durch Wachsfackeln hell erleuchtet und zahlreiche Diener standen bereit, die Besuchenden zu geleiten und die Thüren zu öffnen. In den inneren Gemächern waren die kunstvollen Mosaikfußböden mit kostbaren orientalischen Teppichen bedeckt, vorzügliche Gemälde der besten Meister und antike Vasen und Büsten schmückten die mit Marmor oder Getäfel von seltenen Holzarbeiten bekleideten Wände und die Kerzen auf den Krystallkronleuchtern verbreiteten ein helles Licht, während in den Kaminen die Feuer von wohlriechendem Nadelholz eine milde Wärme ausströmten.

      Tornabuoni schritt durch mehrere Vorzimmer und trat in einen runden Saal, in welchem eine Gesellschaft von etwa fünfzehn Personen versammelt war und sich in einzelnen Gruppen unterhielt.

      Neben Tornabuonis Gemahlin, Maddalena, saß auf einem breiten, mit kostbaren Brokatkissen bedeckten Wandsitz die Markgräfin von Malaspina und mit den beiden Damen unterhielt sich, in einem vergoldeten Lehnstuhl sitzend, der Kardinal Napoleone Orsini, der Bruder der Gemahlin Lorenzos von Medici, ein etwa fünfunddreißigjähriger Prälat von außerordentlich vornehmer Erscheinung, dessen seines und geistvolles Gesicht in seinem Ausdruck und seinem lebhaften Mienenspiel ebenso sehr die Gewandtheit des sein gebildeten Weltmannes als die Würde des Kirchenfürsten zeigte.

      Auf einem Taburett, zur Seite der Markgräfin von Malaspina, saß deren kaum siebzehnjährige Tochter, Giovanna, eine außerordentlich zarte Erscheinung, deren liebliches Gesicht mit den lichten Farben und den leuchtenden dunkelblauen Augen eben erst zum Leben erwacht zu sein schien; ihr reiches Haar hatte jene schimmernd-blonde Goldfarbe, welche in Italien als eine ganz besonders seltene Schönheit gilt und in Titians Bildern mit so wunderbarem Reiz nachgebildet ist.

      Sie trug ein Gewand von weißer Seide mit kostbaren Spitzen und feiner goldener Stickerei; statt der Edelsteine, welche die anderen Damen trugen, schmückten sie nur einfache frische Blumen, und der Kardinal Napoleone hatte wohl recht, wenn er von ihr sagte, daß sie von Engelshänden an einem Frühlingsmorgen aus Blumenduft und Sonnenlicht geschaffen sei.

      Neben ihr, halb zu ihren Füßen, saß auf einem kleinen vergoldeten Sessel Cusimo Rucellai, welcher seinem Oheim Tornabuoni voraus hierher gekommen war, nachdem er den Grafen Girolamo zu seinem Pferde geleitet hatte.

      Die beiden jungen Leute sprachen nicht miteinander, sondern hörten aufmerksam und ehrerbietig der leichten geistvollen und galanten Plauderei des Kardinals zu, dem es gelang, die ernste würdige Madonna Maddalena und die stolzblickende Markgräfin immer wieder zu heiterem Lachen zu bringen, ohne daß sie es vermochten, bei seinen zuweilen etwas gewagten Scherzen eine strenge Miene festzuhalten. Aber obgleich Cosimo und Giovanna einander scheinbar gar nichts zu sagen hatten, so konnte es doch niemandem, der sie beobachtete, entgehen, daß eine gewisse, fast magnetische Beziehung zwischen ihnen stattfand. Die schöne Giovanna schien es zuweilen zu empfinden, daß Cosimos Blicke an ihrem Gesicht mit einer Wärme hingen, die ihr Blut schneller durch die Adern trieb und wenn sie dann wie unwillkürlich die Augen aufschlug und, sich halb zu ihm hinwendend, seinen Blicken begegnete, so färbte sich das zarte Rot ihrer Wangen dunkler und sie ließ, schnell sich wieder abwendend, den Kopf wie erschrocken


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