Palle. Oskar Meding
im Saal standen oder saßen in verschiedenen Gruppen die übrigen Gaste des Hauses, fast sämtlich junge Künstler auf dem Gebiete der Musik, der Malerei und der Bildhauerkunst, unter ihnen der feingebildete, allen Künsten zugewendete und sie auch selbst ausübende Gesandte der florentinischen Republik Donato Acciaiuoli, der es vortrefflich verstand, junge Talente anzuregen und niemals zögerte, sie in jeder Weise auf das großmütigste zu unterstützen.
Tornabuoni begrüßte galant die Markgräfin und ihre Tochter, welche auf einige Zeit die Gäste seines Hauses waren, um die römische Welt kennen zu lernen, drückte ehrerbietig die dargebotene Hand des Kardinals und wendete sich den übrigen zu, welche schnell und eifrig zu ihm herantraten.
Es war nur kurze Zeit vergangen, als Francesco Pazzi durch die Vorzimmer in den Saal trat. Er trug einen Strauß von frischen eben erblühten Rosen in der Hand. Sein Blick fiel, als er auf der Schwelle des Gemachs stand, auf Giovanna und Cosimo und in seinen Augen blitzte es wie auflodernder Zorn:
Tornabuoni trat ihm sogleich entgegen, begrüßte ihn mit verbindlicher Artigkeit und sagte:
»Ich freue mich, Signor Francesco, daß Ihr Euch auch heute wieder meines Hauses erinnert, die Florentiner müssen ja auch außerhalb der Mauern unserer Vaterstadt zusammenhalten, um so mehr, wenn sie zwei Häusern angehören, die in Freundschaft und Verwandtschaft zu einander stehen und die beide so oft und so eifrig ihre Liebe zum Vaterlande bewiesen haben.«
Francesco antwortete nur durch eine tiefe Verbeugung und ging schnell zu den Damen, um diese und den Kardinal zu begrüßen.
»Ich habe,« sagte er dann, fast hastig die Begrüßungsworte abbrechend, »in unseren Treibhäusern diese blühenden Rosen gefunden, welche in dieser Winterzeit wohl etwas Seltenes und Kostbares sind und darum auch ihre schönste Bestimmung finden, wenn die Marchesina Giovanna so gütig sein will, sie als eine Huldigung meiner Verehrung und Bewunderung anzunehmen. – Ich habe dabei nur zu bedauern, daß die Schönheit dieser Blumen, die mich eben noch entzückte, so ganz verbleichen muß vor dem Leibreiz der edlen Dame, der ich sie darzubieten wage.«
Er reichte den mit einer breiten Goldschnur umwundenen Strauß mit tiefer Verbeugung der schönen Giovanna.
Diese beugte sich errötend auf die Rosen nieder, sog den würzigen Duft ein und sprach mit unsicherer Stimme einige Worte des Dankes, während Cosimo erbleichend die Lippen aufeinander preßte.
Der Cardinal sagte lächelnd:
»Wenn schon diese schönen Rosen in den Schmelz ihrer Farbe kaum mit den Wangen unserer lieben Marchesina wetteifern können, so stehen sie noch um so weiter zurück durch ihre bösen Dornen. Freilich,« fuhr er mit einem Seitenblick auf die beiden jungen Männer fort, »haben unsere schönen Damen auch ihre Dornen, aber sie verwunden damit niemals den, für den ihre Blüten sich öffnen, und darin sind sie liebenswürdiger als die Rose, welche ihre Dornen gegen jeden richtet, der ihr nahe tritt«.
Giovanna errötete noch tiefer und wendete sich dann wie in unwillkürlicher Bewegung zu Cosimo mit einem seltsam aufleuchtenden Blick, der Francesco nicht entging. Er erbleichte; ein bitteres scharfes Wort schien auf seinen Lippen zu schweben; aber Tornabuoni trat heran und bat die Marchesa zu erlauben, daß ein junger Sänger ein Lied vortrage, das er selbst gedichtet und in Musik gesetzt.
Der junge Mann, den Acciaiuoli zum erstenmal in diese von allen Künstlern Roms so eifrig gesuchte Gesellschaft geführt, trat in die Mitte des Saals und begann seinen Vortrag, den er selbst mit der Mandolina begleitete.
Das Lied war eine Liebesklage in dem romantisch melancholischen Geist jener Zeit mit überschwenglichen Worten der Hingebung und Bewunderung und mit rührenden Klagen über die Härte der Geliebten. Die Melodie war leicht und schmeichelnd und der Sänger entwickelte eine sorgsam geübte Kunst in der Modulation seiner schönen Stimme und in der Begleitung.
Alles lauschte gespannt.
