Gestalten mit Licht und Schatten. Oliver Rausch

Gestalten mit Licht und Schatten - Oliver Rausch


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mit Licht auf Brust und Stirn versucht er, den Betrachter das Bild so lesen zu lassen, dass erst durch das Licht Verstand und Herz wieder zu einer Einheit werden. Eine schöne Metapher für die Fotografie …

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      Dana Stölzgen – »Magische Orte«

       Dana Stölzgen verwendet in ihren »Magischen Orten« das Licht, um den Locations Leben einzuhauchen. In der ersten Aufnahme wirkt die Lampe wie ein Theaterspot, nur dass die Akteure die Bühne bereits verlassen haben. In der zweiten Aufnahme stehen die beiden Lampen da wie ein altes Ehepaar, das eventuell früher einmal zu Gast in dieser Kneipe war. Das Licht der Lampen verkörpert einen Großteil des Charakters dieses alten Paares. Die Verlassenheit des Ortes wird in der dritten Aufnahme gleich auf mehreren Ebenen versinnbildlicht. Die Schirme stehen da wie ein vergessenes Pärchen, wodurch das Thema des zweiten Bildes wieder aufgegriffen wird. Auch hier ist ein Schirm etwas größer als der andere, so wie bei den Lampen. Und es sieht so aus, als würde der eine Schirm den Weg in Richtung Licht antreten, welches im Hintergrund zur Tür hereinscheint. Auch hier wird das Licht wieder als Metapher für einen (zukünftigen) Weg oder den Abschied genutzt. Geschickt greift der Stuhl im Vordergrund die Stühle des ersten Bildes auf und vereint die Bilder zu einer kleinen Geschichte des Hinfortgehens.

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      Kathrin Kolbow – »Albträume«

       In »Albträume« von Kathrin Kolbow wird das »Verrückte« nicht zuletzt durch das Licht untermalt. Es kommt als Seitenlicht von links und rechts, zudem auch noch als Gegenlicht. Es sind also gleich drei Hauptlichtquellen eingesetzt. Eine natürlich wirkende Beleuchtung erhalten Sie mit einer solch »wüsten« Ausleuchtung nicht. Diese Ausleuchtung entstammt eher einem Theater. Hier erzeugt Kathrin eine sehr surreale und passend zu den Albträumen geheimnisvolle Wirkung.

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      Horst Mumper

       In diesen Szenen, Ausschnitten aus einer Kurzgeschichte, untermalt Horst Mumper die emotionalen Zustände seiner Protagonisten durch eine entsprechende Lichtführung. In dem Bild mit Barbie in der Kutsche setzt er ein sehr klassisches hochfrontales Licht mit einer großen Lichtquelle und kombiniert diese mit einer Aufhellung durch Verlängerung. So erhält er ein sehr strahlendes, sonniges Licht. In diesem Fall sorgt eher die Farbgebung für den traumhaften, surrealen Effekt. Im zweiten Bild kombiniert Horst Mumper passend zur bedrohlichen Figur des Hulk ein eher düsteres Seitenlicht. Gleichzeitig erscheint Barbie jetzt, der Dramatik der Szene entsprechend, im Rembrandtlicht.

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      Rolf Franke

       Die Bilder von Rolf Franke wirken oft sehr filmisch. Er fotografiert gerne auf sehr komplex aufgebauten Filmsets, die die in diesem Buch vorgestellte »Nasentheorie« verwenden, um natürliches Licht nachzuahmen. Tatsächlich wird das »Fensterlicht« in dieser morgendlichen Szene durch Filmscheinwerfer und das (in Kapitel 3 vorgestellte) »Multilight« erzeugt.

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      Maya Claussen

       Maya Claussen nutzt die Lichttheorie für diese Bilder, die in einem strikten Reportageansatz erstellt wurden, um das vorhandene Licht vor Ort bewusster zu sehen und dessen Bildwirkung bereits in der Situation zu erkennen. So kann sie einen idealen Standpunkt für ihre Aufnahmen finden. Das hochfrontale Licht der ersten Aufnahme fällt durch ein Dachfenster. Es wirkt so, als würde die Frau auf einer Bühne stehen. Erst das Erkennen dieser Lichtsituation macht das Motiv für die Fotografin überhaupt interessant – dagegen nicht, dass diese Frau Milch umgießt. Ebenso verleiht das dramatische Seitenlicht auf den Lehrer in der Schulklasse dem Bild einen Großteil seiner erzählerischen Kraft. Schulen Sie Ihre Wahrnehmung und üben Sie im Studio, auch wenn Sie später vor Ort und in Reportagesettings arbeiten möchten. So können Sie den richtigen Moment abpassen. Und dieser Moment ist oft erst durch das richtige Licht gegeben. Weshalb Sie lernen sollten, es zu erkennen.

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      Maya Claussen

       Maya Claussen nutzt die Lichttheorie auch für Interieurs, wie dieses Beispiel zeigt. Jedes Objekt hat ein »Gesicht« und lässt sich daher genau wie ein solches lichtgestalterisch behandeln. Das Bettzeug erhält Seitenlicht, genau wie die Wand auf der rechten Seite. Das Buch im Vordergrund ist so gedreht, dass es Rembrandtlicht auf der kurzen Seite erhält.

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      Vildan

       Im Stillleben von Vildan können Sie feststellen, dass die Frucht und das Haar jeweils in ein stark durch Verlängerung aufgehelltes hochfrontales Licht getaucht sind. Dabei verwendet die Fotografin das Licht eines Fensters als Hauptlichtquelle. All diese Begriffe und Zusammenhänge erscheinen Ihnen jetzt eventuell noch sehr rätselhaft, doch dafür halten Sie ja dieses Buch nun in Händen: um das Licht sehen und im wahrsten Sinne des Wortes begreifen zu lernen.

      1. Kapitel

      Grundlegendes, bevor es losgeht

       Ausleuchten heißt Schatten erschaffen. Ein erster wesentlicher Aspekt für die Wirkung von Licht ist, dass ein dreidimensionales Objekt auch im zweidimensionalen Bild seine Räumlichkeit, seine Plastizität behält. Hierzu darf zum Beispiel ein Gesicht nicht nur »hell« und damit schattenfrei angeleuchtet werden. Das wäre mit einer nahe der optischen Achse platzierten Lichtquelle der Fall, etwa bei Nutzung des eingebauten bzw. eines Systemblitzes auf der Kamera oder der Sonne im Rücken des Fotografen. Das Ergebnis ist am Beispiel einer Kugel einfach zu verdeutlichen, wie Abbildung 1–1 zeigt.

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      Eine dreidimensionale Kugel ist nur bei entsprechender Ausleuchtung als solche in einer zweidimensionalen Abbildung wahrnehmbar.

      Bei einer frontalen Ausleuchtung wirkt die Kugel im Bild eher wie eine Scheibe. Nachts können Sie das anhand des Vollmondes sehen, der wie eine Scheibe und nicht wie eine Kugel am Himmel steht. Erst Schatten auf der Oberfläche lassen uns ein Objekt im zweidimensionalen Bild als dreidimensional wahrnehmen. Dabei sind unterschiedliche Eigenschaften der Schatten, die wir im Verlauf der folgenden Kapitel ausführlich diskutieren werden, dafür verantwortlich, wie stark diese »Plastizität« und viele weitere Charakteristika ausgeprägt sind. Ein plötzlich einsetzender Schatten mit einer scharfen Übergangskante wie bei der zweiten Kugel in Abbildung 1–1 lässt diese wie eine flache Sichel erscheinen, so wie wir es auch beim


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