Francesco Pazzi war, da Cosimo seinen Platz neben Giovanna nicht aufgab, zu den übrigen Zuhörern getreten, aber er wendete seinen finsteren Blick nicht von den beiden jungen Leuten ab, während er aufmerksam der Musik zu lauschen schien.
»Wie schön«, flüsterte Cosimo in das Ohr Giovannas, die sich ganz in die liebliche Musik versunken, mehr noch zu ihm herab geneigt hatte, »und wie wahr! Der arme Dichter klagt in seinem Liede, daß die Dame ihm jedes Zeichen ihrer Huld versagt, das man doch auch dem Freunde gewährt, daß sie ihm eine Blume versagt, um die er sie bittet, um sich, wenn er von ihr fern ist, an den süßen Duft und den holden Glanz ihrer Schönheit zu erinnern. Und eine Blume schenkt man doch einem guten Freunde – nicht wahr, Signora Giovanna, der arme Dichter hat wohl Grund zu klagen und zu seufzen?
Sie neigte zustimmend den Kopf und sah ihn lächelnd mit einem flüchtig fragenden Blick an.
»Nicht wahr, Signora Giovanna« flüsterte er weiter, »Ihr würdet so grausam nicht sein, wenn ich Euch um eine Blume bitte – ich würde zwar nicht so melodisch klagen können wie jener Sänger dort, wenn Ihr meine Bitte versagtet, aber um so tiefer würde mein Herz darunter leiden.«
Wieder sah sie ihn, nur leicht die Wimpern aufschlagend, an, dann zog sie, lieblich errötend, eine der Rosen aus ihrem Strauß und ließ die zarte Blüte in seine bittend ausgestreckte Hand fallen.
In demselben Augenblick hörte man den Sessel, auf dessen Lehne Francescos Hand sich stützte, heftig auf den Mosaikboden stoßen, also daß alle Blicke sich dorthin wendeten; aber es mußte eine ganz zufällige Bewegung gewesen sein, welche das Geräusch verursacht hatte, denn Francesco stand unbeweglich, die Hand um die Lehne seines Sessels gespannt, da und sah den Sänger an, nur war sein Gesicht bleicher und seine Miene finsterer als vorher, wie es wohl die Töne der Liebesklage des Liedes bewirken konnten.
Cosimo achtete nicht darauf, er hob die Blume empor, als ob er ihren Duft einziehen wolle, drückte sie an seine Lippen und barg sie dann an seiner Brust in den Falten seines Gewandes.
»Dank, Giovanna,« sagte er, »Dank! O, jetzt möchte ich mitten hinein in diese klagenden Töne einen Jubelruf erklingen lassen, da ich sehe, daß Ihr mir erlaubt, mich Euern Freund zu nennen.«
Giovanna schien nur dem Liede zu lauschen, ihre Wangen glühten und ihre Augen schimmerten in feuchtem Glanz und wenn der Sänger seine Blicke ihr zuwendete, so muhte er glücklich sein, daß die Worte und die Töne das schöne Mädchen so tief bewegten. Niemand sah, daß Cosimo, der halb hinter ihr verborgen saß, ihre herabgesunkene Hand in der seinen hielt und er allein fühlte den kaum merkbaren wie zufälligen Druck ihrer schlanken Finger. Nur Francesco Pazzi bemerkte dies alles, obgleich er nur verstohlen und flüchtig nach jener Seite hinblickte, und immer fester preßten sich seine Lippen aufeinander.
Als das Lied beendet war, erscholl von allen Seiten lauter Beifall, zu dem der Kardinal Napoleone das Zeichen gab. Auch Cosimo trat heran, um dem Sänger warme Worte des Dankes für sein Lied zu sagen, bei dessen Klängen ihm ein so süßes Glück erblüht war.
Francesco Pazzi unterhielt sich kalt und ernst mit verschiedenen Herren, sein Gesicht hatte eine vollkommen gleichgültige Ruhe wieder angenommen und auch mit Cosimo Rucellai wechselte er einige artige Worte. Als aber noch einige Lieder von anderen Künstlern vorgetragen waren und die Diener die Thüren des Speisesaals öffneten, zum Zeichen, daß die Abendmahlzeit bereit sei, da trat er zu Tornabuoni heran und sprach ihm sein Bedauern aus, daß er noch eine notwendige und dringende Korrespondenz zu erledigen habe und deshalb bedaure, an der Mahlzeit nicht Teil nehmen zu können, er habe sich nur für eine kurze Zeit frei machen können, um sich der so lieben und werten Gesellschaft nicht ganz zu entsagen. Er empfahl sich dann den Damen mit kurzen Worten und verließ schnell den Saal, während die Gesellschaft sich zu der mit reichem Silbergeschirr und kostbaren Blumen bedeckten Tafel begab.
Der Kardinal und Acciaiuoli hatten die älteren Damen in den Speisesaal geführt. Tornabuoni setzte sich denselben gegenüber